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Sauber machen: Carsten Meyer, Initiator der Gärtnerinitiative Arnswalder Platz in Prenzlauer Berg.
© Thilo Rückeis

Ohne diese Berliner geht nichts: Sie pflegen, gärtnern oder retten Leben – ohne Geld zu verlangen

Stille Helden der Stadt: Mehr als eine Million Berliner engagieren sich ehrenamtlich. Zum Start unseres Ehrensache-Newsletters stellen wir vier Initiativen vor.

Am Mittwoch startet unser neuer Newsletter Ehrensache. Darin werden wir die vielfältigen Aktivitäten von ehrenamtlichen Engagierten würdigen, den Aktiven eine kraftvolle Stimme für ihr Anliegen sein und auch die Kommunikation untereinander verbessern. So wollen wir mithelfen, das Netz der bürgerschaftlichen Gemeinschaft enger zu knüpfen. Der kostenlose Ehrensache-Newsletter wird monatlich am jeweils zweiten Mittwoch erscheinen. Hier können Sie sich anmelden.

Sie sind Hunderttausende, und sie sind überall. Ob in der Hilfe für bedürftige oder kranke Menschen, in Patenschaften für Geflüchtete, in Sportvereinen oder Kulturprojekten und Kiezinitiativen – ohne die ehrenamtlichen Berlinerinnen und Berliner wäre die Stadt arm dran.

Wo sich überall Berliner einbringen, lässt sich bald wieder bei den Freiwilligentagen „Gemeinsame Sache“ beobachten, zu denen der Tagesspiegel und der Paritätische Wohlfahrtsverband vom 13. bis 22. September aufrufen: Hunderte von Initiativen werden in allen Bezirken mit öffentlichen Aktionen zeigen, wie vielfältig ehrenamtlicher Einsatz ist.

Rund 37 Prozent der Berliner, so schätzt der Senat, engagieren sich freiwillig. Das wären über eine Million Menschen. Über die genaue Zahl zu spekulieren, ist müßig. Eines aber ist unstrittig: Es stünde schlecht um den sozialen Zusammenhalt in der Stadt ohne dieses bürgerschaftliche Engagement.

Die Ehrenamtlichen sind der Kitt einer demokratischen Gesellschaft. Für Werte einstehen und Verantwortung zu übernehmen, das gibt es in allen Altersgruppen, so das Ergebnis einer aktuellen bundesweiten Studie „Verantwortung 2019“. So sei die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen in den vergangenen zwölf Monaten unentgeltlich im Einsatz gewesen. Bemerkenswert ist auch, dass gerade Menschen mit Kindern sich überdurchschnittlich häufig engagieren – trotz Doppelbelastung durch Familie und Beruf.

Auch jeder dritte über 60-Jährige ist beim gemeinnützigen Engagement dabei. Und immer mehr Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeiter dabei, sich ehrenamtlich zu engagieren, oder mit der Belegschaft Arbeitseinsätze bei sozialen Projekten machen.

Die Engagierten wären die stärkste aller Parteien, wenn sie denn organisieren würden. Tatsächlich aber sind sie die stillen Helden der Stadt, die nicht viel Aufhebens von ihrem Einsatz machen, und sich überall dort einbringen, wo es Not tut und wo sie sehen, dass Probleme ohne sie nicht beseitigt werden.

Die ideelle Wertschöpfung durch ihren Einsatz steht außer Frage, tatsächlich sind die Engagierten aber auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Stadt. Denn nicht alles können Ehrenamtliche alleine leisten. Das Ehrenamt braucht auch hauptamtlich Beschäftigte in sozialen Einrichtung oder Organisationen. Allein beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem fast 700 Organisationen angeschlossen sind, sind in Berlin 50.000 Menschen hauptamtlich beschäftigt.

Die Friedenstauben

Da konnten die Friedenstauben strahlen. Kürzlich wurden die Schülerinnen und Schüler der Interessengemeinschaft (IG) Friedenstaube des Otto-Nagel-Gymnasiums (ONG) in Biesdorf mit dem „fair@school“-Preis ausgezeichnet. Vergeben wird der von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Cornelsen-Verlag.

Die rund 15 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums organisieren seit 2014 Projekte zu sozialen Themen, inzwischen auch gemeinsam mit Studierenden oder Bundesfreiwilligen. Ihre Projekte befassen sich etwa mit politisch und religiös motivierter Gewalt oder widmen sich der Inklusion von Menschen mit körperlicher Behinderung in der Arbeitswelt.

Leonora Maljoku, Sophie Gesau, Annabelle Poltmann, Marith Beisker, Lara Schulze Harling (v. l. n. r.) vom Otto-Nagel-Gymnasium.
Leonora Maljoku, Sophie Gesau, Annabelle Poltmann, Marith Beisker, Lara Schulze Harling (v. l. n. r.) vom Otto-Nagel-Gymnasium.
© Dana Wolfram

Projekttage gab es auch zu den Themen nachhaltiges Leben in der Großstadt und Gleichberechtigung. Mit einer jährlichen Talentshow sammeln sie Spenden für das Kinderhospiz Berliner Herz, wobei schon mehr als 10.000 Euro zusammengekommen sind. Außerdem organisiert die Gruppe ein Fußballturnier mit Jugendlichen aus der Flüchtlingsunterkunft Blumberger Damm.

