Immens hohe Abrechnungen – und kaum Kontrollen: Teststationen in Berlin melden fünf Millionen Schnelltests
Die Zahl der Testzentren steigt rapide. Und das sehr lukrative Geschäft wird aus Steuermitteln bezahlt. Warum werden Betreiber dennoch kaum kontrolliert?
Seit Anfang März sind in Berlin 5 208 531 kostenlose Bürgertests durchgeführt worden. Das berichtet die Senatsverwaltung für Gesundheit auf Anfrage des Tagesspiegels. 446 381 Corona-Tests haben die senatseigenen Testzentren vorgenommen, 4 762 150 die sogenannten Test-to-go-Stationen, also die privat betriebenen Testzentren, die vom Senat zertifiziert werden. Ende Mai gab es 1383 Teststationen, ihre Zahl steigt wöchentlich um mehr als 150. Die Gesamtkapazität liegt mittlerweile bei 652 534 Tests pro Tag. Bei den senatseigenen Teststellen waren seit dem 8. März 6318 Tests positiv. Das ist ein Anteil von 1,4 Prozent. Bei den Test-to-Go-Stationen waren 36 721 Tests positiv. Das ergibt einen Anteil von 0,8 Prozent.
Bezahlt werden die Tests seit März vom Bundesgesundheitsministerium aus Steuermitteln. Die privaten Betreiber erhalten bis zu 18 Euro für die Durchführung eines Tests. Knapp drei Monate nach Einführung der Bürgertests könnten auf den Steuerzahler allein durch die in Berlin durchgeführten Tests Kosten in Höhe von bis zu 86 Millionen Euro zukommen. Bislang haben die Betreiber der Stationen erst einen Teil ihrer Tests an die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die für die Auszahlung zuständig sind, gemeldet. Bis zum 18. Mai habe die KV 1,44 Millionen Schnelltests erstattet und 24 Millionen Euro ausbezahlt, sagte eine Sprecherin.
Tagesspiegel-Recherchen hatten ergeben, dass in Berlin und in den meisten anderen Bundesländern keine Kontrolle der Abrechnungen der Tests stattfindet. In Berlin müssen die Betreiber bislang lediglich eine Zahl auf einer Online-Plattform eintragen, Belege sind dafür nicht notwendig. Auch im Zertifizierungsprozess finden kaum Überprüfungen der Angaben der Betreiber statt. Wer ein Zentrum eröffnen möchte, muss lediglich eine Checkliste ausfüllen, Personal mit Videos über die Durchführung der Tests schulen und ein Hygienekonzept vorlegen, für das es digitale Vorlagen gibt.
In wie vielen Teststellen überhaupt medizinisches Personal arbeitet, ist der Senatsverwaltung für Gesundheit nicht bekannt. Auf Anfrage des Tagesspiegels dazu hieß es: „Nein, dies wird als Statistik nicht erfasst.“ Aus Justizkreisen heißt es, dass mittlerweile auch die organisierte Kriminalität in das erträgliche Geschäft mit den Tests eingestiegen ist. Die Gesundheitsverwaltung wollte sich aber nicht dazu äußern, ob es bereits Missbrauchsfälle gegeben habe. Eine Sprecherin antwortete nur: „Wenn der Verdacht von straf- oder ordungsrechtlichem Verhalten aufkommt, gehen wir diesem nach oder übergeben dies den Ermittlungsbehörden.“ Kontrollen, heißt es weiter, würden „anlassbezogen“ zusammen mit Polizei und Ordnungsämtern stattfinden.
Wie viele Kontrollen privat betriebener Teststationen es bereits gegeben hat, ist unklar. Ein Beschwerdemanagement existiert nach Tagesspiegel-Informationen erst seit Mitte Mai. Julius Betschka