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Irene Fernau in ihrem Trabi
© ddp

Ost-Auto: Mit 83 Jahren ihrem Trabi noch immer treu

Sechs Jahre hatte Irene Fernau damals auf ihren Trabant gewartet. Seitdem hat sie viel mit ihm erlebt. Auch heute möchte die Berlinerin ihren Gefährten gegen kein Auto auf der Welt eintauschen.

Manchmal ist Irene Fernau morgens richtig sauer. Dann hat ein aus ihrer Sicht hyperaktiver Umweltschützer wieder einmal den Auspuff ihres Trabant verstopft: mal mit einer Kartoffel, mal mit anderen Gegenständen. Dabei ist die 83-Jährige aus dem Berliner Stadtteil Baumschulenweg auf ihr geliebtes Auto angewiesen.

"Meine paar Tankfüllungen Gemisch, die ich im Jahr verbrauche, machen die Berliner Luft nun wirklich nicht kaputt", sagt die Seniorin. "Aber mit seiner Hycomat-Schaltung ist das Auto mir einfach unersetzlich." Die ehemalige Grundschullehrerin hat seit Jahren ein irreparables Problem im linken Knie. Mit der Hycomat genannten Halbautomatik, die es zum Ende der Trabant-Ära gab, kann sie das linke Bein während der Fahrt problemlos ruhen lassen.

Irene Fernau und ihr Trabi kamen erst wenige Monate vor der Wende zusammen. "Im Februar 1989", erinnert sie sich. "Nachdem ich 14.000 DDR-Mark für ihn hingelegt hatte, musste nach Wende und Wiedervereinigung nun nicht gleich ein neues Auto her." Damals wie heute verrichte es seinen Dienst prima. Nicht einmal die legendären 12 bis 15 Jahre Wartezeit vergingen bei ihr bis zur Auslieferung. "Das sind alles Legenden", findet Fernau. "In jeder DDR-Familie liefen doch mehrere Anmeldungen, so dass man auf deutlich kürzere Fristen kam. Bei mir waren es knapp sechs Jahre."

Die Umweltplakette hätte er nie erhalten

Genutzt wird das Auto fast ausschließlich fürs Einkaufen und auf dem kurzen Weg in den Garten. "Schauen Sie mal den Kofferraum an. Da passt prima alles rein, was ich im Garten benötige", sagt Fernau. Tatsächlich bietet die kleine Mulde im Heck relativ viel Platz, mehr als manch moderner Kleinwagen. Allerdings ist die tiefe Lage des Kofferraums nicht für jeden Fahrer optimal.

Ob Garten- oder Einkaufstour - die 83-Jährige fährt mit dem Trabi auf klar festgelegten Routen. "Die bin ich gewohnt", sagt Fernau. In die Berliner Innenstadt fährt sie schon lange nicht mehr, weil ihr der Verkehrstrubel zu viel ist. Ganz nebenbei meidet sie so die 88 Quadratkilometer umfassende Berliner Umweltzone. Denn so viel ist klar: Eine zwingend erforderliche Umweltplakette für diesen Bereich hätte ihr Trabant nie erhalten.

Eine Marke, die Kultstatus garantiert

Der Innenraum des Trabi ist top aufgeräumt, auch das Äußere gepflegt. Nur die einst elfenbeinähnliche Farbe wirkt nach fast 20 Jahren etwas blass. Auch aufwendige Pannen sind der Besitzerin der "Rennpappe", wie der Wagen im Volksmund ironisch genannt wurde, erspart geblieben. Lediglich vor drei Jahren hatte Irene Fernau ein "ungewöhnliches Nebengeräusch" ausgemacht. Sie gab das Auto in die Werkstatt. Nach zwei Tagen war die Sache behoben.

"Ich fahre ihn, so lange ich kann", sagt die resolute Dame. Immerhin garantiere ihr das Auto, das als Marke inzwischen Kultstatus erlangt hat, Unabhängigkeit. Die Alternative wäre, zu Verwandten ins heimatliche Thüringen zu ziehen, doch das wolle sie nicht, betont die Wahlberlinerin, die seit 1962 der Stadt die Treue hält. Vorschläge aus ihrem Umfeld, sich ein "anständiges Auto" zuzulegen, weist sie zurück. Der "DDR-Volkswagen" sei nicht "unanständig". Mit "West-Autos" würde sie auch gar nicht zurechtkommen. Der Trabi und sie hätten sich einfach aneinander gewöhnt.

Torsten Hilscher[ddp]

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