Immer weniger ÖPNV-Fahrgäste tragen Mundnaseschutz: Senat streitet über Bußgeld bei Maskenpflicht
Rot-Rot-Grün ist sich uneinig, ob ein Bußgeld für das Nichttragen einer Maske eingeführt werden soll. Die BVG weist künftig mit Stickern auf die Pflicht hin.
Ab kommender Woche sollen die Türen der BVG-Wagen, der Busse und Straßenbahnen Aufkleber tragen, die die ÖPNV-Nutzer darauf hinweisen, Masken zu tragen. Das sagte BVG-Sprecherin Petra Nelken dem Tagesspiegel. Derzeit werden rund 20.000 Aufkleber gedruckt mit der Aufforderung „Einstieg nur mit Maske“ oder „Für dich. Für uns. Für alle! Bedecke bitte in Fahrzeugen und Bahnhöfen stets Mund und Nase“. Die Aufkleber gibt's auch auf Englisch: „Cover mouth and nose“.
Nelken sagte, täglich seien 300 Kontrolleure und Sicherheitskräfte unterwegs, die Fahrgäste ohne Maske auf eine Maskenpflicht im ÖPNV hinweisen würden. Die Maskenpflicht gilt auch beim Aufenthalt auf Bahnsteigen und an Haltestellen.
In der vergangenen Woche trugen im Schnitt nur 78 Prozent der Fahrgäste eine Maske. Die Zahlen variieren je nach Tageszeit. Hatten in der vergangenen Woche rund 85 Prozent der Fahrgäste Mund und Nase bedeckt, waren es laut BVG am Dienstag etwa 90 Prozent. Durchschnittlich trugen 75 Prozent in der vergangenen Woche Maske in Straßenbahnen. Am Dienstag sah das im Tagesdurchschnitt besser aus: Laut BVG waren es 85 Prozent, die in Straßenbahnen und auch in Bussen Masken trugen.
[Der Verkehr in der Metropole: Das ist regelmäßig auch ein Thema in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Bisher gilt das Nichttragen einer Maske nur als Ordnungswidrigkeit
Der Senat will wie berichtet am Dienstag kommender Woche Lockerungen der Kontaktbeschränkungen ab 25. Juni beschließen. Der Mindestabstand von 1,50 Metern sowie die Maskenpflicht im ÖPNV, im Einzelhandel und in der Gastronomie sollen weiterhin gelten.
Bisher gilt das Nichttragen einer Maske als Ordnungswidrigkeit. Ob dafür ein Bußgeld eingeführt wird, wird in der Koalition kontrovers diskutiert. Die SPD ist mehrheitlich dafür, während Linke und Grüne ein Bußgeld bisher ablehnen.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) signalisierte, dass das Durchsetzen der Maskenpflicht von Ordnungskräften nur mit einer Sanktionierung funktionieren könne. Geisel sprach mit den Bezirksbürgermeistern, die für Kontrollen in Gaststätten Ordnungsamtsmitarbeiter zur Verfügung stellen würden.
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wies darauf hin, dass immer weniger Menschen in Bussen und Bahnen eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. „Für mich ist das eine Rücksichtslosigkeit, weil es auch um die Gesundheit anderer geht, die etwa chronisch krank sind und sich dem schwer entziehen können. Daher muss diese Pflicht, eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, bußgeldbewehrt sein und kontrolliert werden. Die Durchsetzung von Kontrollen ist eine Frage unseres gemeinsamen politischen Willens“, sagte Kalayci dem Tagesspiegel.
Auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh befürwortet ein Bußgeld. Um eine zweite Pandemiewelle zu verhindern, müssten sich die Berliner an Regeln halten. „Ich toleriere nicht, dass es Wenige gibt, die die Maskenpflicht nicht einhalten. Deshalb muss es Sanktionen geben.“
Sozialsenatorin plädiert für Informationskampagnen
Arbeits- und Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) wies auf einkommensschwache und kranke Menschen hin, die sich Masken nicht leisten oder aus gesundheitlichen Gründen nicht tragen könnten. Breitenbach sieht Probleme in der Umsetzung von Kontrollen und plädiert für Informationskampagnen, um die Berliner auf die Notwendigkeit Masken zu tragen hinzuweisen.
Im Einzelhandel seien die Geschäftsinhaber dafür verantwortlich, dass die Maskenpflicht von Kunden umgesetzt wird. Rechtspolitiker Sebastian Schlüsselburg (Linke) will die Maskenpflicht im ÖPNV als Ordnungswidrigkeit streichen und appelliert an die Einsicht der Menschen.
Allerdings müsse man sich das Infektionsgeschehen immer anschauen. Im Einzelhandel und in Restaurants sollte man „stichprobenartige Kontrollen“ durchführen. In diesen Bereichen sollte man die Maskenpflicht als Ordnungswidrigkeit belassen.
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) appellierte an die Verantwortung jedes Einzelnen bei jedem Lockerungsschritt. „Mit Sorge nehmen wir eine zunehmende Nachlässigkeit beim Tragen eines Mund- und Nasenschutzes im ÖPNV wahr“, sagte Pop. Man werde darüber im Senat beraten, „mit welchen Mitteln wir hier gegensteuern können“.
Fraktionschefin Silke Gebel setzt statt auf Sanktionen auf „direkte Ansprache und Kampagnen“, um die Menschen zum Tragen der Maske aufzufordern. „Es kommt auf die Akzeptanz an“, sagte Gebel. Die Frage sei doch, wie eine Pflicht tatsächlich durchgesetzt werden könne. Sie bezweifelt, dass das mit einem Bußgeld gelingen könnte.
Auf Anfrage sagte der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Pallgen: „Sollte der Senat ein Bußgeld beschließen, wird die Polizei das mit Schwerpunkteinsätzen kontrollieren und durchsetzen.“ Am Dienstag wird darüber im Senat sicherlich intensiv diskutiert werden.