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Entschuldigung, ist der Chef da? Nein, Brühl ist zu „busy“, sagt die Kellnerin. Er sei nur „sometimes“ in seiner „Bar Raval“. Trotzdem ist der Laden gut besucht.
© Mike Wolff

Gastronomie: Hackfleischbällchen bei Daniel Brühl

In Berlin haben bemerkenswert viele Prominente einen Nebenberuf erlangt – als Gastwirt. Ein Spaziergang durch die Szene.

Die Blume auf der Fensterbank. Hat er sie ausgewählt? Der Schal vom FC Barcelona an der Wand. Hat er ihn mal getragen? Möglich wär’s. Daniel Brühl liebt Fußball. Er ist in Barcelona geboren. Und vor allem: Das hier ist sein Laden.

Endlich eine vernünftige Tapas-Bar in Berlin, das wär’ was, hat sich Daniel Brühl gedacht. Dann hat er, der vielbeschäftigte Schauspieler, sie vor zwei Wochen einfach selbst aufgemacht.

An diesem Abend ist seine „Bar Raval“ in der Lübbener Straße, direkt am Görlitzer Park, erstaunlich gut gefüllt. Man braucht Glück, um noch einen freien Tisch am Gang zu bekommen. Die Fußbodenfliesen haben sie aus Barcelona hergebracht, neben der Eingangstür stehen Dutzende Weine im Regal. Die Speisekarte ist noch Provisorium, besteht bisher nur aus ein paar am Computer ausgedruckten Seiten. „Wir freuen uns auf Feedback“, heißt es darin. Und dass die Kaffeemaschine wieder funktioniere. Die Schinkenkroketten schmecken großartig, auch die frittierten Hackfleischbällchen. Nur Daniel Brühl fehlt. Natürlich.

Der 32-Jährige ist nicht der erste Prominente, der sich in Berlin als Gastronom versucht. Ben Becker eröffnete schon vor Jahren die „Trompete“ am Lützowplatz. Barry Burns, Gitarrist der schottischen Rockband Mogwai, machte kürzlich in der Neuköllner Donaustraße seine Kneipe „Das Gift“ auf, ebenso Udo Walz, der sich mit dem „Fasanen 37“ in Charlottenburg als Wirt probiert. Und zur Fashion Week Anfang des Jahres feierte Michael Michalsky die Eröffnung seiner Bar „Catwalk“ im Marriott Hotel am Potsdamer Platz. Er hat die Outfits der Kellner entworfen, auf den Rückenlehnen der Stühle stehen Topmodel-Namen wie „Claudia“, „Naomi“ oder „Heidi“. Wer Glück hat, sitzt mit dem Rücken zu einem Porträtfoto von Boy George.

Man sagt, es gibt nur zwei Gründe, warum ein Prominenter nebenher eine Bar oder ein Restaurant betreibt: Entweder will er sich auch abseits seines Hauptberufs verwirklichen oder er möchte zusätzliches Geld machen. Bei Daniel Brühl darf man getrost Ersteres annehmen. Er hat sich für dieses Projekt mehrere Partner gesucht, gemeinsam haben sie überlegt, welche spanischen Gerichte sie unbedingt nach Berlin bringen wollten. Durch eine Glaswand kann man die Köche beim Zubereiten beobachten, darüber hat jemand mit Kreide „Bon Profit!“ an die Wand geschrieben. Das hat nichts mit Einnahmeerwartungen zu tun. Das ist Katalanisch und heißt „Guten Appetit“.

Zur Eröffnungsparty waren sie alle da: Benno Fürmann, Jessica Schwarz, August Diehl, Daniel Kehlmann, Detlev Buck.

Man denkt sich: Was würde man tun, wenn er tatsächlich hier wäre, zum Beispiel da drüben auf dem Barhocker? Natürlich nicht ansprechen, das wäre hoch peinlich. Wir sind hier schließlich in Berlin. Aber eventuell doch mal kurz verstohlen hinüberluken.

