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Die Genossenschaft „Bürger Energie Berlin“ will das Berliner Stromnetz für 20 Jahre übernehmen.
© dpa picture alliance

Stromversorgung: Stromnetz soll in öffentliche Hand

Eine Genossenschaft sammelt Geld und bewirbt sich um die Konzession zur Verteilung des Stroms in der Stadt. Die SPD favorisiert eine Landesbeteiligung zwischen 25 und 100 Prozent.

Die Bürger sollen das Berliner Stromnetz kaufen. Im Streit um die Frage, wer ab 2015 eine neue Konzession zur Verteilung des Stroms in der Stadt erhält, ist das eine neue Variante. Die Genossenschaft „Bürger Energie Berlin“ will in den nächsten Monaten einen dreistelligen Millionenbetrag einsammeln, um den Netzbetrieb für 20 Jahre zu übernehmen. Eventuell gemeinsam mit Unternehmen, die für die Produktion und den Vertrieb erneuerbarer Energien stehen.

„Ein sehr ambitioniertes Vorhaben“, gibt Rechtsanwalt Hartmut Gaßner zu, der dem Aufsichtsrat der Genossenschaft vorsitzt. Nicht nur wegen des vielen Geldes, das nötig ist, um das Stromnetz zu kaufen, in die Anlagen zu investieren und trotzdem noch Gewinne zu erzielen. Sondern auch wegen der wirtschaftlich mächtigen Konkurrenz. Der Energieriese Vattenfall Europe bekundet sehr offensiv sein Interesse, das Berliner Netz weiterzubetreiben, das 2,3 Millionen Kunden an 35 508 Kilometer Stromleitungen anbindet.

Vor einer Woche wurde das Interessenbekundungsverfahren für die Neuvergabe der Konzession beendet. Es gibt ein knappes Dutzend Bewerber. Herr des Verfahrens ist die Finanzverwaltung des Senats, aber das Thema ist politisch so brisant, dass die Regierungsfraktionen SPD und CDU ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Die Union hat vorgelegt. Sie favorisiert die Vergabe des Stromnetzes an einen privaten Betreiber. Mit strengen, vertraglich garantierten Bedingungen will die CDU den staatlichen Einfluss auf das Netz sichern. Gefordert wird unter anderem ein „intelligenter Energiemix“, klimaschonende technische Standards, die Förderung dezentraler Energieerzeugung und die Bevorzugung regionaler Betriebe bei der Auftragsvergabe.

„Hoch sympathisch, aber konzessionsrechtlich problematisch“, sagt der SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz dazu. Er leitet die Arbeitsgruppe „Daseinsvorsorge“ der SPD-Fraktion, die im Laufe des Sommers ein Konzept für die Neuvergabe der Strom- und Gasnetze in Berlin vorlegen will. Buchholz verweist mit seiner freundlichen Kritik am Koalitionspartner auf das gesetzliche Nebenleistungsverbot. Das Land Berlin dürfe die Ausschreibung der Versorgungsnetze nicht an alle möglichen, wenn auch schönen Bedingungen knüpfen. Die Kartellbehörden und Gerichte hätten ein waches Auge auf die Vergabe von Konzessionen.

Deshalb sagt Buchholz: „Wir kommen um eine kommunale Beteiligung nicht herum, wenn wir nachhaltig Einfluss auf die Netze nehmen wollen.“ Die SPD-Experten prüfen derzeit alle Optionen für eine öffentliche Beteiligungsquote zwischen 25,1 (wie in Hamburg) und 100 Prozent. Nur so ließe sich ernsthaft Einfluss auf die Geschäfte des Netzbetreibers nehmen. Buchholz kann sich sogar vorstellen, dass die neue Genossenschaft, die das Stromnetz in Bürgerhand legen will, in ein solches Modell eingebunden wird. „Das wäre so eine Art Volksaktie.“

Für die Bürgerinitiative „Energietisch“, die mit einem Volksentscheid im Herbst die Gründung eines kommunalen Stadtwerks und einer öffentlich-rechtlichen Netzanstalt erzwingen will, wird es allerdings eng. Bis Ende Juni braucht sie 20 000 gültige Unterschriften, damit ein Volksbegehren zustande kommt. Bisher wurden aber erst 9 000 Unterschriften eingesammelt. Ebenfalls im Herbst wird der Konzessionsvertrag für das Stromnetz europaweit ausgeschrieben. Dann muss klar sein, was Rot-Schwarz eigentlich will.

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