Musiker mit Tradition: Von wegen Geige!
In den großen Konzertsälen hört man Mandolinen selten. Der Berliner Avi Avital aber erhielt mit diesem Instrument eine Grammy-Nominierung. Einst hätte er seine Karriere fast an den Nagel gehangen.
Die tiefe Stimme von Avi Avital trägt gut. Das ganze kleine Café in der Linienstraße in Mitte scheint sie auszufüllen, während er von seinem Geburtsland Israel, seiner zweiten Heimat Italien und seiner noch jungen Liebe zu Berlin erzählt. Ein neuer Gast möchte sich auf den Stuhl hinter dem Musiker setzen. „Vorsicht, ich will Ihre Geige nicht beschädigen“, sagt er und stellt den Mandolinenkasten behutsam zur Seite.
Die kleine Szene ist typisch, denn innerhalb der klassischen Musik nimmt der 32-jährige Avital mit seinem Instrument einen Sonderstatus ein: Geigen und Violinisten gibt es jede Menge, Mandolinen sind in den großen Konzertsälen jedoch nur selten zu hören. Sie scheinen eher in neapolitanische TV-Schmonzetten der 50er Jahre oder zum amerikanischen Bluegrass zu passen. Und wirken wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit, hat doch mancher Großvater ein solches Zupfinstrument einst stolz und gut behütet im Schrank verwahrt.
Avital, der als erster Mandolinist in diesem Jahr für einen Grammy nominiert wurde, fühlte sich in seiner Karriere oft wie ein Pionier: „Meist musste ich mir den Weg innerhalb der klassischen Musik selbst suchen“, erzählt er. So lässt er Stücke wie im Fall seiner im Sommer erscheinenden Bach-CD für Mandoline umschreiben oder gibt gleich ganze Werke in Auftrag, wie das Mandolinenkonzert von Avner Dorman, das ihm die Grammy-Nominierung einbrachte. „Ich finde es nicht schlimm, dass ich nicht gewonnen habe. Es freut mich, neben einer Weltklassepianistin wie Mitsuko Uchida überhaupt nominiert worden zu sein”, sagt Avital.
Wenn er über sein Instrument spricht, leuchten seine dunkelbraunen Augen: „Ich bin nur eine Art Kanal. Die Musik, die ich mithilfe meiner Mandoline ausdrücke, stammt von einem Ort außerhalb von mir.” Dabei ist Avital nicht nur auf Klassik festgelegt, er spielt entsprechend der Tradition des Instruments neben anderem auch Folklore. Am 25. März tritt er mit Giora Feidman und anderen Solisten am 75. Geburtstag des Klarinettisten in der Philharmonie bei einem Klezmer-Konzert auf. „Die kreative Atmosphäre Berlins inspiriert mich sehr, neue Dinge auszuprobieren”, sagt Avital, der sich zunehmend auch für alte und experimentelle Musik begeistert. Meist übt er in seiner Wohnung in der Rosa-Luxemburg-Straße oder auf seinen vielen Konzertreisen – drei bis vier Stunden pro Tag. Allerdings hatte er nicht immer so viel Disziplin. „Als ich mit acht Jahren anfing, dem Beispiel eines befreundeten Nachbarjungen zu folgen und Mandoline zu spielen, war ich der faulste Schüler des Orchesters“, erinnert sich der Sohn einer Lehrerin und eines Ingenieurs und lacht. Dennoch wurde er dann schnell so gut, dass er nach der Oberschule die Musikakademie in Jerusalem besuchte und danach mehrere Jahre am Konservatorium in Padua lernte. Heute leitet er selbst Meisterklassen, hält Vorlesungen, unter anderem in Mailand, New York und Basel, und spielt mit zahlreichen renommierten Orchestern.
Doch es gab einen Punkt, da stand die steile Karriere fast auf der Kippe und Avital hätte beinahe das Fach gewechselt: Als Jugendlicher ließ er sich die Haare wachsen, hörte lieber Nirvana und Metallica als Mozart und Bach und spielte Schlagzeug und E-Gitarre in einer Band. „Ich mochte Rockkonzerte bei denen das Publikum steht und tanzt viel lieber als die gesitteten klassischen Konzerte”, sagt Avital. Diese Phase ging wieder vorbei und er entdeckte die Freude an der kontemplativen Ruhe der Zuschauer im Konzertsaal. Manchmal allerdings überkommt Avital immer noch die Lust an Gitarrenmusik. Dann geht er schon mal für ein Indie-Konzert ins White Trash hinüber und rockt im Publikum, was das Zeug hält.
Giora Feidman & Friends am 25. März, 20 Uhr, in der Philharmonie. Tickets von 41 bis 60 Euro auf www.eventim.de oder unter Tel. 01805-570070.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität