Stadtleben: Gottes Rezitator
Mächtig, mundgerecht und musikalisch: Die Bibel, wie Ben Becker sie liest
Am Ende triumphiert Ben Becker. Steht in Siegerpose vor den applaudierenden Zuschauern, hüpft wie ein Flummi herum und sieht unendlich erleichtert aus. Selbst für einen Starkstrom-Egomanen wie ihn ist es offenbar kein leichter Job, eine Bibellesung zu stemmen. Drei Stunden vorher, als der Schauspieler und Sänger im schwarzen Gehrock vor die über 3000 Menschen im ausverkauften Tempodrom tritt, klingt sein Brummbass vor Nervosität rau und belegt.
Die Kanzel von Laienprediger Becker, 42, steht vorn an der Rampe und ist mit einem Kreuz geschmückt. Zusammen mit dem Purpurmäntelchen des Kardinals am Keyboard der Zero Tolerance Band und einer Marien-Erscheinung in den Reihen des Deutschen Filmorchesters Babelsberg war’s das dann zum Glück aber schon mit Devotionalien auf der Bühne. Darüber schwebt eine Leinwand für Videoprojektionen. Dreigeteilt wie ein Altar-Triptychon. Ouvertüre und Tusch, auf der Leinwand dazu unendliches All, Close-up auf den Blauen Planeten, und schon hat Gott Himmel und Erde gemacht und befindet mit Ben Becker, dass es gut war. Im Schweinsgalopp geht es in der ersten Hälfte von „Die Bibel – eine gesprochene Symphonie“ durch das Alte Testament. Von der Schöpfungsgeschichte zum Sündenfall, der im Stil barocker Stillleben als üppige Obstplatte mit ekligem Ungeziefer bebildert ist. Dann hurtig zu Kain und Abels Brudermord, Noahs Sintflut und Jonas Walfisch – ein Potpourri bunter und blutiger Geschichten, die Ben Becker wahlweise raunend und grollend von märchenonkelig bis pathetisch erzählt.
Apropos Pathos. Die Show, für die Becker seit einem halben Jahr kunstvoll die Werbetrommel rührt, will überwältigen. Als Kino auf Großbildleinwand wolle er Gottes Wort auslegen, sagte Becker vorher. Auch mit Effekten wie Wasserfontänen und Pyrotechnik. Doch nachdem sich der Künstler Ende August „das Böse“ in einer Drogenspritze injiziert hat und daraufhin fast seinem Schöpfer begegnet wäre, hat er an Ernsthaftigkeit zugelegt und den Budenzauber eingespart.
Trotzdem kommt – gerade auch im zweiten, dem Neuen Testament samt Jesu Leben und Sterben gewidmeten Teil – immer wieder Bibelkitsch heraus. Das liegt nicht an Beckers Theatralik und auch nicht an seinen zergurgelten Interpretationen der eingestreuten Popsongs wie „In the Ghetto“ oder „Bridge over troubled Water“, sondern an der süßlichen Filmmusik.
„Einfach nur ein seichter Klangteppich“, meint ein Paar Ende 30 aus Tiergarten dazu. Begeistert sind sie trotzdem. Von Beckers Stimme und der „Suggestivkraft der Luther-Bibel“. Das sagen viele, die im Foyer rumstehen. Und das Pathos? „Stört mich gar nicht“, meint eine katholische Apothekerin Mitte 50. Die Bibel müsse mit Vehemenz vorgetragen werden.
Ein paar Meter weiter steht ein Herr im schwarzen Ordenskleid. Pater Maurus von der Benediktinerabtei Niederaltaich ist auf Einladung Ben Beckers da. Wieso? Er sei Künstlerseelsorger, habe vom Bibelprojekt gehört, Becker nach seinem Kollaps geschrieben und sei jetzt mit ihm im Gespräch. „Er ist ein Suchender, der’s ernst meint“, ist der Pater sicher. Die Bibel als emotionale Show findet er toll. Nur habe Becker zugunsten der Dramatik viele Happy Ends der Bibelgeschichten gekürzt, meint Maurus. Die müssten nächstes Mal mit rein. „Titel: Die Bibel reloaded!“ Gunda Bartels
Ben Beckers Bibelshow ist am 6. Dezember wieder im Tempodrom zu sehen.
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