Ritter vom Orden der Blutwurst: Der Fleischermeister von Neukölln
Marcus Benser ist Fleischer in der siebten Generation. Seine mit Thüringer Majoran und brasilianischem Pfeffer gewürzten Blutwürste sind europaweit begehrt.
Er weiß, was Kunden wollen: Qualität und einen fairen Preis. Deshalb schüttet Marcus Benser an diesem Vormittag wie immer frisches Schweineblut, Zwiebeln, Speck und klein gemahlene Semmeln in eine große Metallschale, in der die Blutwurst angemischt wird. 150 Kilo macht er an einem normalen Tag für seine Blutwurstmanufaktur, in der kalten Jahreszeit, sogar die doppelte Menge. „Jede Wurst kostet hinterher einen Euro fünfzig“, sagt er, und hält einen Löffel in den roten Brei.
Gewürzt wird die Mischung nach einem Familienrezept, das Marcus Bensers Großvater in den dreißiger Jahren in sein Rezeptbüchlein schrieb. In die Wurst hinein kommen nur Naturgewürze, Thüringer Majoran und Thymian zum Beispiel und brasilianischer Pfeffer. Für seine Blutwurst hat er 2004 die höchste Auszeichnung bekommen, die es in diesem Bereich gibt: Der Blutwurstritterorden „Confrérie des Chevaliers du Goûte Boudin“, eine der renommiertesten Gourmet-Organisationen Frankreichs, schlug ihn 2004 zum „Ritter der Blutwurst", weil er im Blutwurstwettbewerb in den vergangenen Jahren mehrere erste Preise gewonnen hatte.
Dass er jeden Tag mehr als 60 Wurstsorten fertigt, macht Marcus Benser glücklich: „Ich sehe am Abend ein Ergebnis.“ Während seiner ersten Lehre habe er sich dagegen eher als kleines Rädchen im Getriebe gefühlt. Denn auf Wunsch seines Vaters ließ er sich zunächst zum Bankkaufmann ausbilden. Sein Vater, der selbst Fleischer war, hatte sich für seinen Sohn etwas besseres gewünscht. Aber der Metzgerberuf lag ihm, und Marcus Benser, den man sich ohnehin nicht beim Stillsitzen vorstellen kann, trat doch noch in die väterlichen Fußstapfen. Und nicht nur in diese, denn seine Familie ist schon in der siebten Generation im Fleischerberuf. Gelernt hat er das Handwerk in dem Neuköllner Betrieb, den er heute leitet.
Dafür steht er morgens um viertel vor fünf auf und fährt von Schlachtensee nach Neukölln, das viele einen Problembezirk nennen. Marcus Benser arbeitet hier schon sein 13 Jahren, bis zur Geburt seiner Kinder hat er hier auch gewohnt. „Ich habe ein dickes Fell“, sagt er. Sonst wäre es wohl auch schwierig für ihn im Kiez am Karl-Marx-Platz, wo nicht alle tolerieren, dass er Schweinefleisch verkauft. Türkische und arabische Muslime beschimpfen ihn gelegentlich als „Mörder“ oder „Schweinemetzger“, und viele muslimische Frauen wechseln die Straßenseite, wenn sie an seinem Laden vorbeikommen. Manchmal spuckt ihm auch einer an die Scheibe. Marcus Benser wischt das dann ab, und ignoriert die Ablehnung. „Es ist wichtig, die Leute zu integrieren“, sagt er. Auch deshalb unterstützt er das Projekt „Morus 14“, das Neuköllner Kindern bei den Hausaufgaben hilft.
Besser akzeptiert wird Bensers Fleischerei von den Muslimen, die vom Balkan kommen, aus Bosnien oder Albanien: „Die bestellen zu ihren Feiertagen häufig Lämmer bei uns“, sagt er, und geht hinüber an die Maschine, mit der pro Minute 150 Würste gefüllt werden.
Den Standort Neukölln möchte Marcus Benser auf keinen Fall aufgeben: „Das kann ich den Kunden, die hier leben, nicht antun.“ Der Ritter der Blutwurst lockt aber natürlich auch Kunden aus anderen Stadtteilen an. Eine Filiale kommt für Benser dennoch nicht infrage: „Mein Großvater hat immer gesagt, mache einen Laden, den aber richtig.“
In seinem Geschäft fühlen sich die Kunden ein wenig wie „früher“. Benser hat 18 Angestellte, allein sechs Verkäuferinnen, die freundlich beraten. Auch das gehört seiner Meinung nach zu den Dingen, die sich die Kunden wünschen: „Viele Besucher fühlen sich bei uns um 30 Jahre zurückversetzt, das gibt ihnen ein Gefühl von Stabilität.“ Mit diesem Konzept sticht Marcus Benser aus seinem Kiez heraus, in dem sonst eher die Schnäppchenläden aus dem Boden schießen.
Die fertigen Würste nehmen ein Bad in der Stahlwanne, und Marcus Benser erzählt vom Online-Geschäft, das ebenfalls gut läuft: „Im vergangenen Jahr haben wir 4000 Pakete mit Blutwurst verschickt.“ Viele gingen nach Norddeutschland.
Vor drei Jahren hat sich der Fleischer einen Geschäftspartner ins Haus geholt, den Journalisten und Marketing-Fachmann Mathias Helfert – der früher, auf dem Weg zu seinem Fernsehsender, oft wegen der Blutwurst in der Metzgerei vorbeigekommen ist. Mathias Helfert kümmert sich ums die Bestellabwicklung und die Buchhaltung. Und er hat aus der Blutwurst eine richtige Marke gemacht.
Gern gegessen hat Marcus Benser diese Wurstsorte früher übrigens nicht: „Als Kind konnte ich Blutwurst überhaupt nicht leiden.“ Seine Kinder essen sie dagegen ziemlich gerne.