Totgeprügelter Jonny K.: Tina K. gründet Gedenkverein: "I am Jonny" - und spricht vor Schülern
Die Schwester des Opfers vom Alexanderplatz hält an diesem Samstag eine Rede vor 600 Menschen an der JFK-Schule. Tina K. möchte ihren totgeprügelten Bruder mit einer Stiftung "unsterblich machen", doch für das Großprojekt fehlt Geld.
Sie ist die große Schwester. Die, die sich nach eigenen Angaben um alles kümmert. So sei es schon immer gewesen. Seit der Nacht zum 14. Oktober ist sie noch mehr in der Verantwortung. Da verlor Tina K., 28, ihren Bruder Jonny, 19. Vier junge Männer prügelten und traten so lange auf ihn ein, bis er leblos am Alexanderplatz liegen blieb. Tina K. möchte ihn nun mit einer Stiftung „unsterblich machen“, wie sie sagt. Doch für das Großprojekt fehlt Geld. Am Montag wird zunächst ein Verein gegründet.
„I am Jonny“ soll die Initiative heißen. Eigentlich sollten in Jonnys Namen Jugendhäuser und -projekte unterstützt werden. Doch so etwas kostet Geld. „Zunächst mache ich, was keine Kosten verursacht. Ich gehe an Schulen und Kindergärten und rede darüber, wie sich Gewalt vermeiden lässt“, sagt Tina K. Die erste Rede hält sie bereits heute vor 600 internationalen Schülern in der John-F.–Kennedy-Schule in Zehlendorf; die Veranstaltung ist nicht öffentlich. „Ich möchte diesen internationalen Schülern zeigen, dass solche Gewaltverbrechen überall passieren können“, sagt sie. Sie wolle deutlich machen, dass Gewalt unabhängig von Alter, Herkunft und Stand in der Gesellschaft präsent sei. „Oft fehlt der Respekt voreinander. Das fängt schon bei den Kleinen an.“ Auch in Kindergärten möchte sie deshalb künftig über Gewaltprävention aufklären. Eigentlich hat sie mit ihrem Freund zusammen eine kleine Werbefirma. Doch die liegt auf Eis. Im Moment zähle nur Jonnys Andenken, sagt sie. Noch immer geht sie jeden Tag zur Mahnwache am Alexanderplatz. Später will sie Vollzeit in der Stiftung arbeiten.
Doch der Weg dahin ist noch lang. Roland Weber ist der neue Opferbeauftragte des Landes Berlin, und er kümmert sich um die Koordination. „Damit eine Stiftung sinnvoll arbeiten kann, braucht sie ein Grundkapital von etwa 150 000 Euro“, sagt Weber. Denn das Vermögen der Stiftung wird nicht angetastet, nur mit den Erlösen gearbeitet. Gerade für Spender sei dies aber die sicherste Rechtsform. Weber steht deshalb in Kontakt mit rund einem Dutzend Firmen, die bereit seien, größere Beträge für die Gründung der Stiftung bereitzustellen.
Unterstützung hat auch der soziale Verein „Aufbruch Neukölln“ signalisiert. „Unser Verein richtet sich gegen jede Form von Gewalt. Das Mindeste, was wir tun können, ist, die Stiftung zu unterstützen“, sagte der Vorsitzende Kazim Erdogan. Am Mittwoch wird Tina K. auch in der St.-Marien-Kirche in Mitte um Spenden werben. Die Kollekte soll der Stiftung zugute kommen.
Noch immer ist Jonnys Tod nicht aufgeklärt. Die Staatsanwaltschaft wollte sich nicht zum Stand der Ermittlungen äußern. Ein 19-Jähriger sitzt in Untersuchungshaft. Der mutmaßliche Haupttäter, Onur U., der Jonny K. vor vier Wochen getötet haben soll, befindet sich offenbar noch immer in der Türkei. Das Rechtshilfeersuchen der dortigen Behörden zur Auslieferung des Verdächtigen sei bereits dort eingegangen, hieß es in Polizeikreisen. Zwei weitere Verdächtige halten sich möglicherweise in Griechenland auf. Für Tina K. ist das alles derzeit zweitrangig. „Ich bin mir sicher, dass sich jeder bei der Polizei nach Kräften darum kümmert, die Täter zu finden“, sagt sie. Wie die Ermittlungen laufen, interessiere sie nicht: „Es ist für mich keine Neuigkeit, solange die Täter nicht endgültig gefasst sind.“
Sidney Gennies, Kerstin Hense