Bilanz von Sturmtief "Herwart": Sturmschäden in Berlin und Brandenburg bleiben gering
Das Sturmtief "Herwart" bescherte Berlin am Sonntag erneut einen Ausnahmezustand. Doch die Region kam glimpflich davon. Vor allem Bahnkunden waren betroffen.
- Laura Hofmann
- Klaus Kurpjuweit
- Alexander Fröhlich
- Fatina Keilani
"Herwart" traf Berlin und Brandenburg deutlich schwächer als "Xavier": Die Unwetterschäden fielen am Sonntag und in Folge deutlich geringer aus als beim letzten großen Herbstturm Anfang Oktober. Von 4 bis 16 Uhr zählte die Berliner Feuerwehr rund 500 sturmbedingte Einsätze, was nur ein Fünftel des Einsatzvolumens von Xavier bedeutete.
Der „Ausnahmezustand Wetter“ galt ab dem frühen Sonntagmorgen – die Feuerwehr kümmerte sich hauptsächlich um umgestürzte Bäume und einstürzende Baugerüste, auch sämtliche freiwilligen Feuerwehren waren im Dauereinsatz, zudem kam Unterstützung von sechs Einheiten des Technischen Hilfswerks. Der Ausnahmezustand wurde um 15 Uhr beendet.
Im Bundesvergleich kam die Region Berlin-Brandenburg offenbar noch recht glimpflich davon. Zwei Personen wurden in Berlin durch den Sturm verletzt, Schwerverletzte gab es aber keine. Eine von ihnen wurde beim Einsturz eines Gerüstes am Schöneberger Ufer verletzt. In der Uhlandstraße war die Feuerwehr wegen eines abgedeckten Daches im Einsatz.
In Brandenburg war hauptsächlich der Norden und der Süden betroffen. Rund 150 Mal musste die Brandenburger Polizei wegen witterungsbedingter Vorfälle ausrücken. Über 90 Prozent der Einsätze war Bäumen und Ästen geschuldet. Beispielsweise hätten Straßen wegen umgestürzter Bäume gesperrt werden müssen, auch Bundes-und Landesstraßen waren betroffen. Verletzte gab es keine. Größere Schäden wie bei „Xavier“ registrierte das Lagezentrum in Potsdam nicht.
Die in den Brandenburger Wäldern entstandenen Schäden seien noch nicht zu beziffern, sagte ein Sprecher des Agrarministeriums. Auch dort sind die Mitarbeiter noch dabei, die durch Sturm "Xavier" entstandenen Schäden zu beseitigen.
Auf der Schiene ging nichts mehr
Besonders betroffen war der Fernverkehr der Bahn. Berlin war auf der Schiene nicht mehr zu erreichen oder zu verlassen. Über Stunden fielen S-Bahn-Fahrten aus, der Regionalverkehr brach vorübergehend fast komplett zusammen, und auch die U-Bahn fiel auf dem offenen Streckenabschnitt nach Krumme Lanke drei Stunden aus. Der Fährbetrieb der BVG musste ebenfalls eingestellt werden. Busse und Straßenbahnen konnten bis auf wenige Ausnahmen weiterfahren. Beim Sturm „Xavier“ hatte die BVG den Betrieb vorübergehend komplett ruhen lassen.
In Strausberg entgleiste am Sonntagmorgen um 6.10 Uhr eine S-Bahn kurz hinter dem Bahnhof Hegermühle; es saßen nur acht Fahrgäste darin, verletzt wurde niemand. Die Bahn war zuvor gegen einen umgestürzten Baum gefahren. Auch in Kaulsdorf und in Schöneberg fuhren S-Bahnen gegen umgestürzte Bäume, verletzt wurde niemand.
Schäden noch nicht absehbar
Der Südwestkirchhof Stahnsdorf (Potsdam-Mittelmark) wurde vorsorglich geschlossen. Durch Sturm „Xavier“ seien bereits zahlreiche Bäume geschädigt worden, deshalb sei die Schließung am Sonntag unumgänglich gewesen, hieß es. Wer in Brandenburg mit dem Zug unterwegs war, musste hoffen. Zahlreiche Linien waren gesperrt. Die wichtigste Strecke im Regionalverkehr, der RE1 zwischen Magdeburg und Frankfurt (Oder), nahm am Nachmittag den Betrieb wieder auf, ebenso der Prignitzexpress.
Auf der Strecke von Berlin nach Hamburg wurde die Oberleitung durch umgestürzte Bäume beschädigt. Auch Richtung Stralsund, Leipzig, Dresden, Erfurt und Dortmund ging nichts mehr. Im Laufe des Abends gab es wieder vereinzelt Züge nach Erfurt, Halle und Leipzig. Ab Montag, 14 Uhr, wird voraussichtlich der Verkehr nach Hannover wieder aufgenommen, die Strecken nach Hamburg und Stralsund dagegen sind auch am Montag noch dicht. Die Bahn stellte am Hauptbahnhof, am Südkreuz und am Ostbahnhof Züge zur Übernachtung bereit.
Die Schäden durch „Herwart“ sind noch längst nicht absehbar; sie sind in Berlin gerade erst für den stürmischen Vorgänger erfasst. „Xavier“, der am 5. Oktober wütete, hat demnach rund 10.000 Berliner Park- und Straßenbäume auf dem Gewissen – entweder zerstört oder so stark beschädigt, dass sie noch gefällt werden müssen. Dies hat der Senat bei den Bezirken abgefragt. Berlin hat knapp eine Million gezählte Bäume, davon fast 440.000 Straßenbäume. Deren Pflege kostet jährlich um die 20 Millionen Euro.
Schäden durch umstürzende Bäume zahlt in vielen Fällen die Versicherung, wobei dann der jeweilige Einzelfall zu prüfen ist. Stürzt ein Baum auf ein Haus und beschädigt es, deckt in vielen Fällen die Gebäudeversicherung den Schaden ab, ebenso bei abgedeckten Dächern. Trifft der eigene Baum das Auto des Nachbarn, kommt zum Beispiel die Haftpflichtversicherung zum Zuge. Der teuerste Sturm war „Kyrill“ im Januar 2007. Er kostete die Versicherungen 2,4 Milliarden Euro.