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Corona an Berliner Schulen: Eine Lehrerin erklärt ihren Schülern, wie man eine Mund-Nasen-Schutzmaske richtig anlegt und trägt.
© Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Berliner Schüler sollen Masken tragen – aber nicht überall: Sind die neuen Corona-Regeln für Schulen effektiv genug?

Für Lehrer und Schüler in Berlin beginnt bald ein Schuljahr im Ausnahmezustand. Welche Regelungen im Einzelnen geplant sind und was sie bringen sollen.

Noch zehn Mal schlafen. Dann beginnt für Berliner Schüler – mit Ausnahme der Erstklässler – wieder der Alltag. Kurz vor dem Ende der Sommerferien in mehreren Bundesländern zeichnet sich ab, welche Vorkehrungen die Schulen treffen sollen, um das Corona-Infektionsrisiko zu senken. Für Berlin wurde am Donnerstag bekannt, dass es nur eine sehr eingeschränkte Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes geben wird: Auf den Schulhöfen und in den Klassenräumen soll sie nicht gelten.

Was sehen die Berliner Regelungen im Einzelnen vor?

In allen Schulen, auch Berufsschulen, soll mit dem Ferienende am 10.August die Maskenpflicht gelten. In einem Elternbrief (den Sie hier herunterladen können), der am Donnerstag verschickt wurde, erläutert die Bildungsverwaltung die Einzelheiten: Demnach gilt „bis auf den Unterricht und die Durchführung der ergänzenden Förderung und Betreuung die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in geschlossenen Räumen“.

Menschen, die wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung keine solche Bedeckung tragen können, sind von der Pflicht ausgenommen. Auf den Schulhöfen oder bei Aktivitäten im Freien kann auf eine Mund-Nasen-Bedeckung verzichtet werden. Eltern und alle schulfremden Personen müssen hingegen immer eine Maske tragen.

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Was ist mit Grund- und Förderschulen?

Zwar belegen Studien – etwa aus Südkorea –, dass Kinder bis zu zehn Jahren die Infektion in geringerem Maße weitergeben als Jugendliche. Dennoch will die Berliner Bildungsverwaltung, dass auch bei Jüngeren die Maskenpflicht gilt. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass Berlins Grundschüler bis zu 13 Jahre alt sein können, da Berlin eine sechsjährige Grundschule hat. Förderschulen können auf die Masken verzichten, wenn die Schüler nicht in der Lage sind, sie zu tragen. Das ist ohnehin im Infektionsschutzgesetz so geregelt.

Wie reagieren die Grundschulleiter?

Astrid-Sabine Busse, Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen, begrüßt, dass die Maskenpflicht nicht auf Schulhöfen gelten soll: „Das wäre an der Lebensrealität vorbeigegangen.“ Auch so erwartet sie, dass die Regelung an den Grundschulen schwer durchsetzbar sein wird, weil sie befürchtet, dass jüngere Kinder nicht auf Dauer Abstand halten, ihre Masken vergessen oder falsch tragen werden.

Wie dies kontrolliert werden soll, ist ihr unklar. Trotzdem blickt Busse, die die Schule in der Köllnischen Heide leitet, optimistisch auf den Schulstart. Noch sei eine Woche zur Planung und Information. An ihrer Schule gebe es zudem genug Platz und man wolle die Pausen der ersten drei Jahrgangsstufen entzerren. „Ich denke, jede Schule muss jetzt individuell und eigenverantwortlich handeln.“

Wie sinnvoll ist die Maskenpflicht außerhalb des Klassenzimmers?

Über Sinn und Unsinn von Masken wird seit dem Ausbruch der Pandemie diskutiert. Maßgeblich ist das, was das Robert- Koch-Institut (RKI) im Frühjahr empfohlen hatte und zwar „ein generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Covid-19 in der Bevölkerung zu reduzieren“. Diese Empfehlung, die im Öffentlichen Nahverkehr, in Geschäften und großen Teilen der Gastronomie umgesetzt wird, gilt weiter.

Nun gilt die Maskenpflicht an den Schulen aber ausgerechnet nicht in den Klassenräumen – da, wo die Schülerinnen und Schüler künftig nicht mehr Abstand halten müssen. Das mag auf den ersten Blick widersinnig klingen – und wirklich konsequent ist es auch nicht.

Das Konzept des Senats folgt aber der Idee, die Maskenpflicht dort im Schulgebäude anzuordnen, wo sich Lernende und Lehrende verschiedener Klassen begegnen. Dadurch soll verhindert werden, dass sich Kinder in den großen Sammelräumen wie Foyers oder Aufgängen infizieren. Im Ernstfall sollen Infektionen so auf die kleineren Gruppen von Kindern beschränkt werden, die im Unterricht zusammensitzen und deren Kontakte daher leicht nachzuverfolgen sind.

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Zum Bilden solcher festen Lerngruppen – genannt „Kohorten“ – rät auch die Kultusministerkonferenz (KMK). Vor den Ferien galt dabei oft eine einzelne Klasse als eine solche Kohorte, wenn auf Abstandsregeln verzichtet wurde. Arbeitsgemeinschaften und andere klassenübergreifende Aktivitäten waren ausgeschlossen.

