Homosexualität: Sexuelle Orientierungen sind ein Grundschulthema
Hetero-, homo-, bi- und transsexuelle Lebensweisen sind Teil der Gesellschaft. In Schulen wird vermehrt auf Aufklärung gesetzt. Wie?
"Cigdem ist lesbisch, Vera auch". So lautete bereits 2005 der Titel der Aufklärungskampagne des Senats für Bildung, Jugend und Sport. Derzeit wird viel über die aktuelle Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ an Berliner Schulen diskutiert. Es sollen nicht nur Unterrichtsmaterialien, etwa in Form eines Medienkoffers, angeboten werden. Gezielt soll auch auf die Fortbildung und Sensibilisierung der Lehrer gesetzt werden. Die Meinungen dazu sind geteilt. Doch fest steht: Das Thema sexuelle Identität findet sich auch in den Rahmenlehrplänen für die Berliner Schulen wieder.
"Sexualität und Geschlechterrollen: Hetero- und homosexuelle Lebensweisen" lautet die vorgesehene Unterrichtseinheit in der Jahrgangsstufe drei. Unterdessen läuft seit 21 Jahren das "Aufklärungsprojekt" des Vereins "ABqueer" in Berlin, bei dem die ehrenamtlichen Mitarbeiter direkt in Schulklassen oder Freizeiteinrichtungen gehen. Durch Gespräche und Rollenspiele wird versucht, Raum zu schaffen, sich mit lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen Lebensweisen auseinander zu setzen sowie Klischees und eventuell bestehende Vorurteile aufzubrechen.
Warum sind manche Frauen lesbisch? Gibt es schwule Türken? Können zwei Frauen heiraten und Kinder kriegen? Wie reagieren Eltern, wenn ihr Sohn schwul ist? Kann man Frauen und Männer lieben? Und gibt es Menschen, die zwei Geschlechter haben? Bei den etwa 90-minütigen Veranstaltungen dürfe alles gefragt werden, sagte Projektleiter Ammo Recla. Junge Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle im Alter zwischen 18 und 27 Jahren führten die Kurse in Schulen und Jugendclubs durch. Dabei würden Geschlechterrollen hinterfragt, verschiedenen Normen und Werte miteinander diskutiert und eine differenzierte Sicht auf Sexualität geprobt.
Das Aufklärungsprojekt führt rund 100 Veranstaltungen im Jahr durch und erreicht so etwa 2500 Jugendliche in Berlin. Seit 1997 wird es von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales gefördert. Neben dem festen Einheit in der dritten Klasse sei es auch möglich das Thema wahlweise und gerne wiederholend in Lehreinheiten wie "Miteinander lernen", "Leben in Vielfalt" oder "Demokratieerziehung" einzubinden, sagte Recla. Im Rahmenlehrplan gebe es verschiedene Anknüpfungspunkte dafür. Mit Klassenlehrern, die an einem Besuch von "ABqueer" interessiert seien, werde in einem Vorbereitungsgespräch abgesprochen, welche Präsentation und Fragestellungen angemessen seien. "Denn klar ist, dass man zwar von einer altersgemäßen Entwicklung ausgehen kann, aber dennoch stellen wir immer wieder fest, dass selbst Klassen gleicher Jahrgangsstufen in einer Schule sich unterscheiden", sagte Recla. Auch seien die Interessen der Klassen unterschiedlich. So wollten die einen mehr über Diskriminierung wissen, die anderen mehr über Sexualität sprechen. "Das Thema Familie und Geschlechterbilder interessiert aber die meisten."
Für Recla hat es Sinn, frühzeitig über vielfältige Lebensweisen zu sprechen. Sexuelle Identität sei dabei ein Thema, das in allen Bereichen mitschwingen sollte. "Es geht nicht darum, dass Thema vereinzelt zu behandeln. Schließlich gehört die sexuelle Identität fest zu einem Menschen dazu und ist nicht nur ein losgelöster Teil von ihm." Daher sei es wichtig, bereits bei den Lehrern anzusetzen, die dafür sensibilisiert werden müssten, das Thema mitzudenken und im Rahmen von Vielfalt zu präsentieren. "Dann wird es auch für die Schüler auch nicht mehr komisch sein." Kritikern, die vor einer zu frühen Erziehung warnen, entgegnet Recla. "Viele Studien zeigen, dass die sexuelle Entwicklung und das Nachdenken darüber bei den Kindern viel früher einsetzt, als viele Erwachsene glauben." Daher sei es wichtig, sie in der Orientierungsphase zu begleiten und nicht damit alleine zu lassen.
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