Kinderschutz: Streit um erweitertes Führungszeugnis von Ehrenamtlichen
Wer Schulkinder betreut, muss ein erweitertes Führungszeugnis haben. Auch Ausnahmeregelungen für pensionierte Lehrer soll es nicht mehr geben. Einige Helfer ärgert das nun.
Anke Pape feiert in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag. Eigentlich würde sie gleichzeitig ihr Jubiläum als ehrenamtliche Mitarbeiterin an der Robert-Reinick-Grundschule in Spandau zelebrieren. Zehn Jahre ist sie dabei. Doch aufgrund eines Streits mit den Behörden, die von ihr nun ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis verlangen, spielt sie mit dem Gedanken, in diesem Monat ihr Ehrenamt niederzulegen. Das täte ihr weh, aber sie denkt daran, ein Zeichen zu setzen. Die pensionierte Lehrerin, die in ihrer früheren Schule regelmäßig ihre ehemaligen Kolleginnen im Unterricht unterstützt und Kindern beim Lesenlernen hilft, fühlt sich durch diese Aufforderung der Behörden gekränkt. „Ich möchte mich nicht beim Bürgeramt in die Schlange stellen und darum bitten müssen, dass ich Lehrern und Schülern helfen darf“, sagt sie.
So wie Anke Pape geht es vielen Helfern in Berlin: Alle ehrenamtlichen Helfer, Betreuer und Trainer, die eng mit jungen Menschen zu tun haben, müssen bereits seit 2010 einen strengeren Nachweis vorlegen. Seit dem 1. April unterliegen auch die Schulen einer noch stärkeren Kontrolle, damit setzt der Senat die Handlungsempfehlungen zum Bundeskinderschutzgesetz um. In Berlin arbeiten 36 Prozent aller freiwillig Engagierten mit Kindern und Jugendlichen zusammen, die meisten in Sportvereinen, dicht gefolgt vom Bereich Kita und Schule. Damit führen sie die Statistik an. Um nach etlichen in der Öffentlichkeit stark kritisierten Vorfällen Gewalt und Missbrauch an Kindern zu verhindern, müssen Ehrenamtler oder Berufstätige, die Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen haben, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Damit sollen zunächst einmal – wie bei einem gewöhnlichen Führungszeugnis – einschlägig vorbestrafte Personen, die schwere Delikte begangen haben, herausgefiltert werden.
Neu aber ist, dass auch weitere Delikte mit geringeren Strafen, wie Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, aufgelistet werden, ebenso Erstverurteilungen mit einem geringen Strafmaß. So soll beispielsweise verhindert werden, dass eine Person nach einer Verurteilung zu 60 Tagessätzen wegen Verbreitung von Kinderpornografie oder auch wegen Exhibitionismus in einer Jugendeinrichtung tätig wird. Aus Sicht der Senatsjugendverwaltung ist diese Regelung eine „sehr wichtige Präventionsmaßnahme“, wie ein Sprecher mitteilt. Frau Pape durfte sich bislang ohne Nachweis engagieren, denn sie ist in der Robert-Reinick-Grundschule bei Kollegen und der Schulleiterin bekannt und geschätzt. 20 Jahre unterrichtete sie dort als Klassenlehrerin. 1970 wurde sie zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt, doch nach einem Dienstunfall im Jahr 2003 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Um weiter ihrer Leidenschaft nachgehen zu können, bot sie der Schule ihre ehrenamtliche Mitarbeit an. „Dafür erhielt ich kein Geld, nur lobende Worte“, sagt sie. Doch seit dem 1. April ist es nun allen Ehrenamtlichen, auch ehemaligen Lehrkräften, nicht mehr gestattet, ohne erweitertes Führungszeugnis pädagogische Arbeit zu leisten – der Senat hat Einsatzstätten gerade darauf hingewiesen. Ausnahmeregelungen gibt es nicht mehr.
Pape versteht nicht, warum Schulleiter nicht selbst differenzieren und entscheiden können. „Was bedeutet in diesem Zusammenhang der Status Beamtin auf Lebenszeit?“, kritisiert die 69-Jährige. Doch geht ein Lehrer in Pension, endet die Informationsweitergabe zwischen Behörden und Schule, sollte es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommen. Daher schlagen die Handlungsempfehlungen zum Bundeskinderschutzgesetz eine Neuvorlage des erweiterten Führungszeugnisses nach fünf Jahren vor. Das Führungszeugnis bekommt man gratis, Gebühren sind nicht zu entrichten.
Es ist aber der symbolträchtige Gang zum Bürgeramt, gegen den sich die pensionierte Lehrerin vehement wehrt. Es geht ihr ums Prinzip. Langjährig engagierte alte Hasen wie sie seien doch ein anderer Fall als Neueinsteiger.
Aus Sicht von Sabine Bresche vom Deutschen Kinderschutzbund ist die Pflicht zum erweiterten Führungszeugnis jedoch ein ganz entscheidender Schritt. „Es ist eine große Errungenschaft, dass der Gesetzgeber das Thema Kinder- und Jugendschutz mittlerweile so ernst nimmt.“ Sie verstehe jedoch auch die andere Seite. „Für denjenigen, der seine Hilfe anbietet, ist es schwierig anzunehmen, zunächst einmal unter Generalverdacht zu stehen.“ Denn schließlich erwarte jeder, der ein Ehrenamt ausführt, mit offenen Armen empfangen zu werden.
Weitere präventive Maßnahmen müssten folgen, meint Bresche, auch Themen wie Handgreiflichkeiten sollten offener in den Schulen angesprochen werden. Unterdessen haben Pädagogen und Eltern Verständnis für langjährig engagierte Menschen wie Anke Pape – und hoffen auf eine Einigung. Denn an ihrer Grundschule freuen sich die Kinder, wenn „Frau Pape“ kommt. Sie hoffen, dass das noch ganz lange so sein wird.