Kirche kann auch Facebook: Theresa Brückner ist Gottes Influencerin
Twitter, Instagram, YouTube gehören zu Theresa Brückners Arbeitsalltag als Pfarrerin in Berlin. Sie muss sich dort auch gegen Skeptiker zur Wehr setzen.
Eins der wichtigsten Arbeitsutensilien Theresa Brückners gleicht in Form und Größe einer E-Zigarette. Es ist eine Kamera mit gutem Bildstabilisator – trotz des Miniformats. Den braucht die 32-Jährige beim Filmen. Auf der Straße und in der U-Bahn. Zu Hause, bei Tagungen, im Park – oder bei der Vorbereitung für die Predigt zu Ostern. Brückner ist „Pfarrerin für Kirche im digitalen Raum im Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg“ – so lautet ihr Stellenprofil.
Im Internet findet man sie als „@theresaliebt“. Sie ist auf Twitter, Instagram, Facebook unterwegs, hat einen YouTube-Kanal. Theresa Brückner ist, wenn man das so sagen will, eine kirchliche Influencerin. Auf Instagram hat die Theologin rund 5300 Abonnenten. Unter anderem postet und twittert sie unter dem Hashtag „#waspfarrerinnensomachen“ aus ihrem Berufsalltag, von ihrer Pfarrstelle. Aber auch davon, wie es ist, wenn man als Mutter eines Zweijährigen die Nacht kaum geschlafen hat und trotzdem eine Predigt vorbereiten muss. Oder wie schön es ist, wenn das Kind sie nach einem Arbeitstag in den Arm schließt.
Was sie digital antreibt, macht die Pfarrerin auf ihrem Twitter-Profil deutlich: „Die 14- bis 17-Jährigen leben online – für sie ist die Vorstellung von der Bewältigung des Alltags ohne mobile, internetfähige Geräte nicht nachvollziehbar. Und deswegen brauchen wir digitale Kirche.“ Diesen Tweet stammt vom Juli letzten Jahres. Wenige Wochen vorher war Brückner, damals Vikarin in Frohnau , in den Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg eingeladen worden, um über Digitalisierung und Kirche zu sprechen.
Durch ihre Präsenz auf Twitter war man im Süden der Stadt auf die Nachwuchstheologin aus Nord-Berlin aufmerksam geworden, die mit ihrer Familie in Pankow wohnt. Die Elternzeit nach der Geburt des Kindes nahm ihr Mann, der ebenfalls auf dem Weg ist, Pfarrer zu werden. Mit viel Familienorganisation konnte Brückner so ihr Vikariat, quasi das Referendariat der Theologen, auch mit einem Baby absolvieren.
Anfang des Jahres 2019 kann sie in Tempelhof-Schöneberg als Pfarrerin beginnen. Zum einen ganz herkömmlich in der Tempelhofer Paulus-Gemeinde, mit allem was dazu gehört: Gottesdienste, Konfirmandenunterricht, Beerdigungen, Seelsorge. Zum anderen zuständig für digitale Kirche. Für Brückner gibt es nun den Austausch in einem klassischen Pfarrkonvent, einem Zusammentreffen der Theologen, oder in einem in der Digitalszene üblichen „Barcamp“, das per Definition eine „Nichtkonferenz“ ist, auf der in offenen Workshops gearbeitet wird.
Erst in der vergangenen Woche gab es in Berlin ein Barcamp zum Thema „Kirche online“. Denn inzwischen hat die Evangelische Kirche – gerade auch in Berlin – erkannt, welche Bedeutung die sozialen Netzwerke haben und welche Chancen sie bieten können. „Das ist doch ein totaler Schatz“, sagt Brückner. Diesen müsse die Kirche nutzen. Auf Ebene der Landeskirche gibt es ebenfalls eine Stelle für Kirche im digitalen Raum.
Aber es melden sich auch Skeptiker. Zu ihnen gehört der ehemalige Berliner Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber. „Vorsicht, Twitter-Falle: Die Kirche darf nicht denken, sie ist beständig neu, wenn sie sich digitalen Trends anschließt. Sie muss ein Ort sein, an dem sich Menschen begegnen und sich nicht durch Twittern aus dem Weg gehen“, schrieb Huber im Januar – auf Twitter.
