Katja Ebstein in Berlin: Still können andere
Katja Ebstein lädt in die „Bar jeder Vernunft“ Auch abseits der Bühne macht sie den Mund auf
Als die junge Karin Witkiewicz einst auf der Reinickendorfer Epensteinstraße spielte, hatte sie vielleicht genau zwei solche Zöpfe. Mädchenhaft wirken sie, zugleich aber auch ungemein praktisch. Mit solchen Zöpfen kann ein Mädchen auf Bäume klettern, ohne dass die Haare stören. Und wenn es mit anderen diskutiert – was speziell dieses Mädchen angesichts der vielen Ungerechtigkeiten in der Welt gern und ausführlich tut –, kann es, um seine Argumente zu unterstreichen, einen Zopf mit einer energischen Handbewegung nach hinten auf den Rücken werfen.
Manches hat sich verändert: Das Mädchen von einst klettert mit seinen heute 66 Jahren nicht mehr ganz so oft auf Bäume, auch wenn die langen, schlanken Beine wohl kaum Probleme dabei hätten. Und aus Karin Witkiewicz, die 1945 mit zwei Monaten mit ihrer Mutter aus der Gegend von Breslau nach Berlin kam, ist längst Katja Ebstein geworden – denn der leicht abgewandelte Name der Straße, in der sie aufgewachsen ist, soll die Sängerin und Schauspielerin ihr ganzes Künstlerleben begleiten. Die Zöpfe, mit denen sie zum Interview in der Bar Kempinski am Kurfürstendamm erscheint, könnten selbst an wesentlich jüngeren Frauen merkwürdig aussehen. An Ebstein nicht. Vielleicht weil die Frisur wie ein Ausdruck von Treue zu sich selbst wirkt, nicht wie eitles Kalkül. Auch Ebsteins Lust am Diskutieren ist ungebrochen. Ihr innerer Drang, sich zu engagieren „angesichts dieses Riesenkreises von Themen, die wir Menschen nicht geregelt bekommen – Fremdenfeindlichkeit, Kinderarmut, sinnlose und gefährliche Atompolitik und militärische Auslandseinsätze“, wie sie mit Wut in der Stimme sagt. Vom heutigen Dienstag bis Sonntag tritt die Künstlerin in der „Bar jeder Vernunft” auf. Das Motto des kritisch-satirischen Abends aus Texten und Chansons unter anderem von Hanns Dieter Hüsch, Georg Kreisler, Bertolt Brecht, Hermann van Veen und Konstantin Wecker lautet „Na und? Wir leben noch!“ Ein zu Hoffnung Anlass gebender Weckruf.
Viele Menschen kennen die Sängerin nur von Schlagern wie „Wunder gibt es immer wieder”, „Diese Welt” und „Theater”, mit denen sie zwischen 1970 und 1980 beim Grand Prix drei Mal unter die ersten drei Plätze kommt. Tatsächlich ist diese Periode aber nur ein kurzer Abschnitt, denn seit Jahrzehnten spielt sie auch Theater und geht mit Lyrik- und Chansonabenden auf Tour. „Das ist doch Asbach“, sagt Ebstein daher nur knapp zu ihrer Schlagerzeit. Mit dem Singen fängt die Archäologie- und Romanistik-Studentin und spätere SFB-Volontärin in Kreuzberg an, wo sie mit einer Freundin Jazz und Weltmusik auf Studentenfeten zum Besten gibt. Daneben geht sie zu Demos und diskutiert mit Freunden im Café am Steinplatz in Charlottenburg, wo sie auch Rudi Dutschke kennenlernt. Benno Ohnesorg gehört ebenfalls zu ihren Freunden, mit 16 trifft sie ihn bei einem Ferienjob in einem Kinderheim auf Amrum. Später ist Ebstein in Wackersdorf dabei, unterstützt Willy Brandt in seinem Wahlkampf und gastiert 1974 zum ersten Mal im Friedrichstadtpalast, „um zu helfen, den Ost-Bürgern das Gefühl der Isolation zu nehmen“.
Die seit langem in Bayern ansässige Sängerin ist eben auch ein stark sozial engagierter Mensch. 2004 hat sie in Potsdam eine Stiftung zugunsten von Kindern aus sozial schwachen Familien gegründet. Ihr neuestes Projekt dafür ist ein großes Areal in Kladow, auf dem sie ein ökologisches Erlebniszentrum errichten will. „Kinder sind einfach unsere größte Hoffnung“, sagt Ebstein, glättet ihre Zöpfe und beißt energisch in ein Honigbrot. Eva Kalwa
26.-30.Juli 20 Uhr, 31. Juli 19 Uhr. In der Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 24. Tickets kosten zwischen 22 und 30 Euro. Telefon 883 15 82. Mehr Infos im Internet unter www.bar-jeder-vernunft.de.
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