Ex-Finanzsenator: Thilo Sarrazin warnt Berlin vor dem Stillstand
Der ehemalige Finanzsenator sieht die wirtschaftliche Zukunft Berlins skeptisch. Seinen harten Sparkurs verteidigt er bis heute.
Der ehemalige Finanzsenator Thilo Sarrazin sieht die wirtschaftliche und finanzielle Zukunft Berlins eher skeptisch. Die Lücke bei der Wirtschaftskraft, im Vergleich zu anderen Ballungszentren, könne die Stadt nur allmählich füllen.
Immer noch lebten in Berlin 25 Prozent der Einwohner von Sozialtransferleistungen, „mehr als je zuvor“, und die durchschnittlich sehr schlechte Bildungsleistung an den Schulen sinke immer weiter, sagte Sarrazin im Tagesspiegel-Interview. „Die Nettozuwanderung von wirtschaftlich starken Menschen liegt bei Null.“ Er glaube nicht, dass der weitere ökonomische Aufstieg Berlins ein Selbstläufer sei.
Der umstrittene SPD-Politiker, dem bis heute vorgeworfen wird, die öffentliche Verwaltung Berlins kaputt gespart zu haben, ist „nach wie vor sehr stolz“ auf seine harte Sparpolitik. Zu Beginn der Amtszeit 2002 habe er ein Haushaltsloch von fünf Milliarden Euro vorgefunden.
„Ich habe die Ausgaben der Stadt innerhalb von sieben Jahren um 9,2 Prozent verringert, während sie in den vergangenen sieben Jahren wieder um 25 Prozent gestiegen sind.“ Seine Bemühungen hätten dazu geführt, dass Berlin inzwischen regelmäßig Überschüsse erwirtschaftet.
Die Betroffenen, die harte Einschnitte erdulden mussten, hätten ihm „natürlich leidgetan“, sagte Sarrazin. Er habe immer versucht, sich in die andere Seite hineinzuversetzen und für jeden Bereich ein eigenes Sparmodell zu entwerfen.
Bezirke in Sarrazins Amtszeit "geknechtet"
Der ehemalige Finanzsenator, der 2009 in den Vorstand der Bundesbank wechselte und kontrovers diskutierte Bücher über Einwanderung, Bildung und den Euro schrieb, räumt aber ein, dass er in seiner Amtszeit die Berliner Bezirke „geknechtet“ habe. Denn in den Bezirksämtern habe es „in vielen Bereichen Ressourcen gegeben, die nicht gehoben wurden“.
Er habe auch davor gewarnt, den Beamtenstatus für die Berliner Lehrer abzuschaffen, weil dies die Wettbewerbssituation gegenüber den anderen Bundesländern verschlechtern würde. „Wie man heute sieht, war meine Einschätzung richtig“, sagte Sarrazin.
Als einzigen Fehler räumt er ein, sich nicht häufig genug in die Fachressorts des Senats eingemischt zu haben. „Sonst hätten wir heute in Berlin eine bessere Bildungspolitik.“ Das spektakuläre Urteil des Bundesverfassungsgericht, das dem finanziell Not leidenden Land Berlin 2006 zusätzliche Bundeshilfen verweigerte, nennt Sarrazin aus heutiger Sicht „absolut gerecht“.
"Es ist ein Risiko, sich auf gute Einnahmen zu verlassen"
Dass sich Berlin nach dieser Abfuhr in Karlsruhe trotzdem finanziell erholte, führt der Ex-Senator vor allem „auf die Hartz IV-Reformen und die wirtschaftliche Erholung“ in Deutschland zurück. Er selbst habe sich weiterhin auf eine rigide Ausgabenpolitik konzentriert. „Denn es ist ein Risiko, sich auf gute Einnahmen zu verlassen“, warnte Sarrazin. Zurzeit lägen die Einnahmen des Landes Berlin bei etwa 27 Milliarden Euro. „Lassen Sie mal eine Wirtschaftskrise kommen, dann sind es vielleicht nur noch 24 Milliarden Euro.“
Die Bemühungen des rot-rot-grünen Senats zur Auflösung des Sanierungsstaus findet Sarrazin richtig. Aber es zeige sich, dass nur ein Teil der eingeplanten Mittel verbaut würden. „Investitonen müssen sachgerecht durchgeplant und entschieden umgesetzt werden“, mahnt der SPD-Politiker. Man müsse „den Leuten dabei auf den Füßen stehen“.
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