Ausziehen nach dem Abitur: Studentenwohnheim, 7er-WG oder 1-Zimmer-Wohnung?
Wohnungssuche bedeutet Chaos und Unsicherheit: WG, Studentenwohnheim oder Ein-Zimmer-Wohnung? Drei Studenten erzählen, was ihnen gefällt und was nicht.
Die erste eigene Bude! Endlich schreibt mir keiner mehr vor, was ich zu tun und zu lassen habe – nackt Geschirr spülen, besoffen nach Hause kommen, Musik aufdrehen und keiner meckert, wenn ich das Bad nicht putze, weil einfach keine Zeit ist. Wunderbar! Wer alleine wohnt, ist sein eigener Herr – aber auch alleiniger Zahler. GEZ, Strom und Internet kann ich mir nicht mehr mit meinen Mitbewohnern teilen. Und hinter der Tür nebenan wartet nicht das offene Ohr des Mitbewohners, sondern die nervige Nachbarin, die nie zu Hause ist und trotzdem immer alle Pakete annimmt. Seit ich alleine wohne, sind die Rechnungen höher, und ich muss immer aufpassen, dass ich nicht in meiner eigenen Bude verschimmele. Dafür kann ich mit Freunden bis nachts um fünf beim Rotwein sitzen, ohne auf irgendwen achten zu müssen, der am nächsten Tag früh raus muss. Wenn es mir zu dreckig wird, putze ich eben – und habe keinen Schmutzfink im Haus, der sein Geschirr in der Spüle vergammeln lässt oder mir die Milch wegtrinkt. Und wenn der Kaffee leer ist, bin ich alleine schuld – das macht den Montagmorgen ohne Kaffee aber leider auch nicht schöner.
Gesa Johannsen ist zum Studieren nach Göttingen gezogen. In eine WG – mit sieben Leuten.
Bis ich in eine WG gezogen bin, hatte ich mir noch nie eine Pizza bestellt. Ich bin im Landkreis Lüneburg aufgewachsen – Menschen gibt es dort eher wenige. Zum Studieren bin ich nach Göttingen gegangen, was für mich schon eine Großstadt war. Und um nicht unterzugehen, kam für mich nur eine gesellige WG in Frage, mit mindestens drei Mitbewohnern.
Dann wurden es sieben. Beim WG-Casting saßen wir in der Küche, erzählten uns, was wir studierten, und tranken Tee. Ich war nervös, weil ich nur die Hälfte meiner zukünftigen Mitbewohner kennenlernte. Dennoch zog ich ein in die alte Villa mit zwei Siebener und zwei Dreier WGs.
Göttingen an sich ist ganz schön, aber die Stadt lebt von den Studenten. Es gibt drei Clubs und sonst nur WG-Partys. Aber das war für mich auch schon aufregend: Zum ersten Mal konnte ich machen, was ich wollte. Zum Beispiel musste ich niemanden mehr finden, der mich abends abholt; das war zu Hause immer so ne Sache gewesen.
In unserer WG war immer was los, wir hatten eine richtig gemütliche Wohnküche und es war immer jemand da: Mitbewohner, Freunde, Freunde von Mitbewohnern. Aber wenn man keine Lust hatte, konnte man auch die Zimmertür zumachen und hatte seine Ruhe. Wir haben zusammen gekocht und Partys gefeiert. Ich hatte ein Auto und damit sind wir oft zum Einkaufen gefahren, das war immer wie ein kleiner WG-Ausflug.
Klar hatten wir manchmal Streit, aber wir sind alle mit dem Wissen eingezogen, dass jeder zu Kompromissen bereit sein muss und nicht immer alles picobello sauber ist - es herrschte manchmal richtiges Chaos, vor allem in der Küche. Jemand hat irgendwelche Sachen auf dem Küchentisch gelötet, daneben wurde gebacken und wieder jemand hat seine Latein-Hausaufgaben auf dem Sofa gemacht. Unser Putzplan hat leider überhaupt nicht funktioniert, vor allem das Bad war oft ganz schön dreckig. Aber da musste man sich dann manchmal eben der nicht-putzenden Mehrheit unterordnen. Trotzdem war ich sehr froh über meine Ersatzfamilie, eine Ein-Zimmer Wohnung hätte ich mir ganz alleine nicht direkt zugetraut.
