Arbeitskampf beim Berliner Start-up: Streikende Gorillas-Rider legen zwei Lagerhäuser lahm
Die Gorillas-Kuriere setzten ihren Streik fort, diesmal besser organisiert. Zwei Manager fielen zuvor mit einer seltsamen Aktion auf.
Es waren die Liefer-Fahrräder, die am Montagmorgen Kopf standen. Die Gorillas-Fahrradkuriere, Rider genannt, hatten etwa zwei Dutzend ihrer Arbeitsgeräte umgedreht, um ein Zeichen zu setzen. Denn ihr Arbeitskampf ging zum Wochenbeginn weiter: Die Kuriere des Express-Lieferdienstes haben ihren Streik fortgesetzt. In zwei Filialen legten die Beschäftigten die Arbeit nieder.
Diesmal wirkt der Streik besser organisiert als die ersten Aktionen im Juni. Vor dem Gorillas-Lagerhaus am Kaiserkorso in Berlin-Tempelhof standen bereits in den frühen Morgenstunden die ersten Streikenden. Die Filiale konnte ihren Betrieb nicht aufnehmen, auch am Dienstag soll sie geschlossen bleiben.
Um 11 Uhr setzten sich die Rider einer weiteren Filiale in Wedding zusammen, um über einen Streik zu beraten. In einer Abstimmung entschieden sie, die Arbeit niederzulegen. Es habe sechs Stimmen dafür und zwei dagegen gegeben, sagte eine Person, die bei der Versammlung anwesend war. Dann formulierten die Beschäftigten einen eigenen Forderungskatalog.
Jedes Gorillas-Lagerhaus ist eine Welt für sich. Die Beschäftigten haben tagtäglich mit ihren unmittelbaren Kolleg:innen zu tun. Aber zwischen den Lagerhäusern scheint es nur wenig Kontakt zu geben. Daher ist es folgerichtig, dass Beschlüsse zunächst nur auf dieser kleinsten Ebene zustande kommen.
Doch im Wesentlichen gleichen sich die Forderungen: faire und pünktliche Bezahlung, sichere Fahrräder und unbefristete Verträge werden immer wieder genannt.
Beschwerden über ein angebliches Produktivitäts-Projekt
Eine Forderung ist neu hinzugekommen: „Schluss mit Project Ace!“ Dabei handele es sich um ein unternehmensinternes Projekt zur Effizienzsteigerung, sagten mehrere Rider dem Tagesspiegel. Schichtpläne seien gestrafft und Lieferfrequenzen für die einzelnen Rider deutlich erhöht worden lautet die Behauptung.
Bereits im Sommer hatte es im sozialen Netzwerk Instagram sehr viele Beschwerden darüber gegeben, dass die Arbeitsbelastung plötzlich gestiegen sei.
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Am Freitag hatte die Geschäftsführung den Streikenden versprochen, sich Anfang der Woche zu den Forderungen zu äußern. Am Montagvormittag habe es diesbezüglich ein Meeting gegeben, teilte ein Sprecher des Unternehmens dem Tagesspiegel mit. Dort seien Entscheidungen getroffen worden, die zuerst firmenintern kommuniziert würden, bevor die Öffentlichkeit informiert werde.
Manager als Rider verkleidet
Derweil sprechen die Rider noch immer über eine absurde Szene des vergangenen Freitags. Der operative Geschäftsführer Adrian Frenzel hatte an der Filiale am Kaiserkorso eine Liste mit Forderungen der Streikenden entgegengenommen.
Danach kam er zurück - diesmal zusammen mit einem anderen Manager, Ronny Gottschlich. Die beiden trugen Fahrradhelme und wollten in das Lager gehen. Angeblich, um selbst Lieferungen auszufahren.
Die Streikenden stoppten die Chefs und hinderten sie daran. Es kam zu einem hitzigen Streitgespräch. Frenzel und Gottschlich wurden von allen Seiten bedrängt. Am Ende zogen die beiden Manager unverrichteter Dinge wieder ab. Auf dem sozialen Netzwerk Twitter machte die kuriose Aktion schnell die Runde.
Das unbeholfene Verhalten erscheint umso seltsamer, weil es sich bei den beiden Männern um erfahrene Manager handelt. Adrian Frenzel hat für die Start-up-Schmiede Rocket Internet mehrere Firmen geleitet, zuletzt war er als Co-Geschäftsführer für den Kochboxenversand Hello Fresh tätig, bevor er im September zu Gorillas wechselte.
Ronny Gottschlich hat einschlägige Erfahrungen im Einzelhandel, arbeitete unter anderem für den Discounter Lidl in einer leitenden Position im Vereinigten Königreich.
Delivery-Hero-Chef fordert "flexible Arbeitsbedingungen"
Am Montag irritierte auch ein anderer großer Player die Lieferdienst-Branche: Niklas Östberg. Der Chef des Berliner Dax-Konzerns Delivery Hero schrieb auf Twitter: Der „Mangel an Fahrern“ sei ein reales Problem in Deutschland. Daher sei es bedauerlich, dass „Zehntausende“ von Ridern gern in der Branche arbeiten wollten, aber nicht könnten. Der Grund, glaubt Östberg, seien zu wenige Möglichkeiten für „flexible Arbeitsbedingungen“.
Das ist das genaue Gegenteil von dem, was die Rider bei Gorillas fordern. Vor dem Arbeitsgericht werden 17 Klagen verhandelt, mit denen Beschäftigte ihre befristeten Arbeitsverträge entfristen wollen. Offenbar wollen die Arbeitnehmer:innen mehr Sicherheit und nicht mehr Flexibilität.
Östberg steht mit seinem Lieferdienst Foodpanda in direkter Konkurrenz zu Gorillas um den deutschen Markt. Dennoch investierte seine Unternehmensgruppe kürzlich in Gorillas.
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