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Skulptur Olaf Metzel
© Ullstein/Peters

750-Jahr-Feier Berlins: Systemkampf vor dem Kranzler

Von Sozialismus-Parade bis Hönkel-Sound: Die 750-Jahr-Feier Berlins vor 20 Jahren war Konkurrenzschau und Szene-Befriedung.

Eins wollten sie damals beide, in der CDU wie in der SED: beim Geburtstag alle mitnehmen. Die 750-Jahr- Feiern von Berlin waren, auch wenn die Feiernden 1987 nicht zusammenkamen, ein doppeltes Dauer-Volksfest. Wenn auch viele die Mega-Party in zwiespältiger Erinnerung haben – die jetzt vereinte Stadt verdankt ihr manches, „Weißt-Du-noch-Geschichten“ genauso wie steinerne Kulturgüter.

Im Westen wissen viele nicht mehr oder haben es nie gewusst, dass das Nikolaiviertel in Mitte zum Stadtgeburtstag wiederhergestellt und auf neu gemacht worden ist. Jens Schöne, Historiker beim Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, hat daran vor kurzem in einem Vortrag (und einem kleinen Buch, das beim Landesbeauftragten zu bekommen ist) erinnert. Der Aufwand, den sie in der Hauptstadt der DDR trieben, dürfte ein Grund dafür gewesen sein, dass noch heute viele in der Umgebung Berlins von der Länderfusion nichts halten: Immer alles für Berlin, das war 1987 die Devise.

Es war nicht bloß eine doppelte Geburtstagsfeier; es war eine Geburtstagskonkurrenz. Dabei hatte der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen sogar Erich Honecker einladen wollen. Der Politbüro-Chef ließ durchblicken, er wolle kommen und auch eine Einladung an Diepgen aussprechen. Doch dann scheiterte dies an Status-Streitereien. Die Konkurrenz zeigte sich selbst an den Festtagen. Drei Daten hebt Historiker Schöne hervor: den 25. Oktober, der als Gründungsdatum der Stadt angenommen wird, den 25. Juli, als in beiden Teilen Berlins Wasserfeste gefeiert wurden – und den 4. Juli.

An diesem Tag bewegte sich ein Festzug durch die Hauptstadt der DDR. Längst hatte Erich Honecker die Feierei zur Chefsache gemacht. Der Umzug sollte „Möglichkeiten und Formen der Entfaltung sozialistischer kultureller Gemeinschaftserlebnisse“ vorführen. Er geriet zehn Kilometer lang, bestand aus 929 Wagen, 760 Pferden und 41 663 Mitwirkenden, darunter mancher Stasi-Mann. Dargeboten wurde Geschichte, sozusagen kurz vor dem Ziel Sozialismus: Ein Drittel der Festzuges handelte von der Steinzeit bis zum Sieg über den Faschismus, zwei Drittel, so Schöne, waren den Errungenschaften des Sozialismus gewidmet.

Im Westen waren sie auch nicht kleinlich, wenn auch geschichtsphilosophisch weniger zielorientiert. Eine unvollständige Liste der West-Berliner Geburtstagsgeschenke: Ein Skulpturenboulevard. Vier populärkulturelle „Sternstunden“ am Großen Stern. Der Moses-Mendelssohn-Pfad zur Erinnerung an den jüdischen Philosophen und Aufklärer. Ein Museum für Deutsche Geschichte, jedenfalls in Gestalt eines Versprechens des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl samt Grundstein. Die „Topographie des Terrors“, die damals vom Projekt zu Institution wurde. Eine Reihe von Open-air-Konzerten in der Nähe des Reichstages. „Genesis“ traten dort auf und David Bowie. Im Ostteil der Stadt mussten sich Jugendliche verprügeln lassen, weil sie versuchten, in die Nähe der Mauer zu gelangen.

Volker Hassemer, damals Kultursenator und verantwortlich für die West-Berliner Feiern, erinnert sich an die Verlassenheit, die damals den Reichstag umgab. Der lag zwar im Westen, wirkte aber wie im Niemandsland vergessen. Er sagt, man habe im Westen „Trampelpfade in Richtung Mitte“ schaffen. Weiter auf der West-Liste: Eine Geschichtsausstellung unter dem Titel „Berlin, Berlin“. Eine Kunstausstellung unter dem Titel „Mythos Berlin“, inszeniert an den Relikten des früheren Anhalter Bahnhofs.

