Berlin: Soll es ein Händlerverbot am Holocaust-Mahnmal geben?
Es gibt in Berlin einige, wenige Orte, an denen es die Pietät gebietet, dass man sich seine aufschiebbaren weltlichen Gelüste verkneift: Man isst keinen Döner in der Kirche. Man verzehrt keine Pommes beim Rundgang durch die Stasi-Gedenkstätte.
Es gibt in Berlin einige, wenige Orte, an denen es die Pietät gebietet, dass man sich seine aufschiebbaren weltlichen Gelüste verkneift: Man isst keinen Döner in der Kirche. Man verzehrt keine Pommes beim Rundgang durch die Stasi-Gedenkstätte. Und man geht auch nicht zum sowjetischen Ehrenmal, um sich kitschige Andenken anzuschauen. Wieso um alles in der Welt muss man also gerade am Holocaust-Mahnmal, der zentralen Gedenkstätte für die ermordeten Juden, futtern und Souvenirs kaufen dürfen, als handele es sich bei der Hannah-Arendt-Straße um eine x-beliebige Einkaufsmeile? Nur wenige hundert Meter südlich kann jeder schlemmen und kaufen, was das Portemonnaie hergibt – dafür wurde das neue Stadtviertel am Potsdamer Platz gebaut. Das Holocaust-Mahnmal jedoch dient einem anderen Zweck. Es soll zum Nachdenken anregen und an den Massenmord an europäische Juden erinnern. Es soll Besuchern einen Raum geben, in dem sie ungewöhnliche sinnliche Erfahrungen machen können. Das funktioniert nur, wenn dieser Raum nicht durch stinkende Wurstbuden, schmatzende Fastfood-Esser und aufdringliche Souvenirhändler besetzt ist. Wer einmal am frühen Morgen vor dem Ansturm der Touristen alleine durch das Stelenfeld gegangen ist, bekommt eine Ahnung davon, welche Kraft das Mahnmal haben kann, wenn man es nur lässt.
Das Bezirksamt Mitte will die Würde eines Ortes retten, die nicht zu retten ist. Um Würstchenbuden wegzubekommen, bemüht die Baustadträtin die politische Korrektheit: Wo der ermordeten Juden Europas gedacht wird, ist Hunger fehl am Platz. Aber das Mahnmal ist als solches längst gescheitert. Offenbar wollte sein Architekt Peter Eisenman, dass sich dort die Banalität des Alltagslebens breit macht. Jedenfalls verhalten sich die meisten Leute wie Touristen an einem interessanten Ort: Sie wandeln herum, hüpfen auf die Stelen, erholen sich, spielen Verstecken. Dabei merken viele – Henryk M. Broder hat es in dieser Zeitung am Freitag wunderbar deutlich gesagt –, dass das Mahnmal ein gefühlskalter Ort ist. Ginge es wirklich darum, die Erinnerung an die ermordeten Juden wachzuhalten und schmerzhaft an die deutsche Schuld zu erinnern, müsste man dieses Mahnmal abreißen und den Streit darüber weiter treiben. Aber dann würde man alle verletzen, die es mit der deutschen Verantwortung für Israel gut meinen und in einem ästhetischen Großkunstwerk deren symbolischen Ausdruck sehen. Also ist ein Abriss unmöglich. Doch ist es besser, bei einer Bratwurst und einem Bier über das Versagen dieser Gedenkarchitektur nachzudenken als auf den Stelen die Beine hochzulegen und zu fragen: Denkmal erledigt, was machen wir jetzt? Werner van Bebber
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