Alexa-Eröffnung: "Spiegel der Gesellschaft"
Ein neuer Media-Markt, Verletzte, Schlägereien und Scherben: Die Eröffnung des Einkaufszentrums Alexa war der ganz normale Wahnsinn. Ergebnis: 10.000 Euro Sachschaden.
Eine Frau mit Kopftuch kniet vor dem brusthohen Regal, schirmt mit ihren Armen einen Berg mit ungefähr 80 Handykartons ab. „Ist alles meins,“ keift sie einen jungen Mann an. Erschrocken zieht er die Hand zurück. Fünf Euro das Stück, „für meine Verwandten“, sagt die Frau. Schnäppchen-Jagd, das ist spätestens jetzt klar, ist harte Arbeit in dieser Nacht. Man könnte auch sagen: Extremsport.
Dienstag, kurz vor Mitternacht am Alexanderplatz, Berlin. Ein gigantisches Einkaufszentrum, Name Alexa, 54 000 Quadratmeter Geschäftsfläche, 180 Läden, soll eröffnet werden. Und darin ein vierstöckiger Media-Markt, der „Saugrößte der Welt“, so stand es seit Tagen auf Werbeplakaten. 5000 Menschen haben die Absperrung vor dem Kaufhaus überrannt. Eine Tür zerbirst, Menschen verletzen sich. Drinnen im Einkaufzentrum klatschen Tausende gegen die Metalljalousien und fordern in Sprechchören: „Aufmachen.“
Als es soweit ist, strömen die Massen durch den schmalen Eingang. Gegen halb eins eilen 100 Polizisten in Kampfmontur zu Hilfe. „Hinten bei den Handys haben wir mehrere Schlägereien,“ ruft ein Sicherheitsmann seinem Kollegen zu. Auch vorne, an der Absperrung wird die Lage immer heikler. Fäuste fliegen. Aber aufgeben will niemand, der Preis ist zu hoch: ein anderer könnte das letzte Notebook für 497 Euro, den 40 Zoll-Bildschirm für 799 Euro oder die X-Box für 249 Euro erwischen. Mit solchen Angeboten hatte der Media-Markt in bewährter Art geworben. „Platz da, hier kommt die größte Sau“, war im Radio zu hören. Sprechchöre riefen „Türen auf“.
Halb eins, völliges Chaos. Die Menge drängt die schrankgroßen Sicherheitsleute beiseite, ein Polizist steht auf Kasse 4 und brüllt in sein Megafon. Die Reaktion: Johlen und Lachen. Durch die Türen schieben sich zweihundert Demonstranten von der „Hedonistischen Internationale“, die ein Zeichen gegen Konsum setzen wollen. Der ganz normale Wahnsinn. Ein Abteilungsleiter des Marktes macht gute Miene. „Wir sind daran nicht schuld. Schauen Sie doch: Das ist ein Spiegel der Gesellschaft!“ Überhaupt sei es doch bei jeder Media-Markt-Eröffnung so. Eine in Tränen aufgelöste Frau schreit ihn an: „Tun Sie doch etwas, am Eingang passiert gleich ein Unglück.“ „Was würden Sie denn tun?“ fragt der Herr im Anzug herausfordernd. Die Frau wird von der Menge weitergedrängt, dann ruft sie wütend über die Schulter zurück: „Hauptsache, der Rubel rollt, ja!“
Eine Rolltreppe geht zu Bruch, der eine oder andere USB-Stick wandert in Hosentaschen an der Kasse vorbei. Der Rubel rollt trotzdem, auch wenn um halb zwei vorerst die Jalousien herunterfahren, wer drin ist, darf weiter einkaufen, der Rest erst ab fünf Uhr wieder.
Bleibt noch eine Frage. Ob die Manager mit der aggressiven Kampagne das Szenario für einen „Sturm auf den Media-Markt“ geschaffen haben? Nein, findet Michael Malessa, der Geschäftsführer der Filiale. „Wir sind reißerisch, laut und übertreiben’s auch manchmal. Aber ein Sicherheitsrisiko für die Kunden einkalkulieren – das würde ich nicht zulassen.“ Er vermute, dass das Centermanagement, die Lage außerhalb des Alexa unterschätzt habe. Das Management ist anderer Meinung: Silvia Peschke vom Investor Sonae Sierra sieht den Grund für das Chaos in der Menschenmasse. „Eskaliert ist es dann, als die Lage im Laden außer Kontrolle geriet.“
„Viel zu wenige Sicherheitsleute“, kritisiert dagegen Bodo Pfalzgraf von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Ob dahinter eine Strategie des Elektronikkonzerns stehe, will er nicht kommentieren. Offensichtlich sei aber, dass die Leitung aus den Problemen bei anderen Markteröffnungen nichts gelernt habe. Im Februar 2006 war es zu Krawallen gekommen, nachdem der Rapper „Bushido“ eine Autogrammstunde im Media-Markt in der Pankstraße in Wedding abgesagt hatte. Vorläufiges Ergebnis dieser Nacht: 15 Verletzte, gut 10 000 Euro Sachschaden.