Mehr als 700 Schüler nehmen pro Jahr an den Projekten der Friedenstauben teil. Der zeitliche Aufwand sei ziemlich groß, erzählen Lara Schulze Harling und Annabelle Poltmann. Vor allem, wenn man gerade das Abitur gemacht hat wie Lara oder ein freiwilliges soziales Jahr am Otto-Nagel-Gymnasium wie Annabelle. Einmal die Woche ist Mitgliedertreffen, zusätzlich können noch zwei bis vier Wochenstunden Arbeit und Vorbereitung anfallen.

Für den Erfolg des Projekts sei auch die Unterstützung der Schulleitung und der Eltern wichtig, sagen Lara und Annabelle. So ermögliche die Schulleitung, dass die Projekttage während der Unterrichtszeit stattfinden. Die Eltern würden wiederum helfen, in dem sie die Aktivitäten mit Spenden unterstützen.

Wichtig ist den Friedenstauben aber, dass die Projekte komplett lehrerunabhängig stattfinden und allein von den Schülern veranstaltet und organisiert werden. Engagieren sich junge Menschen wieder mehr? „Wir haben in diesem Jahr noch mal einen starken Mitgliederzuwachs“, sagen die beiden Schülerinnen. Als es kürzlich um das Thema Plastik ging, sei das Interesse groß gewesen. Das führt Annabelle auch auf Bewegungen wie Fridays for Future zurück.

Die Krankenbetreuerin

„Man gibt nicht nur, man kriegt auch viel zurück“, sagt Petra Beichel. Seit Jahren engagiert sie sich ehrenamtlich neben ihrem Beruf beim Besuchsdienst der Kontaktstelle Pflege-Engagement in Charlottenburg. Gegenwärtig betreut Beichel zwei gesundheitlich eingeschränkte Frauen. Sie besucht die beiden zu Hause, geht mit ihnen spazieren oder zum Arzt, aber auch zuweilen ins Museum.

„Wir waren auch schon mal im KaDeWe“, berichtet die lebhafte Frau. Sie sei eine optimistische Person, sagt Beichel und man hört es ihr an. Es sei für sie wichtig, dass man die Welt nicht negativ erlebt. Lange Zeit hat Petra Beichel zweimal in der Woche eine sehr alte Dame begleitet, die dann mit 106 Jahren starb. Ja, das sei schon seelisch belastend gewesen, schließlich baue sich über die gemeinsame Zeit eine besondere Beziehung und eine enge Vertrautheit auf.

Aber andererseits habe die alte Dame ein „schönes Alter“ erlebt und ein „erfülltes Leben“ gehabt. Das habe das Abschiednehmen erleichtert. Beichel arbeitet als Physikerin an einem Potsdamer Institut und beschäftigt sich mit Astrophysik, also den Vorgängen weit draußen im Weltall.

Wenn man bei der Arbeit mit dem Kopf im All ist, sagt Petra Beichel, dann ist es gut, über den Besuchsdienst geerdet zu sein. Sie habe sich bei der Kontaktstelle Pflege-Engagement gemeldet, wo nach Angaben der Koordinatorin Siegrid Haase de Moreno rund 30 Ehrenamtliche im Besuchsdienst oder der Gruppenbetreuung für pflegende Angehörige tätig sind.

Für sie war ein Grund für ihr Engagement, dass sie gerne etwas zurückgeben wollte an andere Menschen. Denn in jüngeren Jahren war sie selber schwer an Multipler Sklerose (MS) erkrankt und saß zeitweise im Rollstuhl, erzählt Beichel, die heute ohne Einschränkung leben kann. Damals war sie selber auf Hilfe angewiesen.

Überhaupt helfe es ihr heute, dass sie sich in die Einschränkungen einfühlen könne, die eine schwere Erkrankung bedeute. Zumal eine der Frauen, die sie betreut, ebenfalls an MS erkrankt sei. Für Petra Beichel war ihre Erkrankung auch ein Weg, ihr Leben zu ändern. Davor hat sie in der Altenpflege und in der Psychiatrie gearbeitet, und sich während der Erkrankung entschlossen, Physik zu studieren.

Der Gartengestalter

Wut, das ist durchaus eine Antriebskraft für ein Engagement. Carsten Meyer hat das erfahren. Das war 2012 so, als er vom Balkon seiner Wohnung am Arnswalder Platz in Prenzlauer Berg schaute und sich ärgerte. Der Platz mit der Gartenanlage rund um den markanten Stierbrunnen aus rotem Stein war erst zwei Jahre vorher aufwändig saniert worden, und trotzdem schon wieder total heruntergekommen – aus Mangel an gärtnerischer Pflege.

Das war für ihn ein Anstoß, sich zu engagieren – und der gleichzeitig erfolgte Aufruf des Tagesspiegels, sich mit einer öffentlichen Aktion an den Freiwilligentagen „Gemeinsame Sache“ zu beteiligen, bot dazu die Gelegenheit. „Manchmal braucht es einen Weckruf“, sagt Meyer.

Mitglieder der Gärtner-Initiative Arnswalder Platz in Berlin-Prenzlauer Berg.
Mitglieder der Gärtner-Initiative Arnswalder Platz in Berlin-Prenzlauer Berg.
© Thilo Rückeis

Seitdem wird der Arnswalder Platz von der Gärtnerinitiative mit regelmäßigen Einsätzen liebevoll gepflegt und verschönert. Für diesen langjährigen Einsatz hat die rührige Initiative inzwischen auch die Ferdinand-von-Quast-Medaille erhalten, eine Auszeichnung des Landes Berlin für Bürger-Engagement im Bereich der Denkmalpflege.

Man merkt dem pensionierten Lehrer, der seit 2001 in Berlin lebt und lange an einer Schule für Hörgeschädigte arbeitete, die Leidenschaft für die Wertschätzung des öffentlichen Raums an. „Nehmt eure Umwelt bewusst wahr und geht besser mit dem um, was Architekten und Gärtner der Stadt gegeben haben“, das möchte er den Menschen vermitteln.

Der In Bremen geborene Meyer hat sich dafür schon in seiner Heimatstadt engagiert, als er nach einer Zeit als „Assistent teacher“ in England zurückkehrte. In der Hansestadt an der Weser machte er die Öffentlichkeitsarbeit für die Kampagne zur Rettung des traditionellen Bremer Hauses, das durch sinnlosen Abriss und gedankenlose Kaputt-Sanierung bedroht war. Mit einer öffentlichen Ausstellung im Rathaus fanden sie viel Aufmerksamkeit für den schleichenden Kulturverlust.

Seit einiger Zeit engagieren sich die Gärtnerinitiative und Meyer für die Aufwertung des Ehrenmals für die großen Gartenbaukünstler Peter Joseph Lenné und Gustav Meyer. Da hatte ihn wieder die Wut darüber gepackt, wie frevelhaft mit dem Ort umgegangen wird.

Aus dem vernachlässigten und vergessenen Erinnerungsort am Rande des Volkspark Friedrichshain soll ein lebendiger Gedenk- und Lernort werden, schwebt Meyer vor. Derzeit wird zusammen mit dem Museum Pankow für den Tag des offenen Denkmals am 8. September eine Vor-Ort-Ausstellung vorbereitet.

Der Lebensretter

Als erstes erhält man eine Abfuhr. Der Tagesspiegel will etwas über Hans-Ulrich Klatt schreiben. „Da bin ich gar nicht scharf drauf.“ Ist schließlich genug anderes zu tun. Schon bei der kürzlichen Auszeichnung durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband hat sich der 69-Jährige für das Foto lieber unauffällig in der zweiten Reihe platziert.

Hans-Ulrich Klatt leitet die Ausbildung bei der DLRG.
Hans-Ulrich Klatt leitet die Ausbildung bei der DLRG.
© privat

Die Goldene Ehrennadel für 50-jähriges ehrenamtliches Engagement bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG wurde Klatt dort verliehen. „Muss das denn sein“, habe er gesagt, als er von der geplanten Ehrung erfuhr, lässt sich der bescheidene Mann entlocken. Klatt leitet die Ausbildung der Lebensretter und gehört dem DLRG-Landesvorstand an.

„Der Einzelne kann schließlich nur gemeinsam erfolgreich sein“, ist der Jurist überzeugt. Deshalb scheint es ihm unangemessen, dass er als Person herausgehoben wird. Wichtiger ist ihm die Wertschätzung für das Ehrenamt. Daran mangelt es ihm, wobei er nicht von Geld spricht.

Eine kostenlose BVG-Karte für Ehrenamtler fällt ihm da ein, oder auch die Idee, dass Ehrenamtler Bonuspunkte sammeln können, die bei der Studienplatzvergabe angerechnet werden. Klatt erlebt zu häufig, dass junge Wasserretter zum Studium in eine andere Stadt gehen müssen, weil sie in Berlin nicht zum Zuge kommen.

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Helfen scheint bei ihm in der Familie zu liegen. Schon sein Vater erhielt vor zehn Jahren die Goldene Ehrennadel der Paritäter. Bei der DLRG verbringt der ehemalige Oberstaatsanwalt, der einst Steuerstraftäter verfolgte, jedenfalls viel Zeit in Schwimmhallen. „Vom Nichtschwimmer zum Schwimmer, vom Schwimmer zum Rettungsschwimmer“, ist das Motto für das umfangreiche Schulungsprogramm.

Schließlich müssen die 26 Wasserrettungsstationen und die 42 Boote der DLRG immer ausreichend besetzt sein, damit die Badenden und die Wassersportler sicher und unbeschadet die Sommertage auf Berliner Gewässern verbringen können.

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