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artur brauner
© Kai-Uwe Heinrich

Geburtstag: Artur Brauner: Sein letztes Kapitel

Große Filme, Immobilien satt, ein West-Berliner durch und durch. Heute ist Artur "Atze" Brauner 89 - und hoch verschuldet

Der offene Brief vom 13.April, halbseitig als Anzeige im Tagesspiegel abgedruckt, las sich wie ein Hilferuf. Artur Brauner, Berliner Legende, Besitzer eines scheinbar unsinkbaren Immobilienvermögens, steht vor einem Berg von 60 Millionen Euro Schulden – und hat die Ursache für seine prekäre Lage in den turbokapitalistischen Umtrieben der Immobilienbanken ausgemacht. Inzwischen ist offenbar nicht einmal mehr sicher, ob der 89-Jährige sein Haus in der Koenigsallee in Grunewald halten kann. Aber er kämpft, wie er es sein Leben lang getan hat – und will sein wackelndes Imperium durch Gründung einer „Vereinigung zur Bekämpfung der Heuschreckenplage“ stabilisieren.

Der Vorwurf, den Brauner in seinem Brief an die Vorstände des Bankhauses Goldman-Sachs erhebt, lautet so: Das britische Unternehmen habe im Jahr 2005 Interesse an seinem gesamten Immobilienbestand gezeigt. Dies, so Brauner, sei jedoch nur ein Vorwand gewesen, um diese Häuser und ihre finanziellen Hintergründe bis ins Detail auszuforschen. Denn die Engländer kauften später nicht etwa die Immobilien, sondern die notleidenden Kredite, mit denen sie erworben worden waren, und das zu weniger als der Hälfte des Wertes, der sich auf 30 Millionen Euro plus inzwischen vier Millionen Euro Zinsen beläuft. Das alles wollen sie nun eintreiben.

Brauner fühlt sich belogen und aufs Kreuz gelegt und greift nun vor allem auch die Hypo-Vereinsbank an, seine langjährige Hausbank. Denn der hatte er nach eigenen Angaben angeboten, 80 Prozent der Forderungen zu begleichen. Nun steckt er in der Klemme, weil der rettende Verkauf der Häuser an andere Investoren offenbar erst möglich ist, wenn die 34 Millionen abgelöst sind – es ist im Grunde das Gleiche, was zahllosen Häuslebauern passiert, wenn sie ihre Hypotheken nicht mehr bedienen können. Nur ist Brauner eben ein paar Nummern größer – der tragische Fall eines Erzkapitalisten, der gegen den Kapitalismus kämpft, Zusammenbruch oder gütliche Einigung nicht ausgeschlossen.

Die Lage ist jedenfalls so ernst, dass kaum noch ein Journalist das niedliche „Atze“ verwendet, jenen kumpelnden Vornamen, mit dem der erfolgreiche Filmproduzent zur Ikone des West-Berliner Gesellschaftslebens aufstieg, hoch geschätzt selbst von Leuten, die nur vage ahnten, was ein Filmproduzent eigentlich tut. Er wird oft in einem Atemzug mit Rolf Eden genannt, der mit seinen Immobiliengeschäften offenbar auf Dauer besser lag. Zwei Männer, die auf ihre jeweils eigene Art symbolisieren, was im West-Berlin der Nachkriegszeit alles möglich war für jene, die Optimismus, Mut, Zähheit und Beziehungen mitbrachten.

Artur Brauner wurde 1918 im polnischen Lodz geboren als Abraham Brauner – den Namen legte er zu Schulbeginn ab. Nach dem Abitur drehte er 1936 mit einer Gruppe junger Zionisten im Nahen Osten zwei Dokumentarfilme, kehrte zurück und floh nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion – aus seinem Leben und Überleben in diesen Jahren macht er bis heute ein Geheimnis.

Die offizielle Biographie setzt nach dem Krieg ein, als Brauner mit seinem Bruder Wolf nach Berlin reist und unterwegs Therese Albert kennenlernt, die als angeblich „arische Polin“ namens Maria dem Holocaust entgangen war. Ihr Schwager Joseph Einstein ist eine Größe auf dem Berliner Schwarzmarkt, wittert aber auch Chancen im Filmgeschäft und gründet mit Brauner 1946 die Central-Cinema-Compagnie-GmbH, deren Kürzel CCC später weltweit bekannt wurde. 1947 heiraten Artur und Maria Brauner.

