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Ströbele sein Milljöh. Dieses Plakat für den Wahlkampf 2013 zeichnete Seyfrieds Kollegin Ziska.
© Ziska/Grüne

Bundestagswahlkampf in Berlin: Ströbele treibt’s wieder bunt

Der Kreuzberger Grünen-Kandidat Christian Ströbele hat sich erneut für den Wahlkampf zeichnen lassen. Genau hinschauen lohnt sich: Das Plakat ist voller Typen, Themen und Thesen - und wer noch genauer hinschaut, entdeckt auch Seitenhiebe gegen die Konkurrenz.

Das Bild erinnert ein wenig an die Comicfigur Hulk, die sich mit Mutantenkraft ihren Weg bahnt. Oder Moses, der für sein Volk das Meer teilte. Man könnte auch an Eugène Delacroix denken, der einst die Freiheit kämpferisch die Menschen aus den Schlachtfeldern in die strahlende Zukunft führen ließ. Das neue Plakat von Christian Ströbele, das an diesem Dienstag offiziell vorgestellt wird, lädt ein zum fröhlichen Assoziieren.

Es ist eines der ersten, die anlässlich des diesjährigen Bundestagwahlkampfes den Weg an die Öffentlichkeit finden. Und eines der ungewöhnlichsten. Denn statt mit Photoshop bearbeitete Porträtfotos, wie sie das Land in den kommenden Wochen überschwemmen werden, zeigt es ein buntes Sammelsurium von Figuren und Themen im Cartoon-Stil.

Wer meint, darin die Handschrift von Gerhard Seyfried zu erkennen, der Ströbele bereits drei Mal für den Wahlkampf zeichnete, liegt falsch und doch nicht ganz. Denn gezeichnet hat das Motiv Ziska Riemann (39), einst Schülerin und später Co-Autorin von Deutschlands wohl bekanntestem Polit-Comiczeichner, inzwischen selbst als Autorin, Musikerin und Filmemacherin („Lollipop Monster“) bekannt.

Erste Erfahrungen als Schöpferin politischer Plakate hat sie mit Acrylbildern der Grünen-Politikerin Heidi Kosche gesammelt, die wohl auch dank der Ziska-Plakate seit 2006 im Abgeordnetenhaus sitzt. Im aktuellen Fall hat sich die Künstlerin jedoch mit ihrem persönlichen Stil zurückgehalten und versucht, Seyfried nachzuempfinden, der wegen anderer Projekte nicht zur Verfügung stand.

Die am Computer nachbearbeiteten Zeichnungen sind vom Strich her zwar nicht ganz so fließend wie in den Vorjahren, die Komposition ist weniger kompakt. Das macht Seyfried so schnell keiner nach. Aber was die Fülle an Typen, Themen und Thesen angeht, steht Ziska ihrem Lehrer kaum nach. Was zum großen Teil wohl auch daran liegt, dass sie eine lange Wunschliste umzusetzen hatte, was Ströbele und sein Wahlkampfteam angesprochen haben wollten: Vom NSU-Sumpf über den transatlantischen Abhörskandal (man beachte den Fernsehturm im Hintergrund) bis zu den Militärfliegern, die am Himmel kreisen und von einem Berliner King Kong mit der „Drohnenklatsche“ bedroht werden.

Wer genauer hinschaut, entdeckt Seitenhiebe gegen die Konkurrenz (eine Steinbrücke mit der Aufschrift „Standfest statt Beinfrei“ verweist auf den SPD- Kanzlerkandidaten), internationalistische Anklänge (gleich zwei Mal wird auf die Bürgerproteste von Istanbul verwiesen) oder ein Hanfpflänzchen samt Schild „Legalize Me!“: Erinnerung an den Hit „Gebt das Hanf frei“, mit dem Komiker Stefan Raab Ströbele vor ein paar Jahren unerwartete Beliebtheit verschaffte.

Gänzlich Neues, Frisches, Unerwartetes sucht man hier vergebens. Vielleicht ist das ja die Botschaft: Hier kriegen Kreuzbergs Grünen-Wähler, was sie kennen. Zwar schreitet der Kandidat entschlossen nach vorne und durchbricht einen Zaun, der an die einstigen Absperrungen ums Tempelhofer Flugfeld erinnert.

Aber das ihn umgebende Kreuzberger Polit-Biotop ist doch auch eine Rückbesinnung nach dem Motto: Ein Schritt vor und zwei zurück. In dieser Hinsicht erinnert Ströbeles Pop-Art an den Plakatauftritt eines anderen Politikers, der sich einst ebenfalls von einem Künstler verewigen ließ: Mit seinem gemalten Konterfei errang Konrad Adenauer 1957 den größten Wahlsieg, den seine Partei je erlebt hat. Sein Slogan: „Keine Experimente!“.

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