Nach meinem Bachelor bin ich dann mit einer Mitbewohnerin nach Berlin gezogen. Jetzt bin ich ganz froh in einer Zweier-WG zu wohnen. Wenn meine Mitbewohnerin nicht da ist, denke ich manchmal…ahh ich habe heute noch mit niemandem gesprochen, die Gesellschaft fehlt schon. Andererseits gefällt es mir mittlerweile, wenn nicht immer was los ist. Hier ist es ordentlich, ich kann mich mehr aufs Studium konzentrieren, und es stehen keine sieben Wäscheständer im Flur herum. Wer in eine große WG ziehen will, sollte sehr tolerant sein, kann aber eine tolle Gemeinschaft finden und, wie bei mir, Freunde fürs Leben.
Elora Schrauth studiert Politikwissenschaften und wohnt im Studentenwohnheim
Seit letztem September wohne ich im Studentenwohnheim der FU. Das Klischee von winzigen Zimmern, dünnen Wänden und nächtelangen Partys kann ich nicht bestätigen. Wahrscheinlich hatte ich Glück, denn ein Zimmer mit kleinem Flur gehört mir allein. Es enthält eine Grundausstattung aus Kleiderschrank, Regal, Schreibtisch, Bett, Tisch und Stuhl. Mein eigenes Sofa hat gerade noch so hineingepasst. Das Bad teile ich mit einem, die Küche mit sieben anderen Studenten. Zu acht in einer Küche, der Horror? Nicht für mich. Die Küche ist der perfekte Ort, um andere kennenzulernen.
Ich bin aus Pforzheim in Baden-Württemberg nach Berlin gezogen, um an der FU Politikwissenschaften zu studieren, ohne jemanden zu kennen. Meine Mutter fuhr mich im rappelvollen Auto her und setzte mich in einer völlig fremden Umgebung ab. In der Küche hatten sich aber einige meiner jetzigen Nachbarn versammelt und luden mich direkt zum Abendessen ein. Ich war von Beginn an willkommen, obwohl ich mit 20 die Jüngste auf meinem Gang bin. Besonders gefällt mir die Internationalität, denn ich habe nur zwei deutsche Nachbarn. Ich frühstücke mit einem Syrer, grüße auf dem Flur eine ägyptische Mitbewohnerin und unterhalte mich abends am Tisch mit Studenten aus Kamerun, China, Russland und Brasilien. Das erschwert natürlich einen gemeinschaftlichen Einkauf - jeder isst etwas anderes - weswegen jeder seine eigenen Lebensmittel besorgt und in sein Kühlschrankfach räumt.
In stressigen Lernphasen beschränkt sich die gemeinsame Zeit auf ein kurzes „Hallo“ und „Viel Glück“ in der Küche beim Kaffeeholen. Aber die große Gemeinschaft des gesamten Wohnheims funktioniert und ist immer wieder hilfreich. Wenn beispielsweise mein Fahrrad mal wieder einen kleinen Zusammenbruch erlitten hat, schreibe ich in unsere Facebookgruppe und kann mich meist auf eine schnelle Antwort und Hilfe eines anderen verlassen.
Für Menschen, die nicht gern unter Leuten sind, ist ein Studentenwohnheim trotz des ruhigen eigenen Zimmers nicht die optimale Wahl, für mich allerdings war es die richtige Entscheidung. Zumal es auch die billigste Wohnmöglichkeit ist. Eine eigene Wohnung wäre schlichtweg zu teuer, von dem gesparten Geld verreise ich lieber.
Gefällt dir? Das ist ein Beitrag von unserem Jugendblog "Der Schreiberling". Werdet unsere Freunde auf www.facebook.de/Schreiberlingberlin oder folgt uns aufwww.twitter.com/schreiberling_.
Hannes Schrader, Gesa Johannsen, Elora Schrauth