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Berlin: Tarantino’s

Quentin Tarantino ist ein Idol. Ein stilbildendes.

Quentin Tarantino ist ein Idol. Ein stilbildendes. In mehreren Filmen tragen die Killer schwarze Anzüge, weiße Hemden und schwarze Krawatten, womit die Handwerker des Tötens eine makabere Aura der Seriosität umflort. Und die Soundtracks! Tarantino suche erst die Pop-Perlen zusammen und drehe dann den passenden Film, hat mal ein Filmexperte (oder war es Tarantino selbst?) kolportiert. Die Renaissance des Surfsounds der 60er Jahre in den Neunzigern ist jedenfalls Tarantino und seinem geradezu paradigmatischen und hübsch blutigen Werk „Pulp Fiction“ zu verdanken. Der drinking man schleppte folglich viel mentalen Tarantino-Kult mit sich (auch wenn Cocktails in den Filmen kaum eine Rolle spielen), als gemeinsam mit der compañera der Besuch des „Tarantino’s“ in Mitte anstand.

Außen leuchtet eine schöne, knallrote Neonschrift, innen dominiert dunkles Himbeerrot die Wände. Natürlich hängen überall Filmplakate herum, Pulp Fiction (mit der sich lasziv räkelnden Uma Thurman) wird sogar groß auf Thailändisch angekündigt – in einem opulenten goldfarbenen Gemälderahmen. Wow. Hier ist ein Tarantino-Fan aktiv, der sich in seiner Begeisterung von niemandem übertreffen lassen will. Der drinking man fühlte sich verstanden, die compañera hingegen lächelte kühl. Ihr sind Tarantino-Filme wie „Kill Bill“ oder „Reservoir Dogs“ viel zu brutal. Und schwarze Anzüge empfindet sie in der Regel als overdressed.

Schwarz sind übrigens im Lokal auch die Holztische und -stühle, der Tresen und die Barhocker. Weinrot ziehen sich die hohen, kunstledergepolsterten Rückenlehnen der Sitzbänke an den Wänden entlang. Unter der Decke kreiseln zwei Propellerventilatoren. Der Betreiber der Bar versucht offenkundig, tarantinoeske Coolness herbeizuzwingen. Vielleicht wäre einmal Rot weniger – zum Beispiel an den Wänden – für das Ambiente mehr. Aber dem leicht kiezigen Publikum schien das Interieur zu gefallen.

Die Karte ist gut sortiert, die Drinks kamen flott. Der Tijuana Jack (Sierra Tequila weiß, Cachaça Cana Rio, Grapefruit, Grenadine) erschien in einem schönen, bauchigen Glas und überzeugte sofort. Ähnliches galt für den Gin Tai, obwohl gestoßenes Eis einen Tick mehr prickelnden Genuss bewirkt hätte als die herumschwimmenden Eiswürfel. Sehr süß, sehr lecker war der Tekki Tai (Sierra Tequila braun, Limette, Mandel, De Kuyper Dry Orange, Lime). Und der Wildberry Cream (Ananas, Sahne, Kokos, Wildberries) ist schlicht einer der besten nicht-alkoholischen Drinks der Stadt. „Ein supersüßer Nachtisch“, sagte die compañera. Stärkeres Lob ist schlicht undenkbar.

Nur: Wo blieb Tarantinos Sound? Das geniale „You never can tell“ von Chuck Berry, das rasante „Miserlou“, 1961 herausgeknallt von Dick Dale & His Del-Tones, die Wellenbrecherhymnen von The Tornadoes und The Lively Ones, alles aus „Pulp Fiction“ – und Samuel L. Jacksons Monolog „Ezekiel 25,17“, der in wüstem Geballer endet? Nichts, nada, nothing. Allerwelts-Pop hüllte die Gäste ein. Vielleicht hat der nette Keeper so oft die Soundtracks hören müssen, dass er keinen mehr ertragen kann. Womöglich sollte man vor einem Besuch die Musik aus Pulp Fiction oder Kill Bill eigens ordern, für das optimale Tarantino-Gefühl. Schwarzer Anzug und Revolver wären mitzubringen.

Tarantino’s, Brunnenstraße 163, Mitte, Tel.: 405 00 355, täglich ab 18 Uhr

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