„Sag die Wahrheit“ heißt der erste Film, an dessen Produktion Brauner beteiligt ist. Die darin auftretenden Stars Sonja Ziemann, Georg Thomalla und Aribert Wäscher gewinnt er für seine erste CCC-Produktion „Herzkönig“. Beide Filme sind erfolgreich, obwohl Brauner zunächst keine Lizenz der Alliierten besitzt und Strohmänner vorschieben muss. Gute Kontakte zu den russischen Militärbehörden führen dazu, dass er auf einem Freigelände in der sowjetischen Zone den halb autobiographischen Film „Morituri“ drehen darf, der finanziell ein herber Reinfall wird – niemand ist in dieser Zeit am Schicksal einer Gruppe von KZ-Häftlingen interessiert, die nach der Flucht im Wald an der russisch-polnischen Grenzen zu überleben versuchen.

Brauner setzt fortan auf eine Mischung von ambitionierten Projekten und Unterhaltung. Im Rekordjahr 1958 dreht die CCC 19 Filme – es beginnt die Reihe der Großproduktionen mit Regisseuren wie Fritz Lang, Robert Siodmak und Harald Reinl, großes Kino mit Stoffen wie dem „Tiger von Eschnapur“ und dem „Kampf um Rom“. In den Sechzigern schafft es Brauner aber nicht, eine eigene Alternative zum jungen deutschen Film zu etablieren, sondern schwimmt mit Karl-May- und Edgar-Wallace-Produktionen im Kielwasser seines ehemaligen Produktionsleiters Horst Wendlandt; auch ein paar Sexfilme im Stil der Zeit entstehen. Später versucht er sich in TV-Produktionen, doch seine große Zeit ist vorbei. 1965 entlässt er den größten Teil seiner 230 Mitarbeiter, 1970 schließt er das CCC-Studio in Eiswerder ganz. Von 1972 bis 1980 entstehen insgesamt nur noch zehn CCC-Filme, meist in Koproduktion im Ausland.

Doch von Ruhestand ist noch keine Rede. Brauner möchte seine Lebensgeschichte aufarbeiten und beginnt mit den Arbeiten an einem Zyklus von „jüdischen Filmen“ über das Schicksal der Nazi-Opfer, die zum Teil sehr kontrovers aufgenommen werden – am bekanntesten wurde „Hitlerjunge Salomon“, ein Film über einen jüdischen Jungen, der sich unter falscher Identität als Übersetzer bei der Wehrmacht durchschlägt. Durch diesen ambitionierten Zyklus erreicht Brauner immerhin nach 40 Produzentenjahren die Anerkennung, die ihm die Filmkritik bis dahin versagt hatte – 1990 widmet ihm das Filmmuseum Frankfurt eine Ausstellung und erhält sein Archiv zur Auswertung.

Neben all dem wuchs, weit weniger beachtet, das Immobilienvermögen Brauners. Wohnhäuser, viele in bester Ku’damm-Lage, das „Hollywood Media Hotel“ als spektakuläres Einzelobjekt. Doch wie so viele, die in West-Berlin reich wurden, geriet auch er durch die Folgen der Wende ins Schlingern. Der Neubauboom nach der Wiedervereinigung ließ den Wert des Bestands schrumpfen, zahllose Berliner zogen ins Umland. „Fluktuation sondergleichen, Leerstand von rund 20 Prozent und ein Mietrückstände in achtstelligen Eurobeträgen“ – so fasste Brauner 2005 in einem Interview die Ursachen der Misere zusammen. Die Folge: Er geriet in Zahlungsrückstände und in einen kaum noch entwirrbaren Dauerstreit mit Hypothekenbanken, der bis in eine Zwangsversteigerung eskalierte. Dann forderte das Finanzamt rückwirkend mehr als sechs Millionen Euro Gewerbesteuer, ließ eine Hypothek auf Brauners Privathaus eintragen und die Gehälter der Geschäftsführer pfänden. Schließlich erwirkte ein Gegner sogar kurzfristig einen Haftbefehl gegen Brauner im Zusammenhang mit einem Projekt in Hohenschönhausen – ein juristischer Schachzug, um eine eidesstattliche Versicherung zu erreichen.

Brauner kann sich offenbar nur noch sanieren, indem er seinen gesamten Immobilienbestand abstößt. Doch das setzt eine Einigung mit den beteiligten Banken voraus. Der offene Brief war wohl der Versuch, die Verhandlungsposition durch öffentlichen Druck zu verbessern.

Der nächste große, fest gebuchte Termin Artur Brauners hat mit all dem nichts zu tun: Es ist sein 90. Geburtstag am 1. August. Kein Zweifel, dass zumindest der kleinere, familiäre Teil der Feier im hypothekenbelasteten Haus in der Koenigsallee stattfinden wird – jenem Haus, das Brauner einst der Villa von Kirk Douglas nachbauen ließ, als das CCC-Imperium noch blühte.

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