Nur halb-ironisch könnte man die Westausgabe des Geburtstagsjahrs 1987 auch als Vostell-Jahr bezeichnen: Der Berliner Bildhauer, Großkünstler und Performer durfte nicht nur zwei Cadillacs am Rathenau-Platz einbetonieren und damit dem ruhenden Verkehr, aber auch der Fortbewegung mit großvolumigen Achtzylindern ein Denkmal setzen. Beim subkulturellen Gegenstück zum Skulpturenboulevard, der Mythos-Berlin-Schau, wurde Vostell seine Idee von einer umgedrehten Dampflokomotive los. „La Tortuga/Die Schildkröte“ hieß das Objekt. Sinnsucher und Bedeutungsfetischisten standen ratlos davor. Doch soll die Wendung der Lokomotive von den Rädern aufs Dach mit Hilfe dreier Kräne ein ästhetisch ansprechendes Event gewesen sein.

Jedenfalls für die West-Berliner Szene, diese Mischung aus Intellektuellen, Künstlern, Publizisten, Alt- und Neulinken, Punks, Alternativbewegten und Neuen Wilden, die sich in der Halbstadt der leerstehenden Fabriketagen und der bis morgens früh geöffneten Lokalitäten für jeden Unterhaltungsbedarf eingerichtet hatten. Die Autonomen wiederum amüsierten sich auf ihre Weise. Schon anlässlich des Reagan-Besuchs hatten sie in Kreuzberg, ihrer Hauptstadt, „Hönkel“ kreiert.

Der Begriff steht für das Trommeln auf Mülltonnen, das in der Nacht des 1. Mai 1987 den Sound der Randale anlässlich des Reagan-Besuchs lieferte. Sabine Vogel, Publizistin und Augenzeugin, schrieb vor kurzem: „Vielleicht explodierte nur das rumorende Bedürfnis, beim großen Ereignis eine Rolle zu spielen“. Hönkel jedenfalls hat Spuren hinterlassen, sogar in Chicago: Dort erinnert der Publizist Leo Klein aktuell an den „Summer of Hönkel“ in Berlin 1987. Berlin vibrierte damals vor Kreativität, und deshalb zogen so viele in die Stadt. Die Hönkel-Bewegung jedenfalls feierte mit. Bei der Eröffnung der Mythos-Berlin-Ausstellung im Juni kamen einige hundert Autonome, damit, so ein Beobachter von damals, die „Kultur- und Politschickeria“ nicht unter sich blieb. Randale aber blieb aus: Die Schickeria überließ den Autonomen das Buffet einschließlich des Freibiers.

Darin kommt wieder ein wenig dieses „Alle-mitnehmen“-Gebot bei den Feiern zum Ausdruck. Hassemer sagt, man habe von Seiten des Senats damals die alternative Szene „genutzt, aber nicht benutzt“: Es ging darum, die Stadt, die ihre beste Zeit scheinbar hinter sich hatte, ganz groß herauszustellen. Nie dürften das bürgerlich-brave und das alternative Berlin enger beieinander gewesen sein als damals. Das zeigte sich schon am Anfang des Skulpturenboulevards. Dort hatte der Berliner Bildhauer Olaf Metzel eine Plastik aus überdimensionalen rot-weißen Absperrgittern und zwei Einkaufswagen errichten lassen, zwölf Meter hoch. Sie stand am Café Kranzler, hieß offiziell „13.4.1981“ und inoffiziell Randale-Plastik. Metzel erinnerte damit an eine Demonstration auf dem Kurfürstendamm, bei der 200 Schaufensterscheiben zu Bruch gegangen waren. Und das vor dem Kranzler! Da schlugen die Emotionen hoch. Hassemer und Diepgen haben sich was getraut.

Metzels Plastik steht nach Jahren im Depot heute an der Spree, zwischen dem Universal-Gebäude und dem ehemaligen Getreidespeicher. Der Bildhauer, der heute in München lebt, hat über die Geschichte der Plastik und den Ärger, den sie machte, ein Buch geschrieben (Olaf Metzel: 13.4.1981). Dass der Gitter-Turm nun am Spree-Ufer steht, sei dem privaten Projektentwickler zu verdanken, der den Getreidespeicher ausbauen ließ, sagt Metzel. „Im öffentlichen Raum wäre es nicht gegangen“. Ihn freue, erzählt er weiter, dass sein Werk in Ost-Berlin stehe. „Heute sitzt man da und trinkt Latte Macchiato.“ Die Leute, die dort sitzen, haben ihre Räder an Metzels Plastik angeschlossen. Ihr Blick geht über das Wasser nach Kreuzberg, wo vor 20 Jahren Hönkel erfunden wurde.

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