Brennpunkt Alexanderplatz: Sozialarbeiter sollen gegen Gewalt am Alex helfen
Immer wieder eskaliert am Berliner Alexanderplatz die Gewalt, oft unter Flüchtlingen. Nun soll neben Polizei auch ein Jugend-Treffpunkt die Lage entspannen.
Noch ist es friedlich auf dem Alex. Am Freitagvormittag um elf ist Deutschlands größter Platz voll mit Touristen, Tauben und Stadtrundfahrt-Verkäufern. Dass dies der gefährlichste Ort Berlins sein soll – schwer zu glauben. Laut Statistik aber registriert die Polizei hier jeden Tag zwei Körperverletzungen und sieben Diebstähle. Vergangenes Jahr zählte sie 7820 Straftaten. Und das sind nur die, die gemeldet wurden.
Gewalt gab es am Alex schon immer. Neu hingegen ist, dass dafür immer häufiger Jugendliche mit Migrationshintergrund verantwortlich sein sollen. Die „Berliner Zeitung“ berichtet von einem internen Schreiben der Polizei, wonach zuletzt überwiegend junge Mehrfachtäter aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und Pakistan Straftaten am Alex verübt haben. Vor allem unter Alkohol- und Drogeneinfluss sei eine gesteigerte Gewaltbereitschaft feststellbar. Tatsächlich meldet die Polizei immer häufiger Massenschlägereien am Alex. Vor wenigen Tagen gingen etwa 20 junge Männer aus zwei Gruppen teils mit Flaschen aufeinander los, konnten jedoch fliehen, bevor die Polizei eintraf.
Auch die Bars und Restaurants rund um den Fernsehturm bleiben nicht verschont. Ein Restaurantbesitzer klagt darüber, dass seit einigen Monaten jede Nacht eine Gruppe Jugendlicher auf der Terrasse des Restaurants hause. „Sie essen hier, sie pinkeln und scheißen“, sagt der Mann, der anonym bleiben möchte. Jeden Morgen müssen seine Mitarbeiter die Jugendlichen von der Terrasse vertreiben. Einige zögen freiwillig ab, andere aber provozierten, spielten mit ihren Messern und ließen Decken und Speisekarten mitgehen. Ein paar Meter weiter betreibt der Mann eine Eisdiele, in die einige aus der Gruppe eingebrochen hätten. Sie konnten durch Überwachungskameras identifiziert und von der Polizei gestellt werden. Daher wisse der Restaurantbesitzer auch, dass es sich um Jugendliche aus Syrien handle. „Sie kommen meist abends und fangen an zu trinken und Drogen zu nehmen.“ Seiner Meinung nach helfe gegen die Gewalt nur mehr Polizeipräsenz, vor allem nachts.
Auch im Restaurant „Alex“ ein paar Meter weiter hat man schlechte Erfahrungen gemacht. „Es wird immer schlimmer“, sagt der Besitzer Torsten Gross-Demtroeder. Vor etwa einem Jahr habe eine Gruppe Jugendlicher ihn brutal zusammengeschlagen, weil er sie von seiner Terrasse vertreiben wollte. Daraufhin habe er seine Schließzeiten um eine Stunde vorverlegt. Seine Angestellten lasse er nach Feierabend nur noch mindestens zu zweit zur S-Bahn gehen.
Dass es so nicht weitergehen kann, hat nun auch die Innenverwaltung erkannt und rüstet die Berliner Polizei seit diesem Jahr kräftig auf. Die knapp eine Million Euro teure Polizeiwache zwischen Weltzeituhr und U-Bahn-Eingang soll noch dieses Jahr bezogen werden. Weiterhin wurden für 180.000 Euro zwei mobile Kamerawagen angeschafft, die sich gerade in der Testphase befinden. Seit Mittwoch ist zudem die neue Ermittlungsgruppe „Alex“ im Einsatz. Die Kripo-Beamten in Zivil haben dabei vor allem kriminelle Jugendliche mit Migrationshintergrund im Fokus.
Damit diese gar nicht erst in die Kriminalität hinein rutschen, steht den Jugendlichen seit gestern ein neues Angebot mit dem Namen Jara (Jugendaktionsraum am Alexanderplatz) zur Verfügung. Der Containerbau mit vergitterten Fenstern steht zwischen Fernsehturm und Neptunbrunnen, direkt am Baustellengelände der U5. Die Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Sandra Scheeres (SPD), eröffnete ihn mit den Worten: „Es kann nicht sein, dass am Alexanderplatz ein Klima der Angst herrscht.“ Das Projekt richte sich speziell an Jugendliche mit Migrationshintergrund. Man wolle verhindern, dass friedliche junge Menschen, die ihre Zeit am Alex verbringen, in einen Sumpf aus Kriminalität gezogen werden. An vier Tagen pro Woche bieten zwei Mitarbeiter des gemeinnützigen Vereins Moabiter Ratschlag den Jugendlichen Freizeit-, Beratungs- und Begegnungsmöglichkeiten. Freitags und samstags schließt der Container um 21 Uhr, unter der Woche bereits 20 Uhr. In den kritischen Stunden danach „macht Prävention keinen Sinn, dann räumen wir das Feld für die Polizei“, sagte der Sozialarbeiter Tino Kretschmann vom Moabiter Ratschlag, der auch bisher schon für das Platzmanagement verantwortlich war. Ob die Jugendlichen das Angebot annehmen und ob der Alex dadurch ein Stück sicherer wird, muss sich zeigen. Jara läuft vorerst bis Ende 2018 und wird von der Senatsverwaltung mit 140.000 Euro finanziert.