Münchener Freiheit: So lang man Achtziger noch hören kann - vor fünf Jahren
Vor fünf Jahren wurde die Die Münchener Freiheit 30 und spielte im Tempodrom. Was Christian Helten darüber schrieb
Vor etwas mehr als einer Woche haben Virginia Jetzt! ihr letztes Konzert gegeben und sich aufgelöst. Was die Berliner Indie-Pop-Bilderbuchband mit der in die Jahre gekommenen Münchener Freiheit zu tun hat? Sie ist vielleicht der beste Beweis dafür, dass die Münchener Freiheit doch etwas mehr sein muss als die Schlagertruppe, die mit ihren freundlichen Melodien Ü-30-Partys und Hausfrauenradios beschallt. Sonst hätte die Berliner Band den Freiheit-Sänger und Keyboarder Stefan Zauner wohl kaum gebeten, ihr Album „Blühende Landschaften“ mitzuarrangieren und sogar darauf mitzusingen. Sonst hätte wohl auch Jochen Distelmeyer, der ehemalige Blumfeld-Sänger und Klassensprecher der Hamburger Schule, die Münchener Freiheit nicht als seine Lieblingsband und sein Vorbild bezeichnet.
Stefan Zauner und Aron Strobel gründeten die Münchener Freiheit 1980. Der Name ist einem Platz in München-Schwabing entliehen, in der Mitte der Leopoldstraße, dem Boulevard der damaligen Schickeria. Zauner wohnte in der Nähe. 1984 schaffte die Band es erstmals in die Charts, der große Durchbruch kam 1986 mit der Single „Ohne Dich (schlaf' ich heut' Nacht nicht ein)“. Das Lied stand wochenlang in den deutschen Top 10, 2008 wurde es in das Buch „Die 100 Schlager des Jahrhunderts“ aufgenommen, und es wird noch heute so oft gespielt, in österreichischen Après-Ski- Bars genauso wie auf Dorffesten in Schleswig-Holstein, dass die Band wahrscheinlich allein davon einen komfortablen Lebensabend finanzieren kann.
Doch sich zur Ruhe zu setzen, das liegt der Münchener Freiheit fern. Am ersten Oktober erschien das neue Album, pünktlich zum 30. Bandjubiläum. „Ohne Limit“ heißt es, und vielleicht soll dieser Titel auch signalisieren, dass es noch lange nicht die letzte Platte der Münchener Freiheit sein wird. Was leicht in Vergessenheit gerät: Die Band war eigentlich nie von der Bildfläche verschwunden. Auch wenn nach den großen Hits der Achtzigerjahre die ganz großen Erfolge ausblieben, sind seit 1982 nie mehr als drei Jahre vergangen, ohne dass ein neues Studioalbum der Münchener Freiheit erschienen wäre. 17 Stück sind es mittlerweile, mehr als fünf Millionen Tonträger wurden bisher verkauft. Und man kann sich vorstellen, dass die fünfköpfige Band aus Schwabing einfach immer so weiter macht, Album um Album produziert, bis sie ihre Instrumente nicht mehr halten können und sie auch in diesem Jahrhundert noch ins Schlagerbuch kommen. Warum auch nicht? Die Achtziger sind schließlich wieder in, samt Synthesizern und so manch anderer Geschmacksverirrung. Zauners Stimme ist noch immer charismatisch und bestechend wie eh und je, die mehrstimmigen Chöre noch immer so gekonnt arrangiert, dass man sich bisweilen an Beatles und Beach Boys erinnert fühlt und gut versteht, was Distelmeyer und die Musiker von Virginia Jetzt! ritt, als sie die Münchener Freiheit derart lobten. Und die Texte bedienen sich ohnehin meistens der ewig-gleichen, schnulzigen Schlager-Versatzstücke rund um Liebe und Sehnsucht, die kann man locker noch mal dreißig Jahre schreiben. Wiederholung hat die Münchener Freiheit ohnehin nie sonderlich gestört: „Zeig mir die Nacht“ hieß die erste Single, „Schenk mir eine Nacht“ folgte zwölf Jahre später, außerdem gibt es die Titel „Seit einer Nacht“, „In der Mitte dieser Nacht“ – die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Am kommenden Sonnabend jedenfalls werden sich beide Sorten von Freiheit-Fans im Tempodrom einfinden. Diejenigen, die sich über schnulzige Textzeilen wie „Seit der Nacht mit dir / ist die Sehnsucht wieder hier“ freuen und dazu ihre Feuerzeuge in die Höhe halten. Und diejenigen, die in den Arrangements und Chören der fünf Schwabinger Inspiration finden und sie als musikalisches Vorbild bewundern. Wer weiß, vielleicht kommen ja auch die Herren von Virginia Jetzt! vorbei. Zeit hätten sie ja.
Das Konzert im Tempodrom beginnt am Sonnabend um 20 Uhr. Es gibt noch Karten ab 29,20 Euro.
Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"
Christian Helten
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