Corona an Berliner Schulen: Lehrerin und Schülerin mit Mundschutz
Bushra (7) steht mit der Klassenlehrerin vor einer Schultafel. Kultusminister Lorz besucht an der Liebfrauen-Grundschule ein sogenanntes Sommercamp während der Schulferien.
© Andreas Arnold/dpa

Wie werden die Kohorten jetzt gebildet?

Bundesweit soll das jetzt großzügiger gehandhabt werden. In mehreren Ländern – wie im Saarland und in Bremen – gilt nach den Ferien eine gesamte Jahrgangsstufe als Kohorte und nicht mehr nur einzelne Klassen. So sollen in der Oberstufe auch Grund- und Leistungskurse ermöglicht werden, die ja von verschiedenen Schülerinnen und Schülern besucht werden. Das Gleiche gilt für die Ganztagsbetreuung.

Bei Corona-Infektionen an einer Schule bedeutet das, dass potenziell viel größere Gruppen in Quarantäne gehen müssen. Noch weiter geht Mecklenburg-Vorpommern: In der Grundschule werden die Klassen eins bis vier als eine Kohorte gewertet, danach jeweils zwei Klassenstufen zusammengefasst. An beruflichen Schulen sind Gruppen bis zu 400 Schülerinnen und Schüler möglich. Sachsen verzichtet komplett auf das Kohortenprinzip.

Wie handhaben andere Länder das Maskentragen?

Unterschiedlich. Der Mitte Juli veröffentlichte Hygienerahmenplan der Kultusministerkonferenz ist relativ allgemein formuliert. Man habe „bewusst“ auf Details verzichtet, um den „spezifischen Gegebenheiten vor Ort“ Rechnung zu tragen, heißt es dort. In Mecklenburg-Vorpommern kann die Corona-Lage schließlich anders aussehen als in Nordrhein-Westfalen. Tatsächlich gehört Mecklenburg-Vorpommern zu den Ländern, die keine Maskenpflicht vorsehen – einzige Ausnahme: Die Kioskverkäufer, die Pausensnacks vertreiben. Brandenburg und Bremen schreiben ebenfalls keine Maske vor.

In Rheinland-Pfalz, in Niedersachsen und im Saarland müssen Mund und Nase zwar nicht im Klassenraum, aber ansonsten im Schulgebäude bedeckt werden – wie in Berlin gilt das für alle Klassenstufen. Sachsen und Hessen überlassen es der Schulleitung, entsprechende Regeln aufzustellen. In Hamburg gilt die Maskenpflicht nur für Eltern und schulfremde Personen.

Für wen gilt die Präsenzpflicht?

In Berlin müssen alle Schüler am Präsenzunterricht teilnehmen, die kein Attest wegen einer Vorerkrankung vorlegen können, dass sie oder eine andere im Haushalt lebende Person zu einer Risikogruppe gehören. So halten das die meisten Länder, auch Sachsen hat die zwischenzeitliche Aufhebung der Schulpräsenzpflicht wieder rückgängig gemacht. Anders ist das in Baden-Württemberg: Hier können Eltern selbst entscheiden, ob sie ihr Kind zur Schule schicken. Allerdings müssen auch die Kinder, die nicht am Unterricht teilnehmen, ihre Aufgaben erledigen – so wie während der Schulschließungen.

Wie wird der Lehrermangel ausgeglichen?

Noch ist völlig unklar, wie viele Lehrer coronabedingt fehlen werden. Eine Umfrage des Tagesspiegels an mehreren Berliner Schulen ergab, dass es wesentlich weniger Lehrer sind als in der Zeit der Schulschließungen, als pauschal auch alle Über-Sechzigjährigen von zu Hause aus arbeiten konnten. An manchen Schulen fehlten deshalb mehr als 40 Prozent des Kollegiums.

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Jetzt ist zu hören, dass pro Schule nur einzelne Lehrer von der Möglichkeit Gebrauch machen werden, sich beim Arbeitsmedizinischen Dienst ein Attest zu holen. Diese würden dann aber von zu Hause arbeiten müssen. Dennoch dürfte es viele Schulen vor Probleme stellen, dass Lehrer fehlen – selbst wenn es nur zwei oder drei sind.

Es gibt an Berlins Schulen keine Vertretungsreserve. Vielmehr existiert ein Budget, aus dem Ersatzlehrer bezahlt werden können. Allerdings ist das Reservoir solcher Vertretungslehrer sehr zusammengeschmolzen: Viele von ihnen arbeiten längst relativ fest an Schulen, weil es auf dem Markt kaum noch regulär ausgebildete Lehrer gibt. Somit fürchten die Schulen, dass sie mit einem noch größeren Lehrermangel leben müssen als sonst.

Wie wird verfahren, wenn Familien per Auto aus Risikogebieten kommen?

Diese Frage ist völlig ungeklärt: Wenn Familien nicht angeben, dass sie gerade erst aus Risikogebieten zurückgekommen sind, sind die Schulen dem entsprechend höheren Risiko schutzlos ausgesetzt. Regulär müssten sich diese Schüler in Quarantäne begeben oder nachweisen, dass sie nicht infiziert sind.

Wenn die Quarantäne aber zum Schulbeginn noch nicht vorbei ist, soll das als Schwänzen gewertet werden, hatte Berlins Schulsenatorin angekündigt. Daher wird befürchtet, dass nicht alle Familien in der Frage des Zeitpunkts der Rückkehr nicht die Wahrheit sagen werden.

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