Kulturfestival: Harmonien im Hausflur
Zum zehnten Mal startet heute das Kulturfestival "48 Stunden Neukölln". 370 Kunstaktionen an 170 Orten bringen bis Sonntagabend Neukölln zum Brummen.
Zettel wie dieser könnten ruhig öfter in Hausfluren hängen: "Liebe Mitbewohner. Jeden Mittwoch von 18-20 Uhr proben wir für das Treppenhauskonzert am 21. Juni. Falls wir jemanden stören, BITTE sprechen Sie uns an."
Veronika Otto hat den netten Schrieb in der Warthestraße 49 aufgehängt. Von ihr stammt die Idee, zusammen mit ein paar Nachbarn beim Kunst- und Kulturfestival "48 Stunden Neukölln" mitzumachen. Und jetzt treffen sich die Cellistin samt Familie aus dem Erdgeschoss, der portugiesische Maler Jorge Lopes aus dem dritten Stock und Benedicta Hirsch und Lothar Köster aus dem Dachgeschoss Sonnabend ab 18 Uhr im Hausflur zu "Treppenhausspielen".
Die schmucke Konzertkulisse stammt von 1906: ein Gründerzeitbau mit Dreieckstreppenhaus und satt hallender Akustik. Drüber spannt sich ein Glasdach, drunter räkeln sich Pflanzen in der Sonne.
Sonnabend erklingt hier ein Konzert für fünf Streicher, Posaune, Piano, Percussion, Gesang und Hausbewohner aller Altersklassen, das Veronika Otto, 46, selbst komponiert hat. Jorge Lopes, 26, lädt in sein Wohnungsatelier voll großformatiger Ölbilder, und ein frisch gedrucktes Buch wird vorgestellt: "Ein Haus in Neukölln. Fast eine Liebeserklärung."
36 Lebensgeschichten ihrer Nachbarn haben die Religionswissenschaftlerin Hirsch und der Publizist Köster, die beide seit zehn Jahren hier wohnen, dafür eingesammelt. Querbeet vom Arbeiter bis zum Akademiker reicht die Mietshausmischung. Und die gute Nachricht der Autoren: Entgegen aller Klischees leben die Leute gern in Neukölln.
Auf dem Programm stehen 370 Aktionen an 170 Orten
Mit dieser unverhofften Heimatliebe haben vielleicht auch die "48 Stunden Neukölln" was zu tun. Im zehnten Jahr pumpen sie jetzt schon Frohsinn und Wirgefühl in die Nachbarschaft. Dabei hat sich das schmutzige kleine Trash-Kunstfestival von früher längst zum abenteuerlustigen Kulturtrubel mit internationalem Ruf gemausert. 370 Kunstaktionen an 170 Orten zwischen dem hippen Reuterkiez und dem neobarocken Körnerpark bringen bis Sonntagabend Neukölln zum Brummen.
In Toilettenanlagen, Sudhäusern, Dampfern, an Fassaden, auf Straßen und Plätzen wird gesungen, getanzt, gelesen, gespielt, getönt, projiziert, rumgeführt, geradelt und gezeigt, was der Problembezirk hergibt. Drinnen und draußen, mit Hightech oder einfachen Mitteln und fast immer umsonst. Den Weg durch den Kunstdschungel bahnt man sich am besten von einem der sechs in den Kiezen verteilten Infopunkte aus. Dort gibt's Faltpläne und Infos.
Neue interessante Orte sind jede Menge hinzugekommen. So zeigt die Reihe "Sakrale" Kunst an geweihten Orten, die von 18 Neuköllner Kirchen bis zur Hindu-Tempel-Baustelle in der Hasenheide reichen. Und die seit Jahren einstaubende Alte Post in der Karl-Marx-/ Ecke Anzengruberstraße wird ab heute Abend für fünf Monate mit einer Kunstausstellung und den spaßigen Volkstheatermachern vom "Heimathafen Neukölln" bespielt.
Wie Glückssuche im Problembezirk funktioniert, zeigen zehn Aktionen in der Festivalreihe "X Wege zum Glück". Die "Treppenhausspiele" in der Warthe 49 gehören dazu. Für die Künstler dort heißt Glück vor allem Freiraum zum Gestalten, günstige Miete und viel Grün zwischen Hermannstraße und Flughafen Tempelhof. Von der tollen Nachbarschaft habe er vorher ja gar nichts gewusst, sagt der Maler aus Portugal. Und die Musikerin hatte die Trendbezirke Prenzlauer Berg und Kreuzberg satt. Inzwischen sind sie alle bekennende Neuköllner. Glücklich in ihrem Haus, aber auch sehr klarsichtig, was die Brüche und Härten im Kiez ringsum angeht. Ob sie sich sicher fühlen, nachts zu Fuß in der Warthestraße? Absolut, nicken die Treppenhausbespieler. Und prusten dann los: "Vor Hundekacke kann man allerdings nie sicher sein."
Das Festival wird heute um 19 Uhr in der Alten Post, Karl-Marx-Straße 97/99 eröffnet und läuft bis Sonntag 19 Uhr. Programminfos unter www.48-Stunden-Neukoelln.de. Der zentrale Infopunkt ist in der Passage, Karl-Marx-Straße 131-133, Telefon: 68 24 78.
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