Gedenkstätte Hohenschönhausen: Sind AfD-Politik und DDR-Aufarbeitung miteinander vereinbar?
Im Streit um die Gedenkstätte Hohenschönhausen fühlt sich Markus Meckel instrumentalisiert. Auch er sieht dort eine Anhäufung rechtspopulistischer Kräfte.
Im internen Streit um die Gedenkstätte Hohenschönhausen meldet sich nun auch Markus Meckel zu Wort – der letzte Außenminister der DDR, Regierung de Maizière, fühlt sich instrumentalisiert. Er ist heute Vorsitzender des Stiftungsrats der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Wie berichtet hatte der Vorstand des Fördervereins der Gedenkstätte gegen den Schriftführer, Stephan Hilsberg, ein Ausschlussverfahren eingeleitet: Zwischen der Vereinsleitung und Hilsberg herrscht Streit, seit dieser öffentlich den Vorwurf der AfD-Nähe gegen den Leiter des Fördervereins, Jörg Kürschner, erhoben hat.
Hilsberg wird im Ausschlussverfahren zur Last gelegt, dass er verantwortlich sei für die Veröffentlichung von Interna, das Hineintragen parteipolitischer Interessen in den Verein und damit für die Aufhebung der Zusammenarbeit der Gedenkstätte Hohenschönhausen mit dem Förderverein sowie Meckel. Der hatte bei der Verleihung des Preises der Gedenkstätte eine Laudatio halten sollen, seine Zusage aber zurückgezogen.
Während die Stiftung auf parteipolitischer Neutralität beharrt, distanziert sich Meckel gegenüber dem Tagesspiegel nun klar von der Behauptung, er habe seine Zusammenarbeit wegen Hilsberg zurückgezogen. Hilsberg, so Meckel, „hat meine Zusage angebahnt, aber nicht meine Absage“. Die spätere Absage der Laudatio, so Meckel weiter, ist nicht auf Hilsberg zurückzuführen, sondern auf das Verhalten von Jörg Kürschner, Leiter des Fördervereins, dessen inhaltliche Aussagen und AfD-Nähe.
Anhäufung rechtspopulistischer Kräfte
Im Wesentlichen stimmt Meckel mit Hilsbergs Einschätzung der Lage überein. Es zeichne sich eine Anhäufung rechtspopulistischer Kräfte in und um die Gedenkstätte ab: Neben Kürschners Schreibtätigkeit für die rechtspopulistische „Junge Freiheit“ seien auch die Fälle Georg Pazderski und Siegmar Faust genannt, die den Verein in AfD-Nähe rückten. Pazderski, den AfD-Chef in Berlin, soll Kürschner im Frühjahr 2017 wiederholt in den Verein zu holen versucht haben.
Laut Hilsberg gelang dies schließlich auch. Faust, mittlerweile entlassen, soll Führungen durch die Gedenkstätte gegeben und dabei für die AfD sowie um Milde für Horst Mahler geworben haben. Auch in den Opferverbänden gebe es laut Meckel Stimmen, die die Sorge um eine rechtspopulistische Tendenz im Umfeld der Stiftung erkennen ließen.
Diese Tendenz, so Meckel weiter, behindert faktisch die Arbeit der Gedenkstätte. Denn zu einer sinnvollen Aufarbeitung der SED-Diktatur gehöre es, klarzumachen, dass historisch eine Vielzahl von antikommunistischen Denkströmungen existierten, von denen nicht alle automatisch als gut zu bewerten seien.
Insbesondere der Antikommunismus von ultrarechts sei nicht aus demokratischen Grundüberlegungen gespeist, sondern verfolge selbst ein totalitäres Ideal. Besorgniserregend sei nun, wenn aus der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur eine Rechtfertigung für Nationalismus, rassistische Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung gezogen werde. Statt solche Automatismen zu tolerieren, müsse in der Aufarbeitung eine differenzierte, an demokratische Grundwerte und den antitotalitären Konsens gebundene Debatte geführt werden.
Nun hat sich die Stiftung wegen der Querelen mehrfach vom Förderverein und Kürschner distanziert sowie zur parteipolitischen Neutralität bekannt. Meckel jedoch erklärt, dass die öffentliche Distanzierung ungenügend und im Grunde eine Verzerrung der Tatsachen sei: Der Förderverein sei nicht irgendein Verein, mit dem die Stiftung hin und wieder zusammenarbeite, sondern strukturell und institutionell mit ihr zusammenzudenken – der Verein erfülle im Konzept der Stiftung integrale Funktionen wie die Akquise von Mitteln, die durch das enge Korsett staatlicher Förderungen nicht abgedeckt wären, oder die Gewinnung bekannter öffentlicher Persönlichkeiten für Engagement in der Stiftung.
"Unvereinbarkeit des Stiftungsauftrags mit der AfD"
Einfach zu sagen, man habe nun nichts mehr mit ihm zu tun, nachdem man das Personalproblem zu lange habe schleifen lassen, lenke nur von der akut anstehenden Aufgabe der Stiftung ab, die darin bestehe, die Verhältnisse im eigenen Förderverein neu zu ordnen. Dass stattdessen Stephan Hilsberg wie auch Jens Gieseke für die Benennung des Problems in der Kritik stünden, ohne in irgendeiner Form von der Stiftung geschützt zu werden, sei eine Absurdität, so Meckel. Gieseke, Mitglied des Beirats der Gedenkstätte und Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, hatte zuvor in der „Berliner Zeitung“ von der Unvereinbarkeit des Stiftungsauftrags mit der AfD gesprochen.
Dass eine breite Diskussion um die grundlegende Vereinbarkeit der Stiftungsziele mit denen der AfD geführt werden müsse, meint auch Meckel. Und zwar nicht auf formaljuristischer Basis, sondern im Sinne einer inhaltlichen Debatte. Dringlich wird diese Auseinandersetzung, weil die AfD laut Stiftungsgesetzen der Länder in absehbarer Zeit auch Personen in Stiftungsräte entsenden wird.
Die Notwendigkeit der Vereinbarkeitsdebatte bekräftigt auch Hilsberg: Welchen Beitrag soll eine Partei zur Aufarbeitung von Stasi-Verbrechen leisten können, in deren Reihen schon mal leichtfertig mit dem Schießbefehl an Grenzen kokettiert wird? In dem Ausschlussverfahren, das gegen Hilsberg anhängig ist, soll am heutigen Donnerstag entschieden werden.
Thomas Wochnik
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