BMW-Erbin: Susanne Klatten spendet 100 Millionen Euro
BMW-Erbin will gemeinnützige Projekte und Organisationen unterstützen – auch Schulanfängern in Neukölln kommt dies zugute.
Eine Frau, die 100 Millionen Euro zu verschenken hat, würde man nicht unbedingt in der Kalkscheune vermuten. Aber genau diesen Ort gegenüber vom Bühneneingang des Friedrichstadt-Palastes hat Susanne Klatten sich ausgesucht, um ihre „SKala“-Initiative persönlich vorzustellen. Damit will sie in den nächsten fünf Jahren bis zu 100 Millionen Euro für besonders wirksame gemeinnützige Projekte und Organisationen zur Verfügung stellen. Die Wahl des Ortes symbolisiert auch ein bisschen ihren Wunsch, neue Wege zu gehen.
Nicht mit der Gießkanne will sie die Mittel verteilen, sondern nach klaren Wirkungskriterien. Dazu wählt sie nicht den klassischen Weg über eine Stiftung, sondern ist mit der gemeinnützigen AG Phineo eine Partnerschaft eingegangen. Die hat, wie ihr Vorstandsvorsitzender Andreas Rickert erklärt, seit ihrer Gründung vor sechs Jahren rund 800 soziale Organisationen gründlich geprüft und gut 200 für wirkungsvoll befunden und mit einem speziellen „Wirkt-Siegel“ ausgezeichnet.
Bis zu 100 Organisationen will die Unternehmerin, die zu den reichsten Deutschen zählt, individuell und vor allem bedarfsgerecht unterstützen, also ganz pragmatisch. Gilles Duhem gehört zu den Ersten, die von der Initiative profitieren. In einem leuchtend pinkfarbenen Hemd steht der gebürtige Franzose neben der zielbewussten Philanthropin mit prägnantem Kurzhaarschnitt und erläutert sein Projekt. Schon seit 2003 gibt es das Netzwerk Schülerhilfe Rollberg in Neukölln. Zentrum ist das Haus in der Morusstraße 14, wo sich alle Generationen, alle 30 Nationen aus der Nachbarschaft treffen können. Hauptsache, man wohnt im Rollbergviertel.
Projekte sollen Wirkung steigern können
Ab Herbst will der Förderverein des Gemeinschaftshauses Morus 14 in der benachbarten Regenbogen-Grundschule das Pilotprojekt „Fit und Schlau: von Anfang an“ starten. 25 Schulanfänger, die teils aus Familien kommen, „wo noch nie jemand ein Buch von innen gesehen hat“, sollen von Anfang an mit 25 Ehrenamtlichen zusammengebracht werden, mit ihnen regelmäßig schreiben und lesen üben, aber auch spielen und Ausflüge machen. Es gibt viele Studien, die beweisen, dass Förderung umso nachhaltiger wirkt, je früher sie anfängt. Um das tiefer zu erforschen, soll das Projekt von Anfang an wissenschaftlich begleitet werden.
Das alles beschreibt genau die Richtung, die Susanne Klatten mit ihrer Initiative einschlagen möchte. Sie will gezielt ermöglichen, dass die Projekte, die sie beispielhaft findet, eigene Professionalität entwickeln und so ihre Wirkung steigern können. Das klingt nach sportlichem Ehrgeiz, aber die Bilder von „Morus14“ zeigen, dass man Beispielhaftes auch spielerisch erreichen kann.
Im Gemeinschaftshaus wird zum Beispiel regelmäßig zusammen gekocht, was nach viel Spaß aussieht, weil immerhin Gerichte aus 30 Ländern mit fantasievollen Dekos auf den Tisch kommen. Es wird aber auch konzentriert gearbeitet, wenn sich Ehrenamtliche mit den Schülern in ein Zimmer zurückziehen, wo das Handy ausbleibt.
Das Projekt „Demenz Partner“
In „SKala“ verbergen sich nicht nur die Initialen der Spenderin, sondern auch die lateinischen Wörter für „Treppe“ und „Flügel“, weil es darum geht, höhere Stufen zu erreichen und Menschen zu beflügeln. Über die Förderbereiche habe sie lange nachgedacht und zusammen mit Phineo eine Bedarfsanalyse erstellt.
So ist das Projekt „Demenz Partner“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft dazugekommen, das Angehörigen weiterhilft, wenn etwa die Mutter im Supermarkt eingekauft und das Bezahlen tatsächlich vergessen hat. Auch „Welcome Work“ ist dabei – ein Projekt aus Fulda, das Flüchtlingen hilft, eine realistische Jobperspektive zu entwickeln. Da wurde etwa aus einem jungen Mann, der in Kabul noch Elektriker werden wollte, in Deutschland ein begeisterter Krankenpfleger.
Die Mittel sollen aber auch für vergessene Katastrophen eingesetzt werden. Das ist ja ein verbreitetes Phänomen. Bebt in Nepal die Erde, fließen hier die Spenden. Nach einigen Monaten ist das Ereignis wieder vergessen. „Dabei ist das Leid nicht beendet, und es gibt oft noch viel zu tun“, sagt Susanne Klatten. Wie die BMW-Erbin mit dieser Initiative die Professionalisierung des Dritten Sektors vorantreibt, verrät ein bisschen auch die Diktion, etwa wenn sie von „gesellschaftlicher Rendite“ spricht. Pragmatisch und effizient helfen, das wird wichtiger auch in Berlin, der Stadt, die lange als buntes Experimentierfeld für soziale Projekte aller Art galt. Dass die Unternehmerin ihre Initiative ausgerechnet in einer früheren Feuerlöschgerätefabrik offiziell macht, passt da eigentlich ganz gut.