Kunsthaus in Berlin-Mitte: Tacheles-Quartier muss ohne Ai Weiwei planen
Ai Weiwei will nun doch nicht mehr. Das Bauprojekt in Mitte kommt aber voran, andere sollen einziehen. Auf dem riesigen Areal wird schon gebaut.
Alles dicht. Vom Regen aufgeweichte Plakatfetzen an der Fassade, trübe Fensterscheiben, altersgraue Mauern: Von außen sieht das Künstlerhaus „Tacheles“ an der Ecke Oranienburger-, Friedrichstraße in Mitte noch immer trostlos aus. Doch zurzeit planen Architektenbüros mit Hochdruck die Sanierung des berühmten, seit 2012 verrammelten, ruinenhaften Gebäudes. Und auf dem riesigen Tacheles-Areal – einer südlich angrenzenden, jahrzehntelangen Brache – werden in diesen Tagen die letzten Schlitzwände in den Boden gerammt, schaufeln Bagger die Baugruben für Wohn- und Geschäftshäuser aus. Es entsteht ein neues Stadtviertel – das „Tacheles-Quartier“.
Ein Berliner Großprojekt kommt voran. Update Tacheles: Wie weit ist das Vorhaben gediehen? Wann sollen die einzelnen Bauteile fertig sein? Und welche Kulturschaffenden sollen ins denkmalgeschützte eigentliche Tacheles-Gebäude nach dessen Sanierung einziehen?
Ai Weiwei will nicht einziehen
Prominentester Interessent war bislang Chinas berühmter Gegenwartskünstler und Regimekritiker Ai Weiwei. Seit 2015 lebt er mit seiner Familie in Prenzlauer Berg, ist Mitglied der Akademie der Künste, wird von der Galerie Neugerriemschneider in Mitte vertreten und sagt offen, er liebe Berlin.
Seit Längerem hat er ein großes Atelier mit Ausstellungsräumen in den Gärkellern der früheren Bierbrauerei auf dem Pfefferberggelände am Senefelder Platz in Prenzlauer Berg. Als Ai Weiwei aber dann im August 2016 bei einem Rundgang durchs Tacheles beobachtet wurde, kursierte rasch die Vermutung, er wolle umziehen und nun im besonders exponierten Tacheles Atelier- und Ausstellungsräume anmieten. Doch davon hat er offenbar wieder Abstand genommen. Das teilte am Donnerstag eine Sprecherin des Berliner Projektentwicklers „PWR Development“ mit.
Die Firma gehört zum US-Investmentkonzern „Perella Weinberg Real Estate“, dessen Fonds 2014 die rund 25 300 Quadratmeter große Tacheles-Fläche mitsamt der Kunsthaus-Ruine und zweier angrenzender Gebäude an der Friedrichstraße 112a und Oranienburger Straße 54 erworben haben. Die Gesamtkonzeption des Projektes obliegt wie berichtet den Schweizer Stararchitekten von „Herzog & de Meuron“, zusätzlich sind drei Berliner Architekturbüros beteiligt.
Urbanes Wohnen statt Kunst
Auf dem "Tacheles-Quartier" sollen Wohnhäuser verschiedener Typen entstehen sowie Geschäfts- und Bürogebäude und ein Hotel. Außerdem soll die 1909 eröffnete Friedrichstadtpassage zwischen Friedrich-, und Oranienburger Straße wieder neu entstehen. Rund 38 Prozent der Gesamtfläche sind für Wohnungen vorgesehen. Man wolle eine „urbane Atmosphäre“ schaffen, heißt es bei PWR Development. Dazu gehörten auch begrünte Dächer, Rad- und Carsharingplätze, E-Bike-Ladestationen, eine zentrale Grünanlage. Spätestens Mitte 2018 soll mit den Hochbauten begonnen werden, im Laufe des Jahres 2020 sollen die letzten Gebäude bezugsfertig sein.
Und das Kunsthaus Tacheles? Die Ruine des im Zweiten Weltkrieg beschädigten früheren Kaufhauses der Kaiserzeit hatte die Künstlergruppe „Tacheles“ nach der Wende besetzt. Gemäß ihrem Motto „Tacheles reden“ nutzte sie das Haus bis zur Räumung als anarchisch-experimentellen Freiraum und Kieztreff. Darum setzte der Bezirk Mitte beim Gerangel mit den Investoren alles daran, das Tacheles als einen Kulturort zu erhalten.
Dies legt der Bebauungsplan fest, außerdem schreibt er eine behutsame Sanierung vor. Man will den Mythos der Zwischennutzung konservieren, das Haus soll als Zeugnis der wilden Nachwendejahre erkennbar bleiben. Wie das zu schaffen ist, darüber tüfteln noch die Architekten. Vor 2018/19 werde die Sanierung kaum abgeschlossen sein, heißt es.
Auf den Etagen sollen Galerien, Studios und Ateliers einziehen, die Rede ist auch von einem Theater und einem Off-Kino. PWR Development teilt bislang aber lediglich mit, man prüfe derzeit „mögliche Nutzungskonzepte“. Bei der Senatskulturverwaltung ist aber auch nicht mehr zu erfahren. „Wir wissen nicht, ob überhaupt und wenn ja, mit welchen Künstlern und Institutionen schon geredet wird“, sagt Sprecher Daniel Bartsch. Bei der Auswahl künftiger Mieter können die Kulturpolitiker nicht mitreden. Die Räume im Kunsthaus vergibt alleine der Investor.