Dem Dialog dazu in diesem Medium wich er allerdings aus. Huber, den die Pfarrerin als Theologen sehr schätzt, konstatierte später in einer Zeitschriftkolumne, dass hinterher „kübelweise Spott“ über ihn ergossen worden sei. Brückner widersprach. „Wir wünschen uns lediglich, dass Sie mit uns über das Thema #digitaleKirche wirklich in den Dialog treten und kritisieren es, dass Sie das bisher nicht tun oder getan haben“, twitterte sie.
Ähnliche Erfahrungen gab es, nachdem der prominente Theologe erneut auf Twitter die These vertrat: „Dass bereits Kleinkinder in Smartphones starren, liegt nicht an den Kindern, sondern an Müttern, die ihre Kinder nicht anders zu beschäftigen wissen.“ Hubers Mütter-Kommentar ärgerte Brückner, „weil ich dieses verbale Frauen-Bashing von (eher alten) Männern in der Kirche SO leid bin und satt habe“.
Vom Namen ihrer Social-Media-Accounts „@theresaliebt“ und ihrem Profilbild in den verschiedenen Kanälen, das eine junge Frau mit langem, gewellten blonden Haar und einem offenen Blick zeigt, sollte man sich nicht täuschen lassen und weichgespülte, belanglose Inhalte erwarten. Die bietet Brückner nicht. Unter dem Namen „@theresa liebt“ lief zunächst ihr Instagram-Account. Auf diesem postete sie zunächst vor allem Bilder von Dingen, Situationen oder Orten, die sie mochte. Später nannte Brückner auch ihre Profile in den anderen sozialen Medien so. Seit noch nicht einmal drei Monaten ist sie auf dem Videoportal YouTube präsent.
Sie setzt auf eine Ausgewogenheit von Gefühl und Sachlichkeit
Vor einigen Tagen zieht sie dort eine kleine Bilanz nach hundert Tagen im Pfarramt. Brückner kündigt diese auf den anderen Kanälen an mit den Worten „zwischen Freude und Sexismus“. Das macht neugierig. Brückner mag klare, verständliche Worte, setzt auf eine Ausgewogenheit von Gefühl und Sachlichkeit. Sie spricht von vielen tollen Erfahrungen in den drei Monaten, wie sehr sie ihren Beruf liebt.
Aber ebenso von Konfrontationen mit Männern, die meinen, dass sie als junge Frau im Pfarramt nichts zu suchen hat. Sehr bestimmt, deutlich, aber immer verbindlich sagt sie, was sie davon hält. Sie hebt nicht aufgeregt die Stimme, die Botschaft wird auch so klar. Mit überholten Frauenbildern braucht man ihr nicht zu kommen.
Deswegen tut Theresa Brückner sich schwer mit einem YouTube-Projekt der EKD: Auf dem Kanal „Janaglaubt“ soll eine Münsteraner Medizinstudentin jungen Leuten vermitteln, „wie aktuell die christliche Botschaft ist“. Sie kommt zwar peppig daher, ist freikirchlich geprägt und vertritt einen konservativen Glauben und sagt in einem ihrer Videos schon mal Dinge wie, sie „könne sich einem Mann unterstellen – wenn er sie liebe wie Christus die Gemeinde“. Nicht alles was modern daherkommt, ist auch so.
Bei ihrem Talar verzichtet Theresa Brückner bewusst auf das weiße Beffchen am Hals. Dieses war einst als Schutz des schwarzen Stoffes wegen der gepuderten Bärte der Pfarrer gedacht. Es ist also ein männliches Symbol. Frauen wurden in Deutschland in der Evangelischen Kirche erst vor gut 75 Jahren zum ersten Mal als Pfarrerinnen ordiniert. Brückners Talar hat nur einen kleinen weißen Kragen. In der Nacht zu Sonntag wird sie ihn wieder tragen. Gemeinsam mit einer Kollegin hält sie den Gottesdienst, mit dem um Mitternacht Ostern beginnt. Ganz analog.