Nach dem Erfolg des Volksbegehrens: Stadt, Land, Tempelhof
Das Volksbegehren gegen eine Bebauung des ehemaligen Flughafengeländes war nur im Umfeld des Areals erfolgreich. Das könnte beim nächsten Wahlgang zum Problem werden.
Die Stadt ist gespalten. Während in den drei Berliner Bezirken rund um den ehemaligen Flughafen Tempelhof jeweils mehr als 30 000 Menschen das Volksbegehren gegen eine Bebauung des Areals unterstützen, kann sich in den weiter entfernten Bezirken dafür offenbar kaum jemand begeistern. Zwischen 1,5 und 6,7 Prozent dümpelt in Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf, Spandau oder Mitte die Zustimmung zur Initiative. In Friedrichshain-Kreuzberg, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln hingegen unterstützten zwischen 15,8 und 18,6 Prozent der Wahlberechtigten die Bürgerinitiative „100 % Tempelhofer Feld“.
Beim Volksentscheid sind die Hürden höher
Insgesamt reichten diese Stimmen zumindest für die erste Hürde: 185 328 gültige Zustimmungserklärungen haben die Bezirke gezählt, wie die Landeswahlleiterin am Dienstag bekannt gab – 11 211 mehr als erforderlich. Damit ist der Weg für einen Volksentscheid, dessen Ergebnis für das Land bindend wäre, so gut wie frei. Zuvor muss sich zwar noch das Abgeordnetenhaus mit der Gesetzesinitiative befassen, auf die geplante Randbebauung zu verzichten. Da dies angesichts der Parlamentsmehrheiten aber keine Aussichten auf Erfolg hat, ist ein Volksentscheid der nächste Schritt. Hier stünde voraussichtlich neben der Baustopp-Forderung der Bürgerinitiative auch ein Gesetzentwurf des Landes Berlin zur Abstimmung, der sicherstellen soll, dass das Areal am Rande bebaut werden kann – unter anderem mit 4800 Wohnungen im unteren bis mittleren Preissegment – und dass zugleich 230 Hektar Innenfläche unbebaut bleiben, wie Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) bekräftigte.
Ob „100 % Tempelhofer Feld“ Erfolg hat, hängt im Wesentlichen davon ab, wieweit sich bis zum Abstimmungstag mehr Berliner als bisher für das Anliegen begeistern lassen. Denn während beim Volksbegehren die Zustimmung von sieben Prozent der Stimmberechtigten für einen Erfolg ausreichte, sind beim Volksentscheid die Hürden deutlich höher. Für eine Annahme müssen die Mehrheit der Teilnehmer und zugleich mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten zustimmen. An diesem Quorum war gerade erst im Oktober der Energie-Volksentscheid über ein Öko-Stadtwerk gescheitert: Statt 25 stimmten nur 24,1 Prozent der Abstimmungsberechtigten mit „Ja“. Dass der Tempelhof-Volksentscheid mehr Menschen mobilisiert, erscheint angesichts der am Dienstag bekannt gegebenen Beteiligung am Volksbegehren illusorisch – zumindest bislang.
Zwei Faktoren bestimmen den Ausgang
Zwei Faktoren dürften in den kommenden Wochen die Wahlbeteiligung entscheidend bestimmen. Zum einen der Wahltermin. Den muss der Senat auf einen Tag zwischen Ende April und Anfang Juni legen. Die Unterstützer des Volksbegehrens, die Opposition, aber auch Teile von SPD und CDU sind dafür, dass der Entscheid auf den Tag der Europawahl gelegt wird, den 25. Mai. Das könnte viele bislang noch unentschlossene Bürger zu einer Stellungnahme zum Tempelhofer Areal bewegen. Bis Mitte Februar will der Senat bekanntgeben, an welchem Tag der Volksentscheid stattfindet.
Ähnlich wichtig für den Ausgang der Abstimmung ist Frage, wieweit es Unterstützern und Gegnern in den kommenden Wochen gelingt, die Zustimmung der Bürger zu gewinnen – und auch diejenigen Berliner für das Thema zu begeistern, die weit vom einstigen Flughafen entfernt wohnen und denen dessen Zukunft bislang egal war. Eine ebenfalls relevante Rolle spielt dabei auch die Frage, ob es vielleicht noch einen „dritten Weg“ gibt, wie ihn zum Beispiel die Grünen am Dienstag ins Gespräch brachten. Sie wollen in den kommenden Wochen einen Kompromissvorschlag vorlegen, der „zwischen den überdimensionierten Bauplänen von Senator Müller und der Nulllösung der Initiative“ liegt. Viel Stoff für Diskussionen – auch innerhalb der Regierungskoalition. Während SPD-Landeschef Jan Stöß am Dienstag kämpferisch eine „offensive Auseinandersetzung“ ankündigte, will die CDU über eine Bürgerbeteiligung eine möglichst harmonische Lösung für das Areal finden.