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Bunter Bierpinsel. Sechs Wochen lang haben internationale Graffiti-Künstler die ursprünglich roten, längst verblassten Eternitplatten des Turmkopfes von einem Fassadenlift aus mit Farbe bearbeitet und dabei mehr als 2000 Sprühdosen verbraucht.Fotos: David von Becker, dpa
© dpa

Graffiti sorgt für Ärger: Bierpinsel in Steglitz - vor fünf Jahren

Rot war der Bierpinsel früher. Vor fünf Jahren wurde das Steglitzer Wahrzeichen bunt – zum Ärger der Architekten. Sechs Wochen lang hatten Graffiti-Künstler dem Riesen ein neues Gesicht verpasst. Was Maris Hubschmid darüber schrieb.

Von Maris Hubschmid

Die Frau hat ihr Ziel erreicht: Am U-Bahnhof Schlossstraße steht eine Rentnergruppe und reckt die Hälse. Eine Passantin mit Imbisstüte macht vor dem Treppenturm des Steglitzer Wahrzeichens Halt und rüttelt an der feiertags verschlossenen Eingangstür. „Endlich nehmen die Menschen das Gebäude wieder wahr“, sagt Larissa Laternser, die junge Geschäftsführerin der Schlossturm GmbH. „Der Bierpinsel ist auferstanden.“

An diesem Sonnabend feiert Laternser die Vollendung ihres Projekts „Turmkunst 2010“. Zahlreiche Einladungen hat die 28-Jährige verschickt, DJs und Lichtinstallationskünstler engagiert. Sechs Wochen lang haben internationale Graffiti-Künstler die einst roten, längst verblassten Eternitplatten des Turmkopfes von einem Fassadenlift aus mit Sprühdosen bearbeitet, 2000 Stück verbraucht, um dem Riesen ein neues Gesicht zu verpassen. Drei Gesichter, um genau zu sein. „Masken“ heißt es auf der Internetseite www.turmkunst.de. Mit Teddyschnauze präsentiert sich der Bierpinsel den Anwohnern im Osten, etwas schmollig den Menschen im Süden, düster blickt er einem Totempfahl gleich Richtung Walther-Schreiber-Platz, also gen Norden. „Echt überwältigend, was die da rausgeholt haben“, sagt Laternser und hofft auf eine „Wahnsinnsparty“ am Sonnabend. Ab 20 Uhr geht es los am und im Turm.

Zwei, die ganz bestimmt nicht dabei sein werden, sind Ursulina Schüler-Witte und ihr Mann Ralf. „Wir sind stinkesauer“, sagte die 77-Jährige dem Tagesspiegel. Sie, die Architekten, hätten sich von Anfang an gegen die Renovierungspläne gewehrt. „Wir haben Frau Laternser die Verunstaltung des Bauwerks ausdrücklich verboten.“ Als sie aus der Zeitung vom Fortgang des Projekts erfuhren, war es für eine einstweilige Verfügung zu spät. Nichtsdestotrotz sind sie entschlossen, jetzt gerichtlich gegen die Schlossturm GmbH vorzugehen.

Laternser stellt den Sachverhalt anders dar. Sie sagt, anfänglich hätten die beiden ihre Zustimmung signalisiert. Das sei Quatsch, meint hingegen Schüler-Witte. Niemals habe sie eingewilligt, „diesen Klamauk“ zu veranstalten. Einmal seien sie beim Turm gewesen. „Der Anblick war so schockierend, dass wir uns kein zweites Mal hingetraut haben.“ Neben dem Messegebäude ICC ist der Bierpinsel eines ihrer wichtigsten Bauwerke. Jetzt sehe er aus wie diese beschmierten, besetzten Häuser. Kunstvoll könne sie daran nichts finden. „Die ganze Aktion ist doch ein einziger Werbegag für Fräulein Larissas Turmrestaurant.“ Im Gegenteil, sagt die Turmchefin, sie habe die Kunstlandschaft bereichern wollen. Über die Äußerungen der Architekten sei sie enttäuscht. Dass das Projekt polarisiert, finde sie jedoch gut: „Wenn Kunst nicht diskutiert wird, ist sie tot.“ Sicher wirke ihr Vorhaben im eher bürgerlichen Steglitz ein Stück weit provokant. Gerade diese Diskrepanz zwischen Stadtteil und Streetart mache das Projekt aber reizvoll.

Tatsächlich reagieren viele Anwohner auf das neue Bild positiv. „Tolle Motive sind das“, meint Elisabeth Litschko. Auch Adelheid Kösch, die die Entwicklung von ihrem Fenster aus verfolgt hat, kann sich für das bunte Vieleck erwärmen: „Wirklich kreativ.“ Nina und Bernd Seger aus Zehlendorf lassen sich vor dem farbenfrohen Turm fotografieren.

Im Herbst kommenden Jahres ist dann auch schon wieder alles vorbei. Dann wird der Bierpinsel zurück in sein originäres Rot getaucht, eine dauerhafte Umwandlung haben die Behörden nicht genehmigt. „Schade“, sagt Uli Schmidt, der mit dem Turm großgeworden ist. „So sieht er viel freundlicher aus.“ Der 17-jährige Fabio von Coburg zuckt mit den Achseln: „Ist so oder so hässlich, das Ding.“

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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