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Namenstage. Nach dem Umbruch wurden viele Straßen in Ost-Berlin umbenannt, die der Stadtplan von 1986 noch zeigt: Aus der Leninallee wurde die Landsberger Allee, aus der Dimitroffstraße die Eberswalder Straße.
© Stadtplan: Senatsverwaltung

Straßenumbenennungen in Berlin: Stadt ohne Plan

Für Straßenumbenennungen gibt es ganz verschiedene Gründe – jeder Bezirk macht es anders. In Pankow entsteht ein Frauenviertel, und manchmal dürfen die Anwohner mitreden.

Sie sollen erinnern, an historische Personen, an historische Augenblicke. Gerade das aber macht Straßennamen so anfällig, auch wieder abgeschafft zu werden. Ändert sich der Blick auf historische Personen und Ereignisse, werden reihenweise Straßen wieder umbenannt – so geschehen zuletzt seit 1990 vor allem im Ostteil der Stadt. Und noch immer gibt es Debatten darüber, wie sich gerade wieder in Pankow zeigt. Dort soll – wie berichtet – die Berliner Straße in Heinersdorf nach Tino Schwierzina, dem ersten frei gewählten Bürgermeister Ost-Berlins, umbenannt werden. Ungewöhnlich ist das nicht wegen der üblichen Anwohnerproteste, sondern weil es sich beim Namenspatron um einen Mann handelt.

In Pankow entsteht ein Viertel mit nach Frauen benannten Straßen

Im Bezirk Pankow soll bald ein ganzes Frauenviertel entstehen – zumindest auf der Straßenkarte. Im Viertel mit durchnummerierten Straßen südöstlich der Blankenburger Chaussee sollen 15 Straßen ausschließlich Frauennamen erhalten – um der Gleichstellung in der eindeutig männerdominierten Straßennamenbilanz zumindest etwas näher zu kommen. Ziel ist es laut einem Antrag der SPD-Fraktion, „den Anteil der ,Frauenstraßen’ im Bezirk zu erhöhen und die Öffentlichkeit für die Thematik zu sensibilisieren“.

Diese Thematik ist häufig umstritten. Im Frühjahr kämpfte das Jüdische Museum darum, seinen Vorplatz nach dem Philosophen und Aufklärer Moses Mendelssohn benennen zu dürfen. Doch in Friedrichshain-Kreuzberg nimmt man die Frauenquote ziemlich ernst, hat sie sogar in der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen. Andere Bezirke sehen das nicht ganz so eng. Zwar bemühen sich auf dem Papier alle um eine Mann-Frau-Ausgewogenheit – aber nicht in allen Fällen. „Wir machen da viele Ausnahmen“, sagt Jens-Holger Kirchner, Stadtentwicklungsstadtrat in Pankow. So wie für Tino Schwierzina.

In Kreuzberg geht man bei den Straßenbenennungen Kompromisse ein

Pech für das Museum also, dass es nicht in Pankow angebaut hat, sondern in Kreuzberg. Der inzwischen gefundene Kompromiss ist eine sperrige Doppellösung. Die Ehefrau Mendelssohns kommt einfach mit auf das Straßenschild: Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz.

In den vergangenen Jahren gab es bei fast allen Umbenennungen Proteste der Anwohner. Ihre Meinung spielt aber selten eine Rolle, wenn sich eine Bezirksverordnetenversammlung über einen neuen Namen einig ist. So war es auch bei der Rudi-Dutschke-Straße in Kreuzberg. Dort sprachen sich zwar die Anwohner gegen die Umbenennung eines Teilstücks der Kochstraße aus, die Teilnehmer eines Bürgerentscheides stimmten aber dafür. Die Straße erhielt den neuen Namen.

Bürgerbeteiligung gibt es nur in wenigen Berliner Bezirken

Bei der Treitschkestraße in Steglitz durften sich die direkten Anwohner für oder gegen eine Umbenennung aussprechen. Schon das ist aber nicht in jedem Bezirk üblich. Der Historiker Heinrich von Treitschke ist wegen seiner antisemitischen Ansichten für viele als Namensgeber seit langem untragbar. Trotzdem wollten die Anwohner den Namen behalten.

Diese Chance der Mitbestimmung erhalten die Anwohner der Einemstraße zwischen Nollendorf- und Lützowplatz nicht. Die Bezirke Tempelhof-Schöneberg und Mitte beschlossen, die in den 30er-Jahren nach dem früheren Preußischen Kriegsminister Karl von Einem benannte Straße umzubenennen. Sie soll den Vorkämpfer der Homosexuellen-Bewegung Karl Heinrich Ulrichs ehren.

Friedrichshain erinnert an ermordeten Antifaschisten

In anderen Fällen werden Straßenschilder genutzt, um an Opfer von Gewalttaten zu gedenken. Im April bekam Friedrichshain eine Silvio-Meier-Straße. Der Antifaschist und Aktivist Silvio Meier wurde im November 1992 auf dem U-Bahnhof Samariterstraße von Neonazis ermordet. Sein Name ist seither Symbol für den Kampf gegen rechte Gewalt.

Maueropfer Peter Fechter bekommt hingegen keine nach ihm benannte Straße. Der Plan, die Zimmerstraße in Peter-Fechter-Straße umzutaufen, wurde abgelehnt, stattdessen will der Bezirk Mitte den Platz um die Gedenkstele Fechters neu gestalten.

Vorschläge, eine Straße Jonny K., der am Alexanderplatz zu Tode geprügelt wurde, zu widmen, können noch nicht umgesetzt werden. In Berlin müssen nach dem Tod fünf Jahre vergangen sein, um mit einer Straße geehrt zu werden.

Veronique Rüssau

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