Grünen-Direktkandidat: Ströbele zieht zum vierten Mal in den Bundestag ein
Der Grünen-Politiker zieht per Direktmandat in den Bundestag ein - zum vierten Mal in Folge. Als der Landesverband ihm in 2002 einen aussichtsreichen Listenplatz verwehrte, beschloss Ströbele, es direkt zu versuchen.
Auch wenn die Welt untergehen sollte, hätte dem Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele das Direktmandat in Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost nicht genommen werden können. Das vierte Mal in Folge – nach 2002, 2005 und 2009 – haben ihn die 226 000 Wahlberechtigten im Wahlkreis laut Wahl-Informationsdienst election.de mit großer Mehrheit wieder als Direktkandidaten wählen. Er ist einer von 27 Berlinern, die in den Bundestag einziehen werden.
Der 74-Jährige war am Sonntagnachmittag noch relativ entspannt. Seine Aufregung halte „sich in Grenzen“, sagte er dem Tagesspiegel. Und wie es sich für einen Direktkandidaten aus einem Ost-West-Bezirk gehört, zog Ströbele nach dem Aufstehen zunächst einmal zur Gemüse-Wasserschlacht auf der Oberbaumbrücke. Und er kennt seine Pappenheimer. „Die Schlacht war gegen Mittag angesetzt, deshalb kamen weniger Kreuzberger. Die meisten schlafen dann ja noch. Und deshalb haben die Friedrichshainer gewonnen.“
Ströbele lässt sich nicht verbiegen
Ströbele mag und kennt seinen Wahlkreis, auch wenn er selbst seit mehr als 20 Jahren in Tiergarten wohnt. „Das Tolle an den Leuten in Kreuzberg ist, dass die nicht sagen: Macht mal was. Sondern sie nehmen etwas selbst in die Hand.“ Ströbele, selbst großer Individualist, der sich als Parteilinker auch nicht immer an die Parteilinie hält, mag das, was er als „mündige Bevölkerung“ bezeichnet. Und für die ist es „eine Frage der Ehre, dass unser Direktkandidat Ströbele hier auch wieder durchgeht“, wie ein Alt-Kreuzberger im Wahlkampf sagte. Als der Landesverband ihm 2002 einen aussichtsreichen Listenplatz verwehrte, beschloss Ströbele, es direkt zu versuchen. Und er holte für die Grünen bundesweit mit 31,6 Prozent das erste Direktmandat. Unmittelbar nach der Bundestagswahl erklärte er, er verdanke sein Mandat „nicht mehr der Partei, sondern meinen Wählerinnen und Wählern“. Das klang wie eine Drohung. 2009 waren es sogar 46,8 Prozent.
Seine politische Haltung ist aufrecht. So widersetzte er sich öffentlich 2002 dem Führungsgespann von Fischer, Kuhn & Co. und verhinderte auf einem Parteitag in einer brillanten Rede das Aufheben der Trennung von Amt und Mandat, einer urgrünen basisdemokratischen Leitlinie. Später wurde das zwar aufgeweicht. Aber Ströbele lässt sich nicht verbiegen. Damit macht er sich nicht immer Freunde in seiner Partei.
Kein Ausschluss von Rot-Rot-Grün
Seit Jahren sagt er, dass er ein „absoluter Tolerierungsfan von Rot-Rot-Grün“ sei. Dass „R2G“ noch eine Minderheitenposition in seiner Partei ist, dass sich seine Parteifreunde mit den Linken bisher zu wenig auseinandergesetzt haben, findet er schade. Ströbele setzt auf Kompromisse, um politisch gestalten zu können.
Der Grüne braucht Politik. „Eine gewisse Abhängigkeit von der Politik gehört zum Lebensgefühl dazu“, sagt er. Ob er nach der nächsten Legislaturperiode aufhört? Wer weiß das schon. Gesagt hat es Ströbele bisher nicht.
Sabine Beikler