Wer die Kellnerin mit dem dunklen Pony fragt, ob man Daniel Brühl hier tatsächlich mal treffen kann, kriegt erst ein Lächeln und dann eine Antwort auf Englisch mit spanischem Akzent: „Yes, sometimes!“ Aber er sei natürlich auch „very busy“. Und wenn, dann stehe er sicher nicht in der Küche und auch nicht hinter der Theke. Er sei einfach da.

Vielleicht sind ja die Chancen größer, Deutschlands amtierendem Dschungelkönig zu begegnen. Also schnell rüber auf die andere Seite des Görlitzer Parks, in die Lausitzer Straße. Hier betreibt Peer Kusmagk seit vier Jahren das „La Raclette“. In dem französischen Restaurant mit der angrenzenden Bar war vor kurzem ein Feuer ausgebrochen, ausgelöst durch einen Kabelbrand. Davon merkt man jetzt nichts mehr. Es ist kurz vor Mitternacht, und auch hier ist es überraschend voll. An den Backsteinwänden hängen gerahmte Schwarz-Weiß-Fotos vom Dschungelcamp-Finale, Kusmagks Vorgängerin Desirée Nick moderierte die Feier im „La Raclette“. Von der Bar aus fällt der Blick auf den Schriftzug über dem Fenster: „Mieux vaut boire ici qu’ailleurs.“ Der nette Kellner hilft bei der Übersetzung: „Lieber hier trinken als woanders.“

Überhaupt ist der Mann unerwartet offen. Fragen nach dem prominenten Wirt beantwortet er mit einem freundlichen Grinsen, offenbar sind sie ihm in den letzten Wochen häufig gestellt worden. Klar könne man Peer hier treffen, erst gestern Abend und heute Mittag sei er dagewesen. Wann er wiederkommt? „Keine Ahnung, ich bin nicht sein Sekretär. Er ist sehr beschäftigt.“

Das ist nicht mal gelogen. Gerade erst hat der 35-Jährige per Fernsehshow einen Hund gesucht, außerdem soll er „The Dome“ moderieren und vielleicht sogar die nächste Staffel von „Big Brother“. Der Hype um seine Person kommt auch dem „La Raclette“ zugute. Das Restaurant sei besser besucht als zuvor, sagt der Kellner. Von der Idee, als Reminiszenz an die Dschungelzeit jetzt Maden anzubieten, habe das Personal Kusmagk aber nicht überzeugen können. „Peer wollte das nicht. Warum auch? Er hat ja ein französisches Restaurant.“

Dass Prominenz nicht zwangsläufig hohe Umsätze garantiert, weiß Klaus J. Behrendt. Der Tatort-Kommissar betrieb einst das „Zucca“ am Hackeschen Markt. Um Werbung für die Bar zu machen, stand er manchmal selbst hinter der Theke. Trotz des Engagements und hoher Investitionen musste das „Zucca“ 2005 Insolvenz anmelden.

Auch Martin Kesici wagte sich 2008 unter die Gastronomen. Der Sänger eröffnete in der Kulturbrauerei eine Kneipe. Am ersten Abend tanzten noch Frauen in Latexkorsagen und Strapsen auf den Tischen. Aber schon kurze Zeit später blieben die Gäste aus und der Rocker musste den Laden wieder schließen. Gut möglich, dass der Name, „Titty Twister“, dem Laufpublikum suspekt war. Ähnlich erfolglos waren die Bemühungen von Fußballer Axel Kruse und Boxer Ralf Rocchigiani.

Die Schauspielerin Esther Schweins hielt mit ihrer Saftbar in der Oranienburger Straße immerhin drei Jahre durch, bevor sie 2007 wieder dicht machte. Anschließend brachte sie noch ein Buch mit ihren Lieblingsrezepten raus. Den Namen „Grashopper“ ließ sie sich schützen. Wer weiß, vielleicht wagt sie es an anderer Stelle ja noch mal.

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