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Immer wieder kommt es in Flüchtlingsunterkünften zu Zusammenstößen.
© picture alliance / dpa
Update

Gewaltausbruch in Flüchtlingsheim Treskowallee: Stiftung: Wachschützer griffen Heimleiter an

Angeblich griffen Flüchtlinge in der vergangenen Woche einen Heimleiter an. Jetzt sagt der Betreiber: Es waren Angestellte des Sicherheitsdiensts.

„Es war alles ganz anders“, erzählt Wahed L. (Name geändert) am Dienstag: „Alle Flüchtlinge hier haben ein sehr gutes Verhältnis zum Heimleiter. Keiner von uns hätte ihn angegriffen.“ Wahed L. ist einer von rund 200 Bewohnern einer Notunterkunft für geflüchtete Menschen in der Karlshorster Treskowallee. Die Halle steht auf dem Gelände der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) und in der Nacht zu Freitag vergangener Woche kam es dort zu gewalttätigen Übergriffen.

Handy-Videos als Beweis

Die Polizei meldete am anderen Tag, dass nach ersten Erkenntnissen Flüchtlinge den Einrichtungsleiter und Mitarbeiter der Sicherheitsfirma angegriffen hätten. Demzufolge waren kurz nach Mitternacht 40 Heimbewohner unter anderem mit Holzlatten und Kanthölzern auf die Sicherheitsleute losgegangen, nachdem diese einem stark alkoholisierten Flüchtling den Zutritt verweigerten. Der Tagesspiegel hatte darüber unter Verweis auf die Polizei berichtet – aber nach entsprechenden eigenen Recherchen auch bereits über Zweifel an dieser Darstellung. Diese scheinen sich jetzt bestätigt zu haben. Am Dienstag ging die das Heim betreibende Sozdia-Stiftung mit einer Darstellung an die Öffentlichkeit, die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes schwer belastet. „Grundlage dafür ist die Auswertung mehrere Handy-Videos von den Vorfällen, aber auch die Schilderung unseres schwer verletzten Einrichtungsleiters sowie weitere Zeugenaussagen“, sagte Sozdia-Sprecherin Nina Kirch.

Geflüchteter soll geschlagen worden sein

Ihrer Darstellung zufolge hatte ein Bewohner der Notunterkunft am Donnerstagabend ganz aufgeregt dem Einrichtungsleiter sowie anderen Bewohnern berichtet, dass er von Mitarbeitern der Sicherheitsfirma geschlagen worden sei. Der Heimleiter habe versucht, ihn zu beruhigen. Gleichzeitig hätten einige Mitarbeiter der Sicherheitsfirma mit verbalen und körperlichen Angriffen reagiert und den Bewohnern sowie dem Einrichtungsleiter Konsequenzen angedroht für den Fall, dass diese die Polizei benachrichtigen würden. Es seien Sätze gefallen wie „Wenn ihr jetzt die Polizei anruft, gibt es echt ein Problem.“

Bewohner versuchten zu deeskalieren

Der Einrichtungsleiter habe natürlich trotz dieser Drohung die Polizei gerufen. Daraufhin hätten einige Mitarbeiter der Sicherheitsfirma die Situation weiter mit Handgreiflichkeiten und dem Werfen von Holzlatten eskaliert. Einige Flüchtlinge hätten sich provozieren lassen, während andere Bewohner der Notunterkunft versucht hätten, zu deeskalieren.

Der Einrichtungsleiter habe sich schließlich zwischen die Konfliktparteien gestellt – mit dem Gesicht zu den Flüchtlingen diese aufgefordert, mit den Steinwürfen aufzuhören. Das hätten diese sofort getan – auch weil der Heimleiter sehr beliebt sei. Daraufhin – das belegten Zeugenaussagen und Handyvideos – habe ein Mitarbeiter der Sicherheitsfirma einen größeren Metallgegenstand geworfen, der den Einrichtungsleiter mit voller Wucht traf, so dass dieser zu Boden stürzte.

Heimleiter am Montag operiert

Wahed L. bestätigt diese Darstellung: „Niemand von uns hätte ihn angegriffen“, sagt er: „Im Gegenteil, wir sind alle zu ihm gelaufen, um ihm zu helfen. Geworfen hat einer von den Wachschützern, die seit einigen Tagen totalen Terror hier machen. Die suchen Streit und wollen kämpfen – wie gesagt, das sind nicht alle, aber ein paar, die nur darauf aus sind.“

Unmittelbar nach dem Wurf seien die an der Auseinandersetzung beteiligten Mitarbeiter der Sicherheitsfirma geflohen, sagte Nina Kirch, aber später wieder gekommen. Die Polizei habe wohl zunächst ihren Aussagen geglaubt – auch weil der Heimleiter mit schweren Gesichtsfrakturen ins Krankenhaus musste und nicht reden konnte. Der Mann wurde am Montag operiert, muss aber noch einige Tage im Krankenhaus bleiben.

Polizei ermittelt

Die Polizei wollte sich am Dienstag mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht zu der Darstellung der Sozdia-Stiftung äußern. „Wir haben mehrere Verletzte und mehrere gegenseitige Anzeigen“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. „Unsere Kollegen von der Kriminalpolizei sind dabei, die Beteiligten anzuhören und die Videos, die uns übergeben wurden, auszuwerten.“

Noch sei vieles ungeklärt und widersprüchlich, sagte die Sprecherin weiter. Der Anruf bei der Polizei in der Nacht zu Freitag sei nicht vom Heimleiter, sondern vom Sicherheitsdienst gekommen.

Wahed L. hat bereits am Freitag alles der Polizei erzählt. „Ich hoffe nur, dass unser Heimleiter bald wieder gesund ist und zu uns kommt“, sagt er: „Und dass diese schlimmen Sicherheitsleute nicht wieder hier auftauchen.“

Sicherheitsfirma kooperiert

Der Geschäftsführer der Sicherheitsfirma hat der Polizei seine Unterstützung bei der Aufklärung zugesichert. „Wir haben zwei unterschiedliche Darstellungen und müssen die Ermittlungen abwarten“, sagte er: „Wenn sich herausstellen sollte, dass unsere Mitarbeiter sich schuldig gemacht haben, werden wir in Abstimmung mit unserem Auftraggeber der Sozdia- Stiftung die Konsequenzen ziehen.“ Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sagte dem Tagesspiegel: „Ich verurteile den Angriff auf den Mitarbeiter ausdrücklich und wünsche dem Heimleiter gute Besserung.“

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