Stadtleben: Stau in Weiß
Zehn Minuten Warten an der Mühlendammschleuse und keiner meckert: Immer mehr Fahrgastschiffe drängeln sich auf der Spree
Immer mehr Berliner und Touristen erkunden das Stadtzentrum von der Wasserseite aus. Zwar hält sich die Zahl der Freizeitkapitäne, die auf eigenen Planken am Ruder stehen, in Grenzen, doch dafür wächst das Interesse an Stadtrundfahrten auf Fahrgastschiffen. Zuweilen ist es auf den City-Routen vor allem an der Museumsinsel oder im Regierungsviertel so voll, dass bereits vom „Stau in Weiß“ die Rede ist.
„Die hohe Nachfrage liegt eindeutig an der hohen Attraktivität der Berliner Innenstadt“, sagt Ingo Gersbeck vom Reederverband der Berliner Personenschifffahrt, der die größten Reedereien vertritt. „Außerdem verändert sich die Stadt entlang der Ufer so schnell, dass selbst Berliner immer wieder eine Fahrt buchen.“ Von den Cabrio-Schiffen mit freier Sicht nach allen Seiten gebe es innerhalb weniger Jahre schon 14. Insgesamt verkehren in und um Berlin rund 150 Ausflugsdampfer. Zwei Drittel davon machen ihre Geschäfte mit Innenstadttouren. „Klar wird es mal eng, aber auf dem Wasser herrscht immer eine entspannte Atmosphäre“, sagt Gersbeck. „Alle Schiffsführer bewahren die Ruhe, unabhängig von der Größe ihrer Boote.“
Auch die meisten Fahrgäste bleiben ausgesprochen gut gelaunt, wenn es doch einmal zu einer Wartezeit vor der Mühlendammschleuse kommt. „Ist doch herrlich, dieser Blick auf Berlin“, findet die Besucherin aus Düsseldorf, während sie auf ihrem Dampfer seit zehn Minuten vor der Schleuse steht. „Da kann ich endlich einmal in Ruhe fotografieren.“ Der Stau auf dem Wasser regt niemand auf.
Viele Fahrgastschiffe wenden nach der Passage des Nikolaiviertels vor der Mühlendammschleuse. Das liegt nicht nur an der langwierigen Passage des Bauwerks, sondern auch an der fehlenden Attraktivität der Strecke in Richtung Osthafen.
Dennoch belegen die an der Mühlendammschleuse gezählten Schiffe den starken Zuwachs in den vergangenen Jahren. Im Jahre 2008 zählte das Wasser- und Schifffahrtsamt fast 21 000 Fahrgastschiffe und 11000 Sportboote. „Im Vergleich dazu waren es im Jahr 2003 nur 11 673 Fahrgastschiffe und 9913 Sportboote“, sagt Evelyn Bodenmeier, Sprecherin des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin. Rapide abwärts ging es dagegen mit der Zahl der Güterschiffe – trotz aller Bemühungen um den Ausbau des umweltfreundlichen Transportmittels. Passierten 2003 noch 4030 Frachtschiffe die Schleuse, kamen im Vorjahr gerade mal 2221 Schiffe durch das Hebewerk.
Trotz der vielen Dampfer im Stadtzentrum bleibt die Wasserschutzpolizei gelassen. „Der Verkehr ist noch zu bewältigen, auch wenn die Zahl der Schiffsunfälle gegenüber dem Vorjahr leicht zugenommen hat“, sagt Sprecher Thomas Goldack. Bewährt habe sich die Regelung, dass im Regierungsviertel zwischen Oberbaumbrücke und Kanzleramtssteg nur Fahrzeuge mit einem Maschinenantrieb von mehr als fünf PS zugelassen sind. In diesem stark befahrenen Bereich würden Boote mit wenig Motorleistung oder nur mit Muskelkraft schlichtweg zum Verkehrshindernis.
Als Alternative bleiben da viele Strecken im Umland. Hinter dem Stadtrand beginnen sogar einige führerscheinfreie Abschnitte, für die der Bootsverleiher nach einer dreistündigen Einweisung einen Charterschein ausgibt. Hausboote gibt es unter anderem bei der Marina Lanke in Spandau und bei Kuhnle-Tours in Zeuthen. Man kann natürlich auch gleich nach Rheinsberg oder an die Müritz fahren, um dort die Kapitänsmütze aufzusetzen. Claus-Dieter Steyer
Informationen im Internet: www.das-blaue-paradies.de
Claus-Dieter SteyerD
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