Berlin: Stein auf Stein
Vor 25 Jahren wurde das 1935 abgerissene Ephraim-Palais am Mühlendamm wiedereröffnet Die geretteten, in West-Berlin gelagerten Teile waren gegen andere Kulturgüter getauscht worden.
Erich Honecker zeigte sich begeistert und lobte die Handwerker: „Eine tolle Arbeit habt ihr hier vollbracht, wunderbar!“ Auch andere DDR-Größen, Hermann Axen, Kurt Hager, Egon Krenz, Günter Mittag, Günter Schabowski und der Ost-Berliner Oberbürgermeister Erhard Krack waren am 19. Mai 1987, vor 25 Jahren, ins wiederaufgebaute Ephraim-Palais gekommen. Einige Jahre war an dem neuen Glanzstück des Nikolaiviertels gebaut worden, jetzt, zur 750-Jahr-Feier, konnte es eröffnet werden.
Seither spielt der Rokokobau eine wichtige Rolle im kulturellen Leben der Stadt – als klassischer Ausstellungsort der Stiftung Stadtmuseum oder einfach als erheiternder, vergoldeter Blickfang und als steinerner Zeuge für das Leben im alten Berlin. Dabei hat das Gebäude mit dem pompösen Eingang zwischen acht Säulen eine lange und wundersame Geschichte.
Das Haus Poststraße 16/Ecke Mühlendamm hatte sich vor 250 Jahren der königliche Münzpächter und Hofjuwelier Friedrichs II., Veitel Heine Ephraim, vom Architekten Friedrich Wilhelm Diederich zum vierstöckigen Palais umwandeln lassen, zur „schönsten Ecke Berlins“. 1935 war es wegen der Vergrößerung der Mühlendammschleuse abgerissen worden, aber Gitter, Gesimse, Pilaster, Kapitelle, Putten und Steinblöcke wurden nummeriert und eingelagert. Nach einer Odyssee über vier Lagerplätze landeten mehr als 2000 Steinstücke auf einer Freifläche des Berlin-Museums, das nach der Teilung in der Lindenstraße, also „im Westen“ lag. Dort wollte man in den siebziger Jahren, an der Ecke der Linden- und Markgrafenstraße, das Palais wiederaufbauen und als jüdisches Museum nutzen. Die Kosten wurden auf 30 Millionen DM geschätzt, deshalb geschah zunächst nichts – bis Anfang der Achtziger die Ost-Pläne für das neue Nikolaiviertel samt Wiederaufbau der ältesten Pfarrkirche Berlins bekannt wurden. Nach dem (vom Tagesspiegel angeregten) Tausch der Schinkel’schen Schlossbrücken-Figuren gegen das KPM-Archiv 1981 unter dem Regierenden Bürgermeister Hans-Jochen Vogel signalisierte dessen Nachfolger, Richard von Weizsäcker, die Möglichkeit einer Übergabe der Ephraim-Steine. Im März 1982 fasste das Abgeordnetenhaus einen entsprechenden Beschluss. „Aber West-Berlin war ja so eine Art dritter deutscher Staat, also musste eine Lösung für das Problem gefunden werden“, sagt der damalige Generalkonservator der DDR, Ludwig Deiters, „da kam man auf die Idee, mich zu einer Art Diplomat zu machen.“ Sein West-Gesprächspartner wurde Landeskonservator Helmut Engel, die Professoren kannten sich längst, es gab keine politische, sondern eine fachliche Ebene. „Es waren schwierige Zeiten, denn West-Berlin durfte nicht zur selbstständigen politischen Einheit werden“, sagt Engel – also rollte die Aktion Ephraim-Palais „im Rahmen des kulturellen Austauschs“ ab.
Beide Verhandlungsführer sind sich heute einig: „Wir sind froh, dass alles trotz der verschlungenen Wege geklappt hat – wir hatten den Drang zu einem vernünftigen Miteinander.“ Architekt Uwe Strathmann, der mit seinen Leuten die Nikolaikirche wiederaufgebaut hat, erinnert sich: „Eines Tages kamen die Steine, keiner war darauf vorbereitet. Sie lagerten in der dachlosen Nikolaikirche, wurden dort bearbeitet und an ihren endgültigen Standort geschafft.“ Nur zweieinhalb Jahre dauerte die Wiederauferstehung des Palais.
Doch wie kam das Ephraim-Palais durch die Mauer? Die meisten Grenzübergänge waren zu schmal oder hatten enge Slalomhindernisse aus Beton. Sollte man um Berlin herumfahren? Schließlich wurden die Risalite, Kapitäle, Gesimsprofile und die acht Säulen ab Juni 1983 auf kleineren Lastwagen durch den Übergang Heinrich-Heine-Straße auf den Bauplatz zwischen Rathaus und Spree gefahren – niemand ahnte damals, dass ein paar Jahre später das Ephraim-Palais zum Stolz der ganzen Stadt geworden war.
Lothar Heinke
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