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Rund eine halbe Milliarde Euro fällt aus dem Länderfinanzausgleich für Berlin weg, weil rund 180 000 Menschen weniger in Berlin leben als angenommen.
© Jens Kalaene/ dpa

Haushaltsdefizit nach Zensus 2011: SPD befürchtet Milliardenloch im Berliner Haushalt

Berlin ist mit 63 Milliarden Euro eh schon hoch verschuldet. Nach dem Zensus fehlen Berlin weitere 500 Millionen Euro. Nun könnten andere Faktoren, wie die sinkenden Mittel aus dem Solidarpaket, ein weiteres Milliardenloch im Berliner Haushalt reißen, befürchtet die rot-schwarze Koalition.

Die Finanzsituation in Berlin nach dem Ergebnis der Volkszählung ist bitterernst. CDU-Fraktionschef Florian Graf sprach von einer „absoluten Hiobsbotschaft“. Der SPD-Haushälter und parlamentarische Geschäftsführer Torsten Schneider fordert, die bisher erlaubte Steigerung der jährlichen Ausgaben von 0,3 Prozent „auf Nulllinie“ zu reduzieren. Die Ausgaben des mit 63 Milliarden Euro verschuldeten Landes weiter zu reduzieren, ist politisch sowohl für SPD als auch CDU schwierig. Zum Teil sind es wie bei den Sozialausgaben gesetzlich verankerte Leistungen. Jetzt stehen Großprojekte auf dem Prüfstand. Schneider fordert, „mehr Einnahmen zu generieren. Das ist der strategische Hebel“. Dazu zählt laut Schneider auch eine Beteiligung des Landes Berlin am Stromnetz wegen einer Renditenerwartung von mehr als neun Prozent.

5,2 Prozent oder 178 000 weniger Einwohner leben laut Volkszählung in Berlin als bisher angenommen. Dadurch werden die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich, der sich nach der Einwohnerzahl richtet, dauerhaft auf etwa 500 Millionen Euro pro Jahr sinken. Hinzu kommt, dass Berlin durch eine Klage der Länder Bayern und Hessen gegen den Länderfinanzausgleich möglicherweise Gelder zurückzahlen muss. Bis 2020 werden auch die Mittel aus dem Solidarpakt auf null reduziert. In diesem Jahr erhält Berlin noch 1,24 Milliarden aus dem Topf. Haushälter erwarten zudem, dass auch die Zinsbelastung von derzeit 2,3 Milliarden Euro in den nächsten Jahren auf 3,3 Milliarden ansteigen wird. Und ein weiteres finanzielles Ausgabenrisiko sind die Personalkosten und steigende Gehälter. Intern geht man bis Ende des Jahrzehnts von einer Milliarde Euro mehr für Personalkosten aus. Insgesamt liegen die Personalkosten in Berlin derzeit bei 6,8 Milliarden Euro.

Bis 2017 sollen die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst genauso viel verdienen wie ihre Kollegen in den anderen Bundesländern. Derzeit liegt das Niveau bei 97 Prozent. Berlin muss sich den Wiedereinstieg in die Tarifgemeinschaft etwas kosten lassen: Jeder Prozentpunkt für die rund 57 000 Beschäftigten schlägt mit ungefähr 20 Millionen Euro jährlich zu Buche. Politischer Wille der Koalition ist es zudem, im nächsten Doppelhaushalt 2014/2015 höhere Gehälter für die 68 000 Landesbeamten einzuplanen. Die CDU fordert eine Erhöhung von 3,45 Prozent, in der SPD gibt es Überlegungen zwischen 2 und 2,5 Prozent. Im Haushaltsentwurf sind nach Tagesspiegel-Informationen zwei Prozent als Vorsorge eingestellt. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) rechnete vor, ein Prozent mehr Beamtenbesoldung bedeute für das Land 42 Millionen Euro mehr an Personalkosten.

Zwischen Nußbaum und den Senatsverwaltungen laufen zurzeit die Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2014/2015, den der Senat im Juni noch verabschieden will. Die SPD- und die CDU-Fraktion erwartet jedoch, dass Nußbaum nach dem Zensusergebnis eine aktuelle Finanzplanung vorlegt. Und die Haushälter gehen auch davon aus, dass Berlin für das laufende Jahr noch einen Nachtragshaushalt verabschieden muss.

Aber wo kann noch gespart werden in den 4000 Haushaltstiteln? Nußbaum mahnte schon zur Mäßigung bei seinen Senatskollegen. Großprojekte werden jetzt ins Visier genommen. Wie berichtet steht die 56 Millionen Euro teure Internationale Bauausstellung 2020 auf dem Prüfstand. Auch in der SPD mehren sich die Stimmen, an dem Projekt nicht mehr festhalten zu müssen. Auch hinter der für das Jahr 2017 geplanten Internationalen Gartenausstellung (IGA) steht ein Fragezeichen. Die IGA soll rund 27,5 Millionen Euro kosten. Politisch heikel ist die 270 Millionen Euro teure Landeszentralbibliothek, ein Wunschprojekt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). Die CDU sieht das Vorhaben in ferne Zukunft gerückt, die SPD hält vordergründig daran fest, um Wowereit nicht zu schaden. Aber mit wie viel Nachdruck die Sozialdemokraten das Projekt verfolgen oder verschieben werden, wird sich zeigen. Am Freitag trifft sich die SPD-Fraktion zur Haushaltsklausur.

Der Senat will den Haushaltsentwurf am 18. Juni verabschieden. Doch das letzte Wort werden die Fraktionen, die Haushaltsgesetzgeber, nach der Sommerpause haben.

Sabine Beikler

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