Nach Bombenalarm in Spandau: SXF statt TXL: Bus und Gangway nur gegen Bares
Ewiges Warten, kaum Getränke: So erlebten Fluggäste das Chaos am Berliner Himmel. In einer Air-Berlin-Maschine legte der Pilot sogar Geld für die Gangway aus.
Am Dienstag wurde eine Weltkriegsbombe auf dem Werksgelände von BMW in Spandau gefunden - die Folgen waren enorm: Sie betrafen den Autoverkehr, die U-Bahn- und Buslinien den BVG und bis tief in die Nacht vor allem den Flugverkehr in Tegel. Betroffen waren mehrere Maschinen, die nicht in TXL landen durften und umgeleitet wurden, unter anderem nach SXF.
Lesen Sie hier einen leicht gekürzten Bericht einer Flugpassagierin im Wortlaut, wie sie die Nacht erlebt hat. Eine Odyssee.
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"Meine achtjährige Tochter und ich sind um 20.30 Uhr von Köln/Bonn nach Berlin geflogen. Planmäßige Ankunftszeit in Tegel: 21.40 Uhr.
Wir kreisten am Himmel
Der Pilot sagte nach dem pünktlichen Start, die Flugzeit betrüge höchstens 50 Minuten, was einer Ankunft um ca. 21.20 entsprochen hätte. Nach etwa 35 Minuten Flug informierte er die Passagiere, dass Tegel nicht angeflogen werden könnte - wegen der Fliegerbombe. Wir müssten ca. 15 Minuten über dem Flughafen kreisen, bis wir landen könnten.
Bleiben Sie sitzen ... bis wann denn?
Nach sehr langem Kreisen hieß es, dass kein Flugzeug mehr in Tegel landen könne und wir nach Schönefeld fliegen würden. Dort landeten wir um 22.40 Uhr. Als wir geparkt hatten, hieß es, wir sollten noch sitzen bleiben, eventuell würden wir später noch nach Tegel fliegen.
Nachtflugverbot - TXL war jetzt geschlossen
Irgendwann gab der Pilot durch, Tegel sei nun definitiv geschlossen bis am nächsten Tag 4 Uhr. Wir müssten dennoch weiterhin sitzen bleiben, es gäbe zu wenige Treppen sowie Busse in Schönefeld.
Sie sagten, sie hätten wenig Wasser
Wir saßen dann bis 1.30 Uhr im Flugzeug fest. Es gab kaum etwas zu trinken, es wurde nichts angeboten. Als ich nach Wasser fragte, sagte die Stewardess, ich könne einen Becher Wasser haben, sie hätten aber sehr wenig Wasser und andere Verpflegung an Bord.
Es war im Übrigen eine Air-Berlin-Maschine, obwohl wir Eurowings gebucht hatten. Im Nachhinein wurde klar, dass der Pilot vor dem Start von der vorübergehenden Tegel-Schließung wusste. Es war ein alleinreisendes Kind an Bord. Wir stiegen also ca. 1.30 Uhr aus, hinein in den Bus, der fuhr uns zum Gate. Nach 1.30 Uhr kommt man mit öffentlichen Verkehrsmitteln so gut wie überhaupt nicht von Schönefeld weg, also standen die Leute am Taxi-Punkt Schlange. Wir standen dort ca. eine Stunde, bis 2.30 Uhr.
Berliner Taxis dürfen nicht in Brandenburg Passagiere aufnehmen
Ich hatte ein Taxi telefonisch bestellt. Daraufhin erhielt ich kurz später eine SMS, dass kein Wagen verfügbar sei. Die Berliner Taxis dürfen in Schönefeld grundsätzlich nur auf Bestellung Leute einsammeln. Um 3.00 Uhr hat uns ein Taxi vor der Haustür im Prenzlauer Berg abgeliefert."
Voller Himmel über Berlin
Zwei andere Passagieren saßen ebenfalls in einer Air-Berlin-Maschine fest: zunächst in der Warteschleife über Berlin, später auf dem Airport Schönefeld. Der Pilot der insolventen Fluggesellschaft hatte bereits vor Abflug in Düsseldorf kurz nach 19 Uhr von der Sperrung Tegels erfahren. Er steuerte dennoch Berlins Traditionsflughafen an in der Hoffnung, dass die Entschärfung der Bombe rechtzeitig erfolgen könnte. Der Himmel über Tegel muss in diesen Stunden mit Fliegern bevölkert gewesen sein, wie die A100 im Berufsverkehr. Denn bei der Flughafengesellschaft hieß es, genau darauf hätten auch viele andere Flugzeugführer spekuliert an diesem Abend. Hintergrund: Auf dem „Heimatflughafen“ wären die Maschinen viel schneller für den nächsten Einsatz wieder fit gemacht.
Drei Stunden ausharren
Nur: Die Rechnung ging nicht auf. Dieser (und vielen anderen) Maschinen ging der Kerosin aus. Sie mussten doch in Schönefeld landen. Crew und Passagiere sollten dort knapp drei Stunden auf ihren Sitzen verharren müssen. Denn eine Treppe und ein Bus waren wegen des zusätzlichen Landungen nicht zu haben. Ein Passagier schildert die Stimmung zwischen „resigniert und ausgelassen“. Ein einzelner Fluggast habe sich beschwert, dass in der Notlage nicht wenigstens das Bier oder ein anderes alkoholisches Getränke auf Kosten der Fluggesellschaft ausgeschenkt werde. Doch der Mann wurde postwendend von einem ebenfalls zugestiegenen Experten zurechtgewiesen: „Die können doch nicht einfach in die Insolvenzkasse greifen“.
Kapitänin und Passagiere legten Geld für Gangway aus
Nachdem sie Stunden in der Maschine in Schönefeld festgesessen hatten, wurde auf dem Rollfeld das Gateway an einer benachbarten Lufhansa-Maschine angedockt. Da rief eine Pilotin der Airline aus dem Fenster dem Bodenpersonal zu, es möge gleich bei ihnen fortfahren – und winkte mit 100 Euro. Das „Handgeld“ hatte sie selbst zusammen mit Passagieren aufgebracht, um endlich aus der Maschine rauszukommen. Die „Extraprämie“ zur Beschleunigung der Abläufe wirkte - wenig später konnten die Passagiere aussteigen.