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Lieber Ballett als Fußball? Da kann man nichts machen. Auf diesem Archivbild nahmen die kleinen Tänzerinnen an einem Casting im Berliner Friedrichstadtpalast teil für das Kinderensemble des Revuetheaters.
© picture-alliance/ dpa

Was macht die Familie?: Tanzen statt kicken

Die sechsjährige Tochter unserer Redakteurin plappert neuerdings etwas Französisch. Beste Voraussetzungen für die kommende Fußball-EM? Eher nein. Das Kind liebt einfach das Ballett - also tanzen statt kicken.

Neuerdings nennt mich meine Tochter Maman. Nicht mehr Mama, Mamsi oder Mamsilette, wie sonst, sondern französisch – Maman. An der Kita-Tür ruft sie mir bei der Verabschiedung „à tout à l'heure" hinterher und bedankt sich mit „Merci chérie", wenn ich ihr wieder ihre Sachen hinterher getragen habe. Der frankophile Entwicklungsschub könnte ein bisschen daran liegen, dass mein Mädchen in unserem Marokko-Urlaub zwischen der Atlantikküste und Marrakesch keine deutschen, sondern viele französische Kinder traf. Ich hatte mich schon gefreut: Beste Voraussetzungen für die kommende Fußball-EM in Frankreich.

Doch das Faible meiner Sechsjährigen für die Grande Kulturnation rührt leider nicht daher – und offenbar liegt ihre Affinität zu unseren Nachbarn schon mal gar nicht daran, dass Frankreich einen der besten Fußballer unserer Zeit hatte: Zinédine (Zizou) Zidane. Im Gegenteil. Vor nicht allzu langer Zeit gestand sie mir eines Abends: „Mama, ich sag’ dir jetzt was, aber du darfst nicht traurig sein, ja?". Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. „Weißt du, ich mag mit dir Fußball schauen, aber ich mag nicht Fußball spielen. Ich liebe das Ballett."

Meine Enttäuschung versuchte ich mir nicht anmerken zu lassen. Ich sah es als wohl gerechte Strafe von ganz oben dafür an, dass ich meine Tochter schon als Baby in ein Werder-Bremen-Trikot gesteckt hatte und der Kindersitz auf meinem Fahrrad mit einem grün-weißen W beklebt ist. „Wie schön" und „Macht ja nichts", log ich und dachte: Bye-bye Soccer Mom.

Und schon waren wir in einem einjährigen Vertrag einer Ballettschule gefangen, in der sie bereits zur Probe getanzt hatte. Dazu mussten Schläppchen, Trikot und Tutu angeschafft werden – nun, Fußballspielen ist günstiger. Für meine Tochter ist es das pure Vergnügen: Eifrig lernt sie die Positionen, tanzt mir vor und hat dadurch wöchentlich ihr Französisch-Vokabular erweitert (Tendu, Dégagé).

Am Ende durfte die ganze Truppe das Einstudierte bei drei Weihnachtsaufführungen auf öffentlicher Bühne präsentieren – auch in einem Seniorenheim. Schon mit dem Flechten des französischen Zopfes und des Bühnen-Make-ups war ich heillos überfordert. Wie gut, dass es immer irgendwo Mütter gibt, die nicht nur alles besser wissen, sondern auch alles besser können.

Die alten Menschen in dem Heim waren zu Tränen gerührt, und auch mein Herz tanzte. Ich habe mich damit arrangiert, dass ich eine kleine Mademoiselle daheim habe. Es ist ja momentan auch schwierig, Leidenschaft für die Jungs in Grün-Weiß zu entwickeln. Heimlich träume ich immer noch davon, sie eines Tages als Einlaufkind im Stadion zu sehen – meinetwegen auch im Tutu.

Ballettschulen für Jungen und Mädchen ab drei Jahren gibt es in fast allen Bezirken, z.B. das „Ballettstudio Marlen", Tempelhofer Damm 119 in Tempelhof. Fußballclubs gibt es ebenso berlinweit. Mädchen sind absolut erwünscht.

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