Ein Anfang mit Abstand und Aufregung: So erlebten Berlins ABC-Schützen die Einschulung im Corona-Jahr
Am Samstag wurden in Berlin die ersten Klassen eingeschult. An der Lindenhof-Grundschule in Schöneberg ging das in Kleingruppen – und mit einem Video-Gruß.
Es riecht nach Gummiboden und Turnmatten. Die schweren Schultüten haben sie auf den Boden gelegt. Manche blicken ängstlich nach unten, andere schauen erwartungsvoll nach vorne, wo Monika Stein steht. Sie ist Schulleiterin der Lindenhof-Grundschule in Tempelhof-Schöneberg: „Viele von euch haben wochenlang auf diesen Tag gewartet und heute seid ihr die Hauptpersonen!“
In der Grundschule feiern dieses Wochenende 79 Erstklässler coronakonform ihre Einschulung – berlinweit sind es 36 800. So viele waren es seit 1993 nicht. Eine besondere Herausforderung. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), die in den vergangenen Tagen deutliche Kritik von Schulleitern, Eltern- und Schülervertretern wegen der Vorbereitung des Regelbetriebs zu hören bekam, war am Sonnabend beim Besuch einer Einschulungsfeier in Pankow darum bemüht, Sorgen zu zerstreuen. „Wenn sich die Situation verschlechtern sollte, werden wir natürlich Anpassungen vornehmen“, sagte Scheeres. „Sie können uns da wirklich vertrauen.“
„Wir haben schon während des Lockdowns angefangen, die Einschulung zu planen“, sagt Monika Stein in Schöneberg, „da war eine große Unsicherheit.“ Bei Einschulungsfeiern, die nicht während einer globalen Pandemie stattfinden, sei die Turnhalle „knüppeldicke voll“, so Stein.
An diesem Freitag sind die Stühle sehr licht gestellt. Eineinhalb Meter beträgt der Abstand zwischen den Stuhlreihen, und die Erstklässler lernen an diesem Tag auch nicht wie sonst alle Mitschüler kennen. Nur zehn zukünftige Schüler sitzen in der mit Girlanden dekorierten Sporthalle. Dafür werden sie von ihren Eltern, Geschwistern und zwei weiteren Angehörigen zu ihrem ersten Schultag begleitet.
Sie alle tragen eine Maske. „In diesem Schuljahr feiern wir sieben einzelne Einschulungsfeiern mit je zehn bis zwölf Kindern“, sagt Schulleiterin Monika Stein. Ihre Schulpaten, ältere Kinder der Grundschule, können dieses Jahr kein Willkommenslied singen und sie auch nicht in ihre neuen Klassenzimmer begleiten. Stattdessen haben die Schüler, die im Sommer in der Notbetreuung waren, einen digitalen Gruß vorbereitet.
Die älteren Schüler singen ihr Mathe-Lied
Der Beamer geht an und auf der kleinen Leinwand erscheinen Stelzen, die über den Schulhof staksen. Sie bewegen sich Richtung Schulgebäude. In einem Klassenzimmer werden grüne Blätter ausgeschnitten, aus einem anderen Zimmer ertönt Gesang: „Rauf und runter, die Eins ist munter.“ Die älteren Schüler singen ihr Mathelied. Wie schreibt man eine Drei? „Großer Buckel, großer Bauch. Die Drei geht auch“, heißt es darin – ein erster Einblick in den Schulalltag.
Die Einschulung sei etwas ganz Besonderes für Kinder und Eltern, sagt Monika Stein. Mit dem Schulbeginn ändere sich der Alltagsrhythmus der Kinder. Manche bräuchten für die Anpassung zwei Wochen, andere ein Vierteljahr. „Wir versuchen den Erstklässlern mit dem Film eine Ahnung davon zu vermitteln, wie Schule funktioniert“, sagt die Schulleiterin.
