Clubsterben in Berlin: Senat veröffentlicht Liste mit 15 bedrohten Bars
Die Strandbar Kiki Blofeld ist Geschichte, auch andere fürchten das Aus. Der Senat hat jetzt eine Liste mit den 15 betroffenen Locations veröffentlicht.
Am Strand knistert ein Lagerfeuer, irgendwo knallen Billardkugeln gegeneinander, im alten Bootshaus an der Spree wird gefeiert. Die Strandbar „Kiki Blofeld“ in der Köpenicker Straße in Mitte liegt mitten in der Stadt und doch im Grünen. Am Sonntag ist Schluss, nach sieben Jahren. Auf dem Gelände sollen sechsgeschossige Wohnhäuser entstehen.
Wegen solcher Orte sei Berlin doch angesagt, sagen die Gäste hier. Immer wieder müssen Bars und Clubs schließen, weil Investoren die Grundstücke kaufen oder Anwohner sich über Lärm beschweren. Die Bar 25 in der Holzmarktstraße musste im Herbst dichtmachen, weil die Grundstückseigentümerin BSR das Gelände sanieren wollte. Doch es sind noch viel mehr Namen darunter.
Offiziell gelten sechs Clubs wegen Plänen der Eigentümer als an ihrem Standort gefährdet, neun sind von Anwohnerbeschwerden betroffen. Das teilte die Senatsverwaltung für Wirtschaft auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Christian Goiny mit, die Liste erstellte die Clubcommission. Darunter sind bekannte Namen: das Yaam in Friedrichshain, das immer nur für ein Jahr verlängern darf, das ehemalige Maria am Ostbahnhof, das jetzt nur noch AdS heißt und zum Jahresende aus der alten Industriehalle an der Schillingbrücke raus muss. Vor allem wegen Lärms vor der Tür seien auch das Lido im Wrangelkiez, die 8mm-Bar in der Schönhauser Allee und der Rote Salon in der Volksbühne von Anwohnerbeschwerden betroffen. Die Musik müssen sie wie viele andere Clubs auf eine Maximallautstärke einpegeln. Sogar die Kulturbrauerei steht auf der Liste. Ordnungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) gibt aber Entwarnung: „Wir schließen die Kulturbrauerei doch nicht, nur weil sich ein Bürger beschwert.“ Die Clubs in der Brauerei planen besseren Lärmschutz. Das SO36 in Kreuzberg musste für den neuen Mietvertrag eine Lärmschutzwand für 100 000 Euro einbauen, die Kalkscheune in Mitte einigte sich mit den Nachbarn. Aus Prenzlauer Berg flüchtete das Magnet an die Oberbaumbrücke, das Knaack musste ganz schließen. Lutz Leichsenring von der Clubcommission sagt: „Die Berliner Clubs sind bedroht.“
Was "Zugezogene mit einer falschen Erwartungshaltung" mit dem Clubsterben zu tun haben, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Doch wer sind die beschwerdewütigen Anwohner? „Häufig Zugezogene mit einer falschen Erwartungshaltung“, sagt Mittes Ordnungsstadtrat Carsten Spallek (CDU). Die wollten in angesagten Kiezen leben, aber nach 22 Uhr Ruhe haben. Geht aber nicht in einer Großstadt, sagt Spallek. Andererseits müsse man als Bezirk bei Beschwerden eingreifen. Spallek schlägt vor, „touristische Hot Spots“ zu definieren, wo es dann auch nach 22 Uhr lauter sein dürfe. Mit speziellen Deals – Schnitzel und Bier gibt’s gratis – könnten Wirte zudem die Anwohner beruhigen.
„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht verspießern“, warnt Tourismus-Chef Burkhard Kieker. Von Hot Spots hält er nichts. „Dann haben wir irgendwann ein Viertel wie St. Pauli“, sagt er. Es gebe auch weiterhin viele Orte, wo sich die Clubkultur entwickeln könne. Senat und Bezirke hätten die Bedeutung verstanden, zur Rettung würden sie sich oftmals einsetzen. So wie in Mitte, wo in der Ackerstraße gerade das Kulturprojekt „Schokoladen“ um den Verbleib kämpft. Der Vermieter wolle sanieren und habe auf Räumung geklagt, sagt Anja Gerlich vom Betreiberverein, am 23. September wird entschieden. Der landeseigene Liegenschaftsfonds verhandele noch mit dem Eigentümer über einen Grundstückstausch. Dann könnte der Verein mit Sponsoren das Haus kaufen. Seit vergangenem Jahr klagt auch eine neue Nachbarin. Die Polizei kam regelmäßig, Konzerte wurden abgebrochen und enden seither um 22 Uhr, der Umsatz sank rapide.
In der Stadtentwicklungspolitik des Landes spielt die Clubszene offenbar keine Rolle. Dafür wird die wirtschaftliche Bedeutung hervorgehoben: 2007 hätte die „Club- und Veranstalterbranche“ einen Umsatz von 170 Millionen Euro erwirtschaftet, 10 000 Partytouristen kämen jedes Wochenende. „Der Partytourismus ist der Goldesel der Stadt“, sagt Ben de Biel vom AdS. Leichsenring von der Clubcommission fordert von den Bezirken, weniger reine Wohngebiete auszuweisen. Da dürften Clubs nicht öffnen.
Vielleicht ist ja Besserung in Sicht. Erstmals trafen sich in dieser Woche Vertreter der Clubcommission, der Senatsumweltverwaltung, der Bezirke, Rechtsanwälte und ein Akustikbüro, um die Problematik zu besprechen. Künftig sollen vor allem Stadtentwicklung und Lärm diskutiert werden. Das alles wird dem Kiki Blofeld nicht mehr helfen, am Abend des 11. September ist Schluss. Baubeginn der Wohnhäuser ist im Frühjahr, geplante Fertigstellung: Ende 2013. Der 100 Meter lange Uferbereich solle öffentlich bleiben und dauerhaft von verschiedenen Gruppen genutzt werden, verspricht Projektentwickler Christian Schöningh, der zusammen mit anderen Gesellschaftern der „Spreefeld Berlin GmbH“ das Grundstück gekauft hat. Blofeld-Betreiber Gerke Freyschmidt will mit einer Mischung aus Club und Restaurant wiederkommen. Christoph Spangenberg