Fotografin Alessandra Mannisi: "Souls in a Box": So wohnen Kreative in Berlin
Für ihre Bilderserie „Souls in a Box“ fotografiert Alessandra Mannisi kreative Berliner in ihren Wohnungen. Es sind Menschen, die für sich entschieden haben: So will ich sein. Wir stellen in loser Folge einige vor.
Alessandra Mannisi klickt sich durch die Bildergalerie auf ihrem Laptop. Bei den Fotos eines jungen Mannes bleibt sie hängen. „Das hier war ein total sauberer, ordentlicher Typ. Aber auch ein Sammler von Seltsamkeiten“, sagt die 28-jährige Fotografin aus Neukölln. Wie alle anderen Menschen, die sie porträtiert, hat sie ihn in seinem Zuhause besucht. Dort hatte alles seinen Platz, alles sehr gepflegt. „Nur – die Sachen, die er gesammelt hat, mussten voller Staub sein“, sagt Mannisi. Alte Apothekenfläschchen, verblassende Fotos und ausgestopfte Tiere waren gleichmäßig mit einer feinen Schicht bedeckt. „Ich fand es faszinierend, wie viel Wert er auf seinen Staub gelegt hat und auf all die alten Erinnerungen“, sagt Mannisi.
Für ihre Fotoserie „Souls in a Box“ hat die Fotografin kreative Menschen in ihren Berliner Wohnungen besucht und dort alle möglichen Kuriositäten gesucht und gefunden. Der Kerzenständer in der Wohnung eines Künstlerpaars etwa, mit Puppenköpfen besetzt statt mit Kerzen. Ganze Baumstämme samt Astgabel in Zimmerecken, aufblasbare Geschlechtsteile oder der antike Vogelkäfig, der im Wohnzimmer eines jungen Mannes von der Decke hängt. Es sind faszinierende Lebensräume – wohl nicht jeder kann sich vorstellen, so zu leben. Zwischen Wänden, in allen nur denkbaren Farben bemalt und mit Tüchern verhangen, in Zimmern, oft bis unter die Decke gefüllt mit Mitbringseln aus aller Welt.
Der Tagesspiegel zeigt die Bilder in einer kleinen Serie und erzählt die Geschichten der Menschen in ihren Wohnungen.
Alessandra Mannisi will 100 Menschen porträtieren
Für Allessandra Mannisi ist es eine „anthropologische Studie“, wie sie sagt. Sie porträtiert Menschen, die eine Entscheidung gefällt haben: So will ich sein und so will ich leben, in einer globalisierten Welt, in der so ziemlich alles denkbar ist. „Wir sind vielleicht die erste Generation, die wirklich frei entscheiden kann, wer sie sein will“, sagt sie. Mannisi möchte die kennenlernen, die sich etwas trauen. Berlin, wo sie vor etwa drei Jahren eher zufällig nach einer Busreise durch Europa landete, ist für ihre Suche offenbar ein guter Ort. Ihr Ziel ist es, auf 100 Porträts zu kommen – dann möchte sie ein Buch mit den Fotografien veröffentlichen. Momentan ist sie bei knapp 40.
Nummer 50 soll ihr eigenes Zimmer werden, in der WG in Neukölln, wo sie seit zwei Jahren mit zwei Mitbewohnern und einem Hund lebt. Das Bett in der Ecke ist mit Tüchern verhangen. Darüber baumelt eine aufblasbare Weltkugel, leicht verknautscht. Mannisi thront am Schreibtisch inmitten ihrer Sammlung von Steinen, Muscheln und Schmuck, die sich zwischen Fotos in den Wandregalen türmen. Auch in ihre langen Dreadlocks hat Mannisi Steine und Muscheln eingearbeitet, die sie von ihren Reisen mitgebracht hat. Geboren und aufgewachsen ist Mannisi in einer kleinen Stadt nahe Palermo, „einem sehr langweiligen Ort“, wie sie sagt. Sie konnte es kaum erwarten, dort rauszukommen. Mit dem Schmuck in Ober- und Unterlippe, in den Ohren, am Arm, den großen Ringen an den Fingern, den Tattoos, die durch die Löcher in ihrer dunklen Leggins blitzen, fiel sie in der Kleinstadt einfach zu sehr auf. Sobald sie 18 Jahre alt war, ist sie nach Rom gezogen.
Die Fotografin wird für Festivals und Partys gebucht
Zunächst wollte sie so viele Leute wie möglich kennenlernen. „Durch andere Menschen kann man die verschiedensten Sichtweisen erleben, wie die Welt ein besonderer Ort sein kann“, sagt sie. So begann auch ihr Interesse an Lebensräumen, wenn sie Menschen besuchte, die in Lagerhallen wohnten, in Bussen, in Künstler-WGs. Das Fotografieren hat sie sich nach einem Schmuckdesign-Studium selbst beigebracht und lebt nun davon, für Partys und Festivals gebucht zu werden. Von Rom ging es nach London, dann nach Berlin. Dort hat sie angefangen, ihre Idee zur Fotoserie umzusetzen. Der erste Porträtierte war ein junger Modedesigner in seiner Wohnung in der Landsberger Allee – der mit dem Vogelkäfig, daneben ein altes Telefon mit Wählscheibe, extravagante Masken, auf Lampenschirmen drapiert, altmodische Parfumfläschchen. Ein bisschen funktionieren Mannisis Fotos wie Suchbilder: Was gibt es Kurioses zu entdecken? Und wie fügt sich der Mensch in den Lebensraum ein?
Alessandra Mannisi sagt den Leuten vor dem Fototermin, sie sollten dafür sorgen, dass sie sich selbst möglichst wohlfühlen. So kommt es vor, dass ihr Modell einen goldenen Turban trägt, um die Augen großflächig Pink aufgetragen und im ganzen Gesicht schwarze Punkte verteilt hat. Mannisi lacht, als sie die Fotos der jungen Frau zeigt. „Ich hab ihr gesagt, sie soll einfach ganz normal sein.“ Und normal ist für Alessandra Mannisis Modelle einfach das, was jeder selbst dazu macht.
Weitere Aufnahmen, die Alessandra Mannissi von ungewöhnlichen Berliner Wohnungen und ihren Gestaltern gemacht hat, gibt es auf ihrer Website zu sehen: www.soulsinabox.tumblr.com
Die Fotografin sucht weitere Modelle, die sie in möglichst kreativen Lebensräumen aufnehmen kann. Zu erreichen ist sie per E-Mail unter der Adresse: alessandramannisi11@gmail.com.