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Die Kamera ist im Schulgarten angekommen. „Hier könnt ihr bei der Garten-AG mitmachen“, sagt ein Mädchen. Als ein Schüler stolz die Hortschnecken in die Kamera hält, fängt ein kleines Geschwisterkind in der Turnhalle an zu schreien. Die Schnecken sind fast so lang wie der Unterarm des Grundschülers. Bleibt nur noch zu klären, was passiert, wenn man sich beim Fangenspielen verletzt. Auch das wird dieses Jahr szenisch erklärt: Ein Junge hüpft theatralisch in das Sekretariat der Grundschule. Dort gibt es ein Pflaster und tröstende Worte.
„Jetzt kann das Abenteuer Schule beginnen“, ruft Monika Stein ihren neuen Schülern zu, „ich wünsche euch, dass ihr ganz lange gerne lernt!“ Unter dem Applaus ihrer Eltern steigen die Erstklässler auf das kleine Podest. Einer sucht noch den beruhigenden Blickkontakt zu seiner Mutter, während eine andere Erstklässlerin ihre Finger knetet. Mit einem festlichen Tusch aus den Lautsprechern verlassen die neuen Schüler für ihre erste kurze Schulstunde die Turnhalle.
Zurück bleiben die Eltern. An sie richtet sich noch einmal Monika Stein: „Ich möchte Sie erst mal beruhigen. Wir fördern und unterstützen Ihre Kinder auch während dieser schwierigen Zeit.“ 20 Minuten später geht die Erstklässlerin Sara mit einem Lächeln die Treppen des Schulgebäudes hinunter: „Das war ja cool in der Schule.“
Das sind Berlins ABC-Schützen
Hannah: „Ich freue mich besonders darauf, neue Kinder kennenzulernen und Freundinnen zu finden. Außerdem habe ich besonders Lust auf Mathe, weil ich im Kindergarten schon sehr gerne gerechnet habe. Auf meiner Schultüte ist ein Pferd und viel Glitzer. Was da drin ist, weiß ich noch nicht so genau. Aber ich glaube, dass ich einen kleinen Koffer mit Anna und Elsa bekomme. Ich bin nämlich der größte Fan von dem Film Frozen. Nachher feiere ich noch mit meiner Familie meine Einschlung."
Sara: „Eigentlich freue ich mich auf alles in der Schule. Am meisten habe ich Lust, Sport mit der Klasse zu machen. Und ich male gerne. Ich könnte mir vorstellen, dass der Unterricht nicht so einfach ist. Hoffentlich wird die Schule nicht so schwierig. Ich weiß noch gar nicht, was in meiner Schultüte ist. Das hat mir meine Mama nicht verraten. Aber ich habe auch eine Schultüte von Frozen.“
Emil: „Am meisten freue ich mich auf das Spielen im Schulhof. Am liebsten spiele ich Basketball. Im Unterricht könnte das Malen Spaß machen. Auf meine Schultüte hat meine Mama Lieblingskuscheltiere von mir geklebt. Das hier sind drei Drachen. Den hellbraunen nenne ich immer Fettklops. In meiner Schultüte sind vor allem Pokémon-Figuren. Ich bin nämlich ein sehr großer Pokémon-Fan.“
Toprak: „Ich weiß noch nicht genau, was mich in der Schule erwartet. Deswegen freue ich mich eigentlich auf alles. Die Schultüte habe ich zusammen mit meiner Mama gebastelt. Da ist eine glitzernde Rakete drauf und man kann ein paar Sterne sehen. Ich finde nämlich Planeten, Sterne und das Weltall sehr spannend. Meine kleine Schwester hat auch eine kleine Schultüte bekommen, damit sie nicht traurig ist.“
Ezra Daniil: „Von meiner Schule weiß ich schon, dass da ein Fußballplatz ist. Ich habe noch nie so richtig Fußball gespielt, aber ich will es gern mal ausprobieren. Auf den Schulhof freue ich mich am meisten – und auf das Lesenlernen. Bis jetzt kann ich nur meinen Namen lesen. Meine Mama hat mir eine Maske mit Super-Mario drauf genäht. Den mag ich gern. Ich finde es gut, dass ich ein paar Kinder in der Schule schon aus der Kita kenne.“