Bürgerplattformen: Starke Partner für die Kieze
In Bürgerplattformen bündeln sich viele Initiativen. Gruppen in Wedding und Schöneweide ziehen Bilanz.
Sie sind temperamentvoll, ehrgeizig, zäh und laut: Wenn sich die Mitglieder der Bürgerplattform „Wir sind da! Wedding/Moabit“ treffen, dann erinnert die Stimmung an eine Mischung aus einem Rockkonzert, einem Gottesdienst und einer Wahlkampfveranstaltung. Das wird sicher auch am heutigen Dienstag ab 19 Uhr so sein, wenn hunderte Besucher in der Moabiter Heilandskirche zum „Einjährigen“ zusammenkommen. Das Besondere: Nicht eine einzelne Bürgeriniative engagiert sich für ein Thema, sondern die Bürgerplattform bringt viele Gruppen an einen Tisch, die dann verschiedene Aufgaben gemeinsam angehen. Die Bürgerplattform Wedding besteht aus etwa 40 Gruppen mit ganz unterschiedlichen religiösen, sozialen oder kulturellen Wurzeln. Moscheevereine sind darunter, aber auch Kitas oder ein Selbstständigenverband.
Selcuk Saydam hat im vergangenen Jahr viel Zeit in die Plattform gesteckt. Der 37-Jährige, dessen Eltern aus der Türkei kommen, vertritt dort die Haci- Bayram-Moschee. „Als große Gruppe können wir viel mehr erreichen“, begründet er seinen Einsatz. Die Plattform gebe ihm aber auch das Gefühl, ein gleichwertiges Mitglied zu sein. Und jemand, der durchaus mit Politikern verhandeln kann, und zwar als Gesprächspartner auf Augenhöhe. Auf die Treffen mit Entscheidungsträgern, zu denen jeweils ein paar Mitglieder gemeinsam gehen, haben sie sich zusammen mit Susanne Sander vorbereitet. Sie koordiniert die Arbeit der Bürgerplattform für das Deutsche Institut für Community Organizing (Dico) an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin. Geleitet wird das Dico von Leo Penta, der seit mehr als 30 Jahren Bürgerplattformen aufbaut, in den USA und in Deutschland.
„Für viele Mitglieder ist diese Gruppe die einzige Möglichkeit, politischen Einfluss auszuüben“, sagt Susanne Sander. Denn ein großer Teil darf in Deutschland nicht wählen – und sich auch nicht an Volksentscheiden beteiligten. Auch Mahmoud Bargouth, der sich für den Moscheeverein„Haus der Weisheit“ in der Bürgerplattform engagiert, hätte zum Beispiel gerne über „Pro Reli“ abgestimmt. Aber der 31-Jährige, der einen palästinensischen Hintergrund hat, ist nicht wahlberechtigt. „Dabei ist doch auch meine Tochter vom Abstimmungsergebnis betroffen“, sagt er.
Bei „Wir sind da“ kann Mahmoud Bargouth sich dennoch engagieren – für seine direkte Umgebung. Das sogenannte Strategieteam berät regelmäßig darüber, was als Nächstes zu tun ist. Das Kernteam, in dem Mitglieder aller Vereine vertreten sind, stimmt anschließend über die Vorschläge ab.
Im Moment kümmert sich „Wir sind da“ mit drei Aktionsteams um die Bereiche Bildung, das Job-Center Mitte und den „öffentlichen Raum“ – genauer gesagt um die Drogenprobleme am Leopoldplatz und am Ottopark. Und auch, wenn das Jobcenter nun voraussichtlich im nächsten Jahr aufgelöst wird: Das Wachpersonal ist nach einigen Gesprächen höflicher zu den Wartenden, und die Geschäftsführung hat zugesagt, die Mitarbeiter stärker interkulturell zu schulen und mehrsprachige Informationsblätter auszulegen. Bis zur heutigen Veranstaltung hat das Team „Öffentlicher Raum“ noch mit Entscheidungsträgern über die Situation am Leopoldplatz verhandelt. „Wir suchen nach einer vernünftigen und verträglichen Lösung für die Abhängigen“, sagt Susanne Sander. Und auch, dass man als Bürgergesellschaft nur eine einzige Chance hat, etwas zu erreichen: wenn man sich organisiert.
Das können auch die Mitglieder von „Organizing Schöneweide“ unterschreiben, der zweiten Bürgerplattform in der Stadt, die ebenfalls in einem Kiez mit vielen Problemen entstanden ist: Berlins ehemals größtem Industriegebiet, in dem heute viele Menschen arbeitslos sind. „Organizing Schöneweide“ wurde vor neun Jahren gegründet. Mittlerweile arbeiten 19 verschiedene Gruppen mit. Ende November hat die Plattform einen Scheck überreicht – und zwar an Gabriele Schöttler (SPD), die Bezirksbürgermeisterin von Treptow-Köpenick. Insgesamt haben die Mitglieder 150 000 Euro gesammelt – das Geld kommt zum einen von den Unternehmen im Kiez, zum anderen aus ihren eigenen Portemonnaies.
„Mit diesem Geld soll für die nächsten drei Jahre ein Regionalmanagement eingerichtet werden“, sagt der Koordinator Gunther Jancke. Das Regionalmanagement soll neue Unternehmen nach Schöneweide holen und 1000 neue Arbeitsplätze schaffen. Der Bezirk muss jetzt nur noch den Antrag ausfüllen – und die EU gibt insgesamt 600 000 Euro dazu.
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