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Gottesmutter statt Pokal: Ein Abend im Olympiastadion mit Benedikt XVI.
© dpa

Papstmesse im Fußballstadion: Sie schwenkten Schals - sonst war alles anders

Zu Gast bei der Papstmesse: Wie zwei Kirchenferne den Stadionabend erlebten.

DER HERTHA-FAN

Der alte Mann staunt. „Noch nie erlebt so was“, sagt er, der seit Jahrzehnten vor dem Olympiastadion steht und kauzig-liebevoll Bier an die Fans von Hertha BSC verkauft („Bierchen!?“). Mehr als 60 000 im Stadion, pah!, für ihn ist das Routine, auch kurz vor dem Anpfiff, quasi wie an diesem Donnerstagabend, kurz vor 18 Uhr. Doch der alte Mann in seiner Imbissbude schüttelt den Kopf. „Das Stadion ist voll und ich hab nicht mal eine Kiste Bier verkooft.“ Er lacht. Da kommt endlich eine Kundin und bestellt eine Bulette. Die anderen Papst-Fans sind längst drinnen.

Am Stadiontor staunen die Ordner. Sie sind immer hier, auch bei Hertha-Spielen, aber diesmal ist alles anders. „Die sind alle über-über-pünktlich“, flüstert einer. Die Körperkontrolle? Ein Witz. Nebenan dösen hunderte Polizisten in der Abendsonne.

Auf der Tribüne, hinterm Getränkestand, staunt die Verkäuferin. „Himmel, was is n hier los?! Wasser ist alle!“ Empörung in der Warteschlange, Bier will heute keiner trinken, auch wenn es frisch gezapft wird. Da, endlich! Wasser fließt wieder. Glücklich laufen die Besucher mit ihrem Becher zum „Merchandisingstand“, wo es kitschige Fanshirts gibt mit Papst-Emblem. Auf den Bierbechern übrigens, in denen sich Wasser befindet, prangt das vertraute Logo von Hertha, dazu der Slogan „Mission erfüllt“. Herthas Aufstiegsmotto.

Auf der Toilette staunt der Putzmann. Bei den Frauen eine Riesenschlange! Bei den Männern: Leere. Und die paar, die doch da sind, waschen sich artig die Hände, grüßen und geben Kleingeld. Bei Hertha gibt s nicht mal blöde Sprüche.
Im Stadion staunt der Hertha-Fan. Erstens, wie die Perspektive so ist aus der Westkurve („Hier sitzen sonst nur Gästefans“), und darüber, wie Papstanhänger feiern können. Mit Schals stehen sie na klar in der Ostkurve, es wird geklatscht, gejubelt und gesungen. Der Inhalt der Lieder: Geschmackssache. Aber das ist beim Fußball nicht anders. André Görke

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Robert Ide, der "Tourist aus dem gottlosen Ost-Berlin", die Papstmesse im Olympiastadion erlebte.

DER ATHEIST

Kuttenträger im Olympiastadion das ist mir nicht neu. Aber alles schön bunt hier, denke ich, als ich die roten, grünen und schwarzen Kapuzenmänner in der S-Bahn sehe, in der sich ein zum Besserwisser erzogener Sohn mit seinem Vater über die verschiedenen Betonungen des Lateinischen unterhält. Streber! Ich dagegen bin hier Anfänger, ein Tourist aus dem gottlosen Ost-Berlin, aber immerhin neugierig genug, um mir auch dieses Volksfest nicht entgehen zu lassen. Man will doch dabei sein, wenn in Berlin was los ist obwohl, am Stadioneingang wird eigentlich nur bayerisch und polnisch gesprochen.

Tag der Offenen Tür der Katholiken, macht hoch das Tor aber das ist auf dem Rasen einem großen gelben Kreuz gewichen, das mitsamt Bühne 400.000 Euro gekostet haben soll. Sogleich wird eine SMS-Spendenhotline auf der Anzeigetafel eingeblendet; Stichwort Benedikt. Naja, man will ja nicht päpstlicher sein....

Da kommt er schon angerollert im Papamobil, die Menschen bejubeln ihn wie einen Gott, aber immerhin soll der XVI. der legitime Nachfolger von Petrus sein, wie mehrmals per Durchsage mitgeteilt wird. Zu relativ moderner Musik (die Band hat ein Schlagzeug), lässt sich Papa ein paar Babys ins Mobil reichen. Da halte ich meine kleine Tochter lieber fest.

Ansonsten geht es fröhlicher zu als bei meinen wenigen bisherigen Kirchenbesuchen. Das mag daran liegen, dass man bequem sitzt, anstatt auf Holzpritschen zu knien. Nur bei welchen Psalmen man aufzustehen hat, weiß ich nicht. Ich bin auch überrascht, als sich plötzlich wildfremde Menschen umarmen und küssen. Liebe deinen Nächsten sie meinen es tatsächlich ernst.

Auf dem Rückweg ist die Ringbahn voll. Bis zum Gesundbrunnnen. Da steigen die West-Berliner mit ihren Papstprospekten aus. Ich fahre alleine weiter über die frühere Stadtgrenze. In meine Diaspora. Robert Ide

Robert Ide, André Görke

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