"Metropolis"-Fotos: Barfuß unter Männern
Die Villa Grisebach versteigert "Metropolis"-Fotos, die einst Regisseur Fritz Lang seinem Star Brigitte Helm schenkte.
Blutjung und schon Diva – da darf man einen gewissen Hochmut, auch mangelnde Treffsicherheit im Einschätzen der Mitmenschen verzeihen: „Gruppenaufnahme während einer Drehpause. Alle Leute weniger interessant ausser Herrn Lang und Frau von Harbou, die hinter mir sitzen (Maschinen-Mensch im Tanzkostüm)“. Brigitte Helm, als doppelte Maria in Fritz Langs „Metropolis“ eine Ikone des deutschen Films, hat dies auf die Rückseite eines Fotos von den Babelsberger Dreharbeiten 1925/26 geschrieben, ebenso selbstbewusst wie unzutreffend. „Weniger interessant“? Immerhin waren neben ihr auch der Schauspieler Fritz Rasp, der damals als Filmschurke immer populärer wurde, und Kameramann Karl Freund zu sehen.
Die Aufnahme gehört zu einer Gruppe von 36 originalen „Metropolis“-Fotografien, die am Donnerstag in der Villa Grisebach versteigert werden (Schätzpreis 5000–7000 Euro). Angefertigt hat sie der Standfotograf Horst von Harbou, Bruder von Langs damaliger Ehefrau Thea von Harbou, die das Drehbuch zu dem visionären Klassiker schrieb. Das Ehepaar hatte dem von Lang entdeckten, bei Drehbeginn erst 17-jährigen Jungstar zur Erinnerung ein Fotoalbum geschenkt, dem die jetzt zur Auktion stehende Kollektion entstammt. Sie fand sich im Nachlass der 1996 gestorbenen Brigitte Helm, weitere Auskünfte über den Besitzer der Fotografien gibt das Auktionshaus wie üblich nicht.
Die Aufnahmen zeigen ausschließlich Szenen, mal aus dem Film, mal bei Drehpausen, in denen Brigitte Helm im Mittelpunkt steht. Sie ist die engelhafte Maria, die die Kinder der überfluteten Arbeiterstadt vor dem Ertrinken rettet, die fanatische Maschinen-Doppelgängerin, die die Arbeiter zum Aufstand treibt, die tanzende Hure Babylon – wie eben auch die reale Diva, die, umringt von „weniger interessanten“ Kollegen, mit Besuchern des Sets für den Standfotografen posiert. Über Horst von Harbou, der mit seiner Arbeit Fritz Langs Filmbilder kongenial ins andere Medium umzusetzen verstand, ist wenig bekannt. Man weiß, dass er 1879 in Hutta/Posen geboren wurde und 1953 in Potsdam-Babelsberg starb, es gibt ein Werkverzeichnis – das ist fast alles. Für die Geschichte von „Metropolis“ und vor allem die seiner Rekonstruktion waren Harbous Fotos aber von hoher Bedeutung. Sie waren weitgehend in Vergessenheit geraten, bis man in den achtziger Jahren wieder auf einen Satz von drei Alben und etwas 800 Werk- und Standfotos aufmerksam wurde, die Fritz Lang in den fünfziger oder sechziger Jahren der Cinémathèque Française geschenkt hatte. Sie halfen bei der ersten Rekonstruktion des Films 2001, konnten – in den Film hineingeschnitten – eine erste Ahnung von den fehlenden Szenen geben. Der überteure und vor allem überlange Film war kurz nach der Premiere am 10. Januar 1927 im Berliner Ufa-Palast am Zoo von der Ufa um rund ein Viertel gekürzt worden. Das Publikum kam dennoch nicht in Massen, und das herausgeschnittene Material wurde kurzerhand entsorgt. Erst auf der Berlinale 2010 konnte eine nun wieder weitgehend komplette Fassung präsentiert werden, nachdem in einem Filmmuseum in Buenos Aires doch noch eine Kopie des Urfilms gefunden worden war. Parallel wurde eine aufwendige Monografie zu dem weltberühmten, ins „Memory of the World“-Register der Unesco aufgenommenen Film publiziert, in dem sich auch einige der jetzt zur Auktion stehenden Fotos finden – darunter eines, das Brigitte Helm zeigt, umringt von Fritz Lang, Karl Freund und anderen Männern, eingehüllt in einen Umhang, die nackten Füße auf einem Handtuch. Ein sicher nicht sehr angenehmer Drehtag im Herbst 1925, mit viel Bibbern verbunden. Auf dem Plan: die Überschwemmung der Arbeiterstadt.
Villa Grisebach, Fasanenstraße 73, Versteigerung der „Metropolis“-Aufnahmen und anderer Werke der Klassischen und Zeitgenössischen Fotografie am 25.11., 15 Uhr. Vorbesichtigung Di 10–18.30 Uhr, Mi 10–17 Uhr (www.villa-grisebach.de).
Andreas Conrad
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