Auftritt der Woche: Moby
Wo spielt Moby? Im Heimathafen Neukölln!
Vermutlich ist es nicht schwierig, sich die Antipathie eines Hitzkopfs wie Eminem zuzuziehen. Aber es war symptomatisch, mit wie viel Gift und Galle der Rapper vor einigen Jahren über Moby herzog, nachdem der es gewagt hatte, Eminem für seine kontroversen Texte zu kritisieren. Die schnell in Beleidigungen ausartende Fehde war nur die Spitze eines Eisbergs: Kaum ein Popmusiker wurde in seiner Karriere so angefeindet wie Moby.
Am Dienstag stellt der umstrittene Star sein neues Album „Wait for me“ im Heimathafen Neukölln vor. Die Wahl des alten Saalbaus Neukölln als Ort für eins von nur drei Exklusivkonzerten in Europa spricht für Mobys Vorliebe für originelle Locations in Berlin: Schon 2005 ließ er in einem Anflug von Größenwahn für eine Album-Präsentation einen Hotel-Rohbau in Moabit anmieten, in dem zu jedem Song ein Zimmer gestylt wurde.
Richard Melville Hall, dessen Künstlername auf seinen Ur-Ur-Ur-Großonkel und „Moby Dick“-Autor Herman Melville verweist, gelang mit der zweiten Single „Go“ 1992 ein internationaler Erfolg, als er House-Beats mit der Soundtrack-Melodie der TV-Serie „Twin Peaks“ verknüpfte. Das war natürlich blanker Verrat für die Jünger der reinen Techno-Lehre. Mobys sprunghafter Werdegang wurde immer kontrovers diskutiert: Ob er zu seinen Punk-Wurzeln zurückkehrte, Ambient-Klangtapeten abrollte oder die James-Bond-Melodie sampelte, nie machte er es allen recht. Nur sein Ruf als DJ blieb über die Jahre unbestritten, was letzten Sommer ein umjubeltes Set im Weekend am Alexanderplatz bewies.
Seinen größten Coup landete Moby, indem er die Songs des 1999er Albums „Play“ scheinbar wahllos der Werbe- und Filmindustrie zur Verfügung stellte, was ihm nicht nur über 10 Millionen verkaufte Platten, sondern auch Ausverkaufsvorwürfe einbrachte. Die wurden nicht leiser, als er seine Erfolgsformel, die Verschmelzung alter Gospel- und Blues-Gesänge mit schablonisierten Club-Beats, auf den nächsten Veröffentlichungen kaum änderte.
Auch als öffentliche Person bietet der 43-jährige New Yorker reichlich Angriffsfläche. Sein provokatives Gutmenschentum, dass sich in Charity-Aktionen, politischem Engagement, Christentum, praktiziertem Veganismus und demonstrativ bescheidener Lebensführung äußert, sorgt für Beißreflexe. Stoff für Häme bietet zudem, dass er sich neuerdings zu der pseudoreligiösen Esoterik-Stiftung des gescheiterten Teufelsberg-Bauherrn David Lynch hingezogen fühlt, der beim Video zur aktuellen Single Regie führte.
Wenigstens scheint Moby ein dickeres Fell zu besitzen, als es seine schmächtige Gestalt vermuten lässt. Zwar äußert er in Interviews schon mal das Bedauern, nicht so beliebt wie etwa ein Thom Yorke zu sein, aber von seinem Weg lässt er sich nicht abbringen. Im Gegenteil, Kritik scheint ihn gelassener zu machen. Wovon auch „Wait for me“ zeugt: Wer 16 so unaufgeregte, rührend aus der Zeit gefallene Songskizzen in ein selbst gezeichnetes Strichmännchen-Cover steckt, steht längst über der schnöden Welt der Charts und Kritiker.
Heimathafen Neukölln, Dienstag, 21 Uhr, Karl-Marx-Straße 141, ab 28 Euro
Jörg W, er