Reformsache Berlin: Sparen, trauen, Häusle bauen
Stadt der Singles: Die Hälfte der Berliner Haushalte besteht aus einer Person. Stadt der Mieter: 87 Prozent besitzen kein Wohneigentum. Schlecht für die Landeskasse. Senator Nußbaum fordert: Weg vom subventionierten Wohnraum.
Der Mieterverein hält die Idee für einen „Griff in die Mottenkiste“. Für Finanzsenator Ulrich Nußbaum dagegen ist es eine attraktive Möglichkeit, in Berlin neuen Wohnraum zu schaffen – und gleichzeitig das Land zu entlasten: das Wohneigentum. In der Hauptstadt leben immer noch 87 Prozent der Bewohner zur Miete – im internationalen, aber auch im nationalen Vergleich eine hohe Quote. Berlin wurde im Zuge der industriellen Revolution eine Mieterstadt und ist es geblieben. „Warum?“, fragt Nußbaum. „Das sei historisch gewachsen, reicht mir als Begründung nicht aus.“
Er selbst vermutet eine ganz andere Ursache: „Ich glaube, es liegt vor allem daran, dass in Berlin immer noch so viel Wohnraum äußerst preiswert zur Verfügung steht.“ Kaum ein wirtschaftlicher Anreiz für Mieter, sich Wohneigentum anzuschaffen, auch wenn sie das nötige Geld hätten „wie im Schwabenland und anderswo“. Der Finanzsenator kommt aus Bremen, da liegt die Wohneigentumsquote noch deutlich höher als in Stuttgart, nämlich bei 37 Prozent. Für den Senat und die Regierungsfraktionen SPD und Linke spielt die Eigentumsbildung bisher eine randständige Rolle. Die Wohnungspolitik von Rot-Rot orientiert sich an den hunderttausenden sozial schwachen Mietern der Stadt, die auf billigen Wohnraum angewiesen sind.
Dagegen hat Nußbaum ja auch nichts. Aber er will das eine tun, ohne das andere zu lassen. „Es ist doch ein typisches Totschlagargument, dass der frei finanzierte Wohnungsbau und mehr Wohnungseigentum die sozial Schwachen aus den Innenstadtbezirken vertreiben“, sagt er. Das Land Berlin habe sechs große Wohnungsbaugesellschaften mit 270 000 Wohnungen und kontrolliere damit ein Siebtel des Berliner Wohnungsmarkts. Es gebe auch große private Investoren, die neuen Wohnraum bauten und alte Bestände sanierten „und die keine Heuschrecken sind“. Kürzlich warb der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen damit, dass in den 664 000 Berliner Wohnungen ihrer städtischen und privaten Verbandsmitglieder die Durchschnittsmiete von 4,69 je Quadratmeter (netto kalt) soziale Maßstäbe setze. Sie liege noch unter den Mittelwerten des Mietspiegels.
Nimmt man alle 1,9 Millionen Mietwohnungen in Berlin, vom Luxusappartement in Mitte bis zum unsanierten Altbau in Neukölln, so werden durchschnittlich 5,71 Euro gezahlt. Davon lässt sich in Hamburg, München oder Frankfurt am Main, erst recht in London oder Paris nur träumen. Wer irgendwie kann, der kauft sich dort etwas. Ulrich Nußbaum glaubt, dass auch in Berlin mittelfristig großstädtische Normalität einkehren wird. „Je mehr wir Weltstadt werden, werden sich auch die Kosten metropolengerecht entwickeln. Das ist nur eine Frage der Zeit.“
Ihm geht es darum, und das eint ihn mit seinem Amtsvorgänger Thilo Sarrazin, alte Gewohnheiten der Berliner aufzubrechen. Das gelte auch fürs Wohnen in einer Millionenstadt. Nußbaum: „Wer sagt eigentlich, dass es Berlin nur zur Miete geben muss? Es müsste doch möglich sein, zusätzlich fünf bis zehn Prozent der Hauptstädter ins Eigentum zu bringen.“ Damit meint er nicht zuerst den klassischen Häuslebauer am grünen Stadtrand. Genossenschaftliche Ansätze findet er gut, auch die neuen Baugemeinschaften und Baugruppen, über die koalitionsintern lange diskutiert wurde. Die entwickeln sich nun zum Erfolgsmodell.
Bei den Baugruppen geht es um bezahlbares Wohneigentum in City-Regionen; Menschen mit Kindern werden bevorzugt, das Land hilft bei der Suche nach günstigen Grundstücken. Der Finanzsenator mahnt allerdings Vertragsklauseln an, die verhindern, dass solche Vorzugsimmobilien nach ein paar Jahren gewinnbringend weiterverkauft werden.
Ansonsten ist er für jede gute Idee zu haben, die hilft, teure Mietsubventionen abzubauen.