zum Hauptinhalt
Um die soziale Mischung zu verbessern, sollte das Land das Schulgeld für ärmere Kinder übernehmen.
© picture alliance / dpa
Update

Rot-Rot-Grün in Berlin: Senat überprüft Finanzierungsmodelle freier Schulen

Freie Träger sind auf Elternbeiträge angewiesen. Doch wie hoch darf das Schulgeld sein? Darüber gibt es Streit - der bald durch eine Veröffentlichung angeheizt werden könnte.

Freie Schulen, die Kinder aus finanzschwächeren Familien oder Inklusionskinder aufnehmen, sollen „verstärkt gefördert werden“. Dies plant die Bildungsverwaltung auf Grundlage der Koalitionsvereinbarung, wie sie dem Tagesspiegel auf Anfrage mitteilte. In diesem Rahmen werde auch erörtert, „ob und gegebenenfalls welche Veränderungen es bezogen auf das Sonderungsverbot geben sollte“.

Mit dem - im Grundgesetz formulierten - Sonderungsverbot ist gemeint, dass Kinder nicht aufgrund eines geringen Elterneinkommens vom Besuch freier Schulen ausgeschlossen sein dürfen. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) untersucht zurzeit, inwieweit dies in Berlin der Fall ist, und hat die Schulgelder aller Schulen erfragt. Diese Zahlen sollen aber anschließend den einzelnen Schulen nicht namentlich zugeordnet werden, betonte das WZB am Donnerstag. Es wird aber in der demnächst erscheinenden Untersuchung eine Aussage darüber geben, wie viele Schulen von den Empfehlungen des Senats zur Schulgeldgestaltung abweichen. Diese Empfehlungen besagen, dass das „Einstiegsschulgeld“ für die unterste Einkommensgruppe nicht über 100 Euro liegen soll. Diese Summe leitet die Verwaltung aus einer – allerdings interpretierbaren – Äußerung des Bundesverfassungsgericht ab. Ansonsten könne das Schulgeld einkommensabhängig auch höher gehen und entsprechend gestaffelt werden.

Das Schulgeld ist nach Einkommen zu staffeln

Eines ist schon jetzt bekannt: Ein großer Anteil der freien Schulen steigt nicht bei 100 Euro ein sondern höher. Andere verzichten auf die einkommensabhängige Staffelung. Das können sie auch, denn die Empfehlungen der Schulverwaltung finden sich nur in einem "Informationsblatt", haben mithin keine Gesetzeskraft. Zu erwarten ist, dass das WZB-Forscherteam seine Forderung vom November 2016 wiederholt, eine gesetzliche Regelung zu treffen. Spätestens wenn all die neuen Zahlen vom WZB präsentiert werden, könnte die Bildungsverwaltung in Erklärungsnot kommen, warum sie die Einhaltung ihrer eigenen Vorgaben nicht kontrolliert – zumal es in den Reihen von SPD, Linken und Grünen genügend Vertreter gibt, die eine stärkere Reglementierung der freien Schulen fordern und hoffen, dass eine Begrenzung des Schulgeldes das Wachstum der freien Schulen eindämmen könnte.

Der Staat soll freie Schulen "schützen und fördern"

Die freien Schulen sind daher alarmiert. Der Sprecher der Waldorfschulen Berlin-Brandenburg, Detlef Hardorp, hat gerade einen Aufsatz veröffentlicht, in dem er die Argumentation des WZB ebenso angreift wie die angeblich vom Bundesverfassungsgericht empfohlene 100-Euro-Grenze. Hardorp legt nachvollziehbar dar, dass die Verfassungsrichter diesen Betrag in einem ganz anderen Zusammenhang erwähnten und sich sogar ausdrücklich dagegen entschieden, sich auf eine bestimmte Schulgeldhöhe festzulegen. Zudem erinnert Hardorp daran, dass laut Grundgesetz die freien Schulen „zu schützen und zu fördern“ seien. Wenn der Senat tatsächlich verhindern wolle, dass die freien Schulen hohe Schulgelder kassieren, müsse er sie eben finanziell besser ausstatten.

Zurzeit bekommen die freien Schulen lediglich 93 Prozent der "vergleichbaren" staatlichen Personalkosten ersetzt: Ausgaben für die Gebäude und Sachkosten müssen sie aus ihren Elternbeiträgen ebenso erwirtschaften wie den „Rest“ der Personalausgaben und Ausgaben für besondere Angebote. Nur starke Träger wie die Kirchen oder Stiftungen können es sich also leisten, dennoch geringe Elternbeiträge zu nehmen. Demnach ist es der Senat selbst, der durch schwache Zuschüsse die hohen Schulgeldkosten mitverursacht.

Die Expansion ruft Rot-Rot-Grün auf den Plan

Zwar hat die SPD-geführte Bildungsverwaltung schon seit rund zehn Jahren den freien Schule in Aussicht gestellt, die Finanzierung umzustellen und die Transparenz zu erhöhen – mit einer besseren Finanzierung können sie aber nicht rechnen, nach allem, was man aus der Koalition hört. Ohnehin ist Rot-Rot-Grün alarmiert darüber, dass Jahr für Jahr neue freie Schulen hinzukommen. Darunter sind zunehmend auch Schulgründer, die sich speziell um sozial Schwache kümmern wollen, weil sie von den staatlichen Schulen enttäuscht sind. Darauf hat die Bildungsverwaltung bisher keine Antworten gefunden - zumal die staatlichen Brennpunktschulen trotz zusätzlicher Förderung noch immer eine hohe Schülerquote ohne Abschluss ins Leben schicken.